# taz.de -- Berliner Konzert von Frei.Wild: Offene Hintertürchen | |
> Die Band Frei.Wild bringt ihre nationalistische und chauvinistische | |
> Rockmusik massenwirksam in Charts und großen Hallen unter. | |
Bild: Fühlen sich missverstanden: Die Südtiroler Band Frei.Wild | |
Philipp Burger hält nach einem Song inne. Artig gibt er sein Statement ab. | |
Rechter Rand? Nix da, völliger Mumpitz. „Da erdreistet man sich, 100.000 | |
Fans der Band in die Nazi-Ecke zu drängen“, sagt er. | |
Nach dem Lied „Das Land der Vollidioten“ brüllt er „Nazis raus“ ins Mi… | |
Einige wenige in der Halle wollen den Slogan skandieren. Der Rest verhält | |
sich unschlüssig. Auf die politische Gesinnung der Band angesprochen, | |
beteuern viele Konzertbesucher, dass Frei.Wild-Mögen mit Rechtssein rein | |
gar nichts zu tun habe. Einer sagt: „Die singen doch nur von Freundschaft, | |
Zusammenhalt, von Ehre.“ | |
Imagepolitur ist angesagt. Dreieinhalb Wochen gehen Frei.Wild deshalb auf | |
Tour durch Deutschland, oft spielen sie vor ausverkauften Häusern. Am | |
Freitag traten sie im Berliner Velodrom vor gut 10.000 Menschen auf. | |
## Lieder über geliebte Heimaterde | |
Die Südtiroler Rockband singt auf Deutsch und füllt das Vakuum, das die | |
Böhsen Onkelz nach ihrer Auflösung 2005 hinterlassen haben. Es gibt Songs | |
über geliebte Heimaterde, über Aufrichtigkeit, Kameradschaft und Stolz. Am | |
19. Oktober stiegen sie mit ihrem neuen Album auf Platz zwei in den | |
deutschen Charts ein, bisher sind über 80.000 Einheiten von „Feinde Deiner | |
Feinde“ verkauft. | |
Frei.Wild-Konzerte ähneln den Bierzelten auf Schützenfesten – und sind in | |
etwa so dumpf. Wie rechts Frei.Wild nun wirklich sind, diese Diskussion | |
wird schon seit längerem geführt, zuletzt auch bei „Jauch“ in der ARD am | |
28. Oktober. Zu seiner rechtsextremen Vergangenheit steht Sänger Philipp | |
Burger, seine mit rechten Inhalten („Eine Gruppe von Glatzen / kämpft | |
dagegen an / Gegen Weicheier wie Raver, Hippies und Punks / Reagieren wir | |
heftig“) gespickte Exband Kaiserjäger sieht er aber nicht als Naziband. | |
Sei’s drum, bis 2008 war der 32-Jährige auch Mitglied der | |
rechtspopulistischen Südtiroler Partei „Die Freiheitlichen“. Der taz stand | |
er am Freitag nicht für ein Gespräch zur Verfügung. | |
Frei.Wild sind zwar auf Samplern mit anderen Nazibands vertreten, offen | |
neonazistisch geben sich Frei.Wild aber nicht. Sie vertreten patriotische, | |
völkische und chauvinistische Ansichten. „Sprache, Brauchtum und Glaube | |
sind Werte der Heimat / Ohne sie gehen wir unter / Stirbt unser kleines | |
Volk“, huldigen Frei.Wild im Song „Wahre Werte“ ihrer Region. Sie erreich… | |
damit den Mainstream, für viele Nazis gelten sie daher als vorbildlich. | |
Joe ist beim Berliner Konzert, um zu sehen, „wozu die Leute am meisten | |
abgehen“. Er arbeitet als Manager in der Musikbranche und er ist schwarz. | |
Ob er der Einzige sei, frage ich vorsichtig. „Ja, ich bin der einzige | |
Schwarze. Deutscher als hier geht’s ja wohl kaum.“ Der Mann mit Basecap, | |
Sneakers und Hornbrille wirkt hier wie ein Modernist, den man ins | |
Mittelalter verbannt hat. | |
## Altdeutsche Schrift | |
Auf den T-Shirts um ihn herum ist viel altdeutsche Schrift zu lesen, die | |
Kameradschaft Worms steht in unserer direkten Nachbarschaft. Viele eiserne | |
Kreuze, „Pit Bull“-Tattoos auf dem Schädel und massig Onkelz-Klamotten. | |
„Frei.Wild sprechen die deutsche Landjugend an“, vermutet Joe. Sich nun als | |
Anti-Extremismus-Kämpfer zu geben, ist bei Frei.Wild so peinlich wie | |
unglaubwürdig. | |
Ein Statement hat die Band ins Netz gestellt: „Wir wollen nicht, dass sich | |
Nazis als Frei.Wild-Fans bezeichnen, weil sie es einfach nicht sein | |
können“, betont Burger darin. Gerade Letzteres wirkt absurd. Burger singt | |
unter anderem davon, sich auf „Volk, Tradition und Sprache“ zu besinnen, | |
„für uns Minderheiten eine Herzenssache“. Im Song „Südtirol“ heißt e… | |
Feinde der Provinz sollen „in der Hölle schmoren“. | |
Im Song „Das Land der Vollidioten“ münden die Verse „Kreuze werden aus | |
Schulen entfernt /Aus Respekt vor den andersgläubigen Kindern“ in dem | |
Resümee: „Das ist das Land der Vollidioten / Die denken, Heimatliebe ist | |
gleich Staatsverrat.“ | |
Hört man sich unter den Berliner Fans um, schwanken die Meinungen zwischen | |
Unkenntnis und Verharmlosung. „Warum sollten wir nicht stolz auf unser Land | |
sein“, fragt ein Konzertbesucher, „gut, ich hab das jetzt nicht wieder | |
aufgebaut, aber unsere Väter und Großväter!“ Der 26-Jährige, der seinen | |
Namen nicht preisgeben will, war Onkelz-Fan, Frei.Wild seien aber „noch | |
geiler“. | |
Seine Freundin antwortet auf die Frage, was sie davon halte, dass Sänger | |
Burger – wie er in einem Blog-Eintrag während der EM 2012 formulierte – die | |
deutsche Vergangenheit nun lieber ruhen lassen möchte. „Er hat ja recht, | |
man muss nach vorne schauen.“ Wenige Minuten später gibt es noch eine | |
Zugabe: „Einer geht noch, einer geht noch rein“, johlt die Masse. | |
## Opfer der Linken | |
Frei.Wild sehen sich als Opfer von Hetzkampagnen des linken Mainstreams, | |
als von Demokraten missverstandene Widerständler und Rebellen. Zu den | |
Unterstützern der Band zählen unter anderem die „Deutsche Lobby“, eine | |
„Lobby gegen LINKE und Islam und EU“, der Dolomitengeistblog „Zum Schutz | |
unserer Heimat“. Richtige Nazis mögen die Band natürlich auch: Im | |
Nazi-Internet-Fernsehsender „FSN TV“ lobt Patrick Schröder von der | |
bayerischen NPD die Band: „80 Prozent bei uns auf Linie, 30 Prozent davon | |
geben sie zu“. Man könne von ihnen profitieren, da sei „Potenzial“. | |
Problematischer ist, dass Frei.Wild auf der Berliner Fanmeile während der | |
WM 2010 vor 500.000 Fußballfans gespielt haben. Der unsensible Umgang mit | |
der Band zieht Kreise: Hallenvermietern und Bookern gilt sie als harmlos. | |
Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz sieht das anders und ließ das | |
Konzert der Band in Dortmund beobachten. | |
Vonseiten des Berliner Veranstalter heißt es dagegen, man beurteile vor | |
allem nach dem – anscheinend geringen – Gefahrenpotenzial während des | |
Konzerts, weniger nach Inhalten. | |
Bei der Band-PR-Agentur Rosenheim Rocks stuft man ihre Texte als „nicht | |
rechtspopulistisch“ ein. Frei.Wild trat beim Wacken-Open-Air auf, hat die | |
gleiche Booking-Agentur wie das Festival. | |
## Patriotismus | |
Wie viel sind solche Beteuerungen – auch jene in den Songtexten – also | |
wert? Die Nazi-Hintertürchen scheinen jedenfalls offen zu stehen. Im Song | |
„Gutmenschen und Moralapostel“ fallen Sätze wie: „Sie richten über Mens… | |
/ Ganze Völker sollen sich hassen / Nur um Geschichte, die noch Kohle | |
bringt / Ja nicht ruhen zu lassen.“ | |
Mitte 2012 schreibt Burger in einem Blogeintrag zum Thema Patriotismus: | |
„Auch macht man Vergangenes nicht ungeschehen, indem man schon seit | |
Jahrzehnten davon finanziell Profitierende, lächtsend [sic] nach einer | |
Daseinsberechtigung für ihr klägliches Dasein weiter unterstützt und ihre | |
Meinung blind unterstreicht nur um ja nicht dagegen zu pissen. Ich trage | |
keine Schuld, ich liebe mein Land […].“ | |
Der Auftritt Frei.Wilds ist so spektakulär nicht. Das Cover, martialische | |
Kämpfer mit bösen Blicken, bildet den Bühnenhintergrund, ein bisschen Feuer | |
wird entzündet. Musikalisch ist viel Schlockrock vom großen Bruder Onkelz | |
zu hören. | |
Darüber hinaus decken Frei.Wild ein Spektrum ab, dass vom Oi-Punk, über | |
Nu-Metal-Klänge bis hin zum druckvollen Hardrock reicht. Wer auf harte, | |
einfache Rockmusik mit eingängigen Refrains steht, könnte ihren Sound | |
mögen. Und für alle Fälle werden live noch ein paar Balladen eingestreut. | |
Burgers Gesang legt sich, mal clean, mal gegrölt, darüber. Auch auf der | |
Bühne agiert er als Frontmann, der zweite Gitarrist Jonas Notdurfter darf | |
gelegentlich „Danke“ an die Fans richten, das er grölt, als habe er | |
gutturale Gastritis. | |
Die Funktion von Frei.Wild: Verlierern eine Stimme geben, sie zu stolzen | |
Menschen machen – und wenn es in ihrem Leben nichts zum Stolzsein gibt, ist | |
ja noch die Heimat da. Man suggeriert den Fans, wie wild, böse und anders | |
sie doch sind, dass sie „ihren Weg“ gehen und „eigenständig denken“. E… | |
kämpferische Rhetorik – meist vereinfacht auf ein „wir vs. die“ – tut … | |
Übriges. | |
Gegenüber Bands wie den Ärzten – für die Frei.Wild musica non grata sind �… | |
äußern die Südtiroler in einem Song: „Immer, immer wieder / Ertönen unsere | |
Lieder / Eure stummen Schreie / Gehen wie Bomben auf Euch nieder.“ Nicht | |
nur am Inhalt, auch an der Form hapert es. „Wir sind keine Neonazis und | |
Anarchisten / Wir sind einfach gleich wie ihr, von hier.“ Gleich wie, | |
Frei.Wild bleiben ein Übel. | |
27 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Jens Uthoff | |
Jens Uthoff | |
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