# taz.de -- Gespräch über 3-D-Kino: Die Schnurrhaare des Tigers | |
> Die Regisseure Wim Wenders und Ang Lee diskutierten in Berlin über | |
> Besonderheiten des 3-D-Kinos. Es sei das Medium der Zukunft, sagten sie. | |
Bild: Gut gebrüllt, Tiger: Szene aus „Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger“. | |
Erst drei Jahre ist es her, seit James Cameron mit „Avatar“ die | |
Kassenrekorde brach und 3-D zum Durchbruch verhalf. Seither hat das Kino | |
eine wahre „3-Disierung“ erlebt – mit all den Vor- und Nachteilen einer | |
solchen technischen Revolution, die manche als Zwangsmaßnahme einer | |
gierigen Industrie empfinden, andere als notwendige Neuerung. Das Für und | |
Wider spielte bei dem Gespräch, zu dem sich Wim Wenders und Ang Lee am | |
Donnerstag in der Berliner Akademie der Künste einfanden, allerdings keine | |
Rolle. | |
Warum 3-D? Mit dieser Frage aller Fragen zum Thema eröffnete Ang Lee die | |
Diskussion, die sich weniger zum Zwiegespräch als zum interessanten, wenn | |
auch ausgesprochen braven Erfahrungsaustausch entwickelte. Wenders konnte | |
letztes Jahr mit seiner Tanzdokumentation „Pina“ große Erfolge mit dem | |
neuen Format feiern und arbeitet derzeit an seinem ersten Spielfilmprojekt | |
in 3-D, Lee stellt mit der Verfilmung des Romans „Life of Pi“, die Ende | |
Dezember bei uns in die Kinos kommt, seinen ersten 3-D-Film vor. | |
Wer „Life of Pi“ als Buch kennt, wird nicht unbedingt verstehen, warum 3-D | |
für diesen intimen Bericht eines „Schiffbruchs mit Tiger“ sinnvoll sein | |
soll. Doch Lee schilderte, wie es ihm bei der Beschäftigung mit dem | |
Material immer notwendiger erschien, den „Raum zu öffnen“. Er habe die | |
Produzenten erst von der Idee überzeugen müssen, die noch ganz dem Glauben | |
verhaftet waren, 3-D sei etwas für Action- und Animationsfilme, nicht für | |
Literatur. | |
„Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger“ wird in der Tat wahrscheinlich weite… | |
3-D-Skeptiker dazu bringen, dem neuen Format mehr zuzutrauen als nur | |
„Spezialeffekt“ zu sein. Nicht zuletzt wegen einer Qualität, die Wenders, | |
sozusagen als einer der ersten Bewunderer des Films, den er zur | |
Vorbereitung auf die Diskussion gesehen hat, beschrieb: nämlich die | |
gekonnte Zurückhaltung, die Ökonomie, mit der Lee die neue Technik in „Life | |
of Pi“ zum Einsatz bringe. | |
## Neue Spielregeln | |
In sich fast überbietender Bescheidenheit gaben sich sowohl Wenders als | |
auch Lee als tastende Forschende aus, die mit 3-D ein neues Medium | |
kennenlernen, dessen Spielregeln und Erfordernisse von Kamerastellungen bis | |
zum Schauspiel erst noch erlernt werden müssen. Beide beschworen immer | |
wieder das Neue, das mit 3-D ins Kino und damit ins Verhältnis von | |
Zuschauer und Leinwand einzieht. | |
Wenders sprach von 1.000 Jahren, in denen sich zweidimensionale | |
Sehgewohnheiten ausgeprägt haben, Lee beschränkte sich auf 100 Jahre | |
Kinogeschichte, beide waren sich einig, dass die Umstellung mit einem | |
großen Lernprozess für Zuschauer und Filmemacher einhergehe. | |
Wobei die Beschreibung dessen, was denn nun einen 2-D- von einem 3-D-Film | |
unterscheide, irritierend vage blieben. Lee sprach davon, dass 3-D zwar | |
realistischer erscheine, gleichzeitig aber weit trügerischer sei, da der | |
Zuschauer es nicht mehr mit einer „festen“ Leinwand zu tun habe. | |
Wenders hob ab auf die größere Präsenz der Dinge und Wesen in 3-D – der | |
Tiger in Ang Lees „Life of Pi“ liefere dafür den besten Beweis. | |
Interessanter als diese Beschwörungen eines neuen „Mediums“, das sich erst | |
noch materialisiert, waren dagegen die kurzen Einblicke in die Probleme, | |
die das Arbeiten in 3-D mit sich bringt. Etwa der unerfreuliche Effekt der | |
„Miniaturisierung“, der zu unfreiwilliger optischer Komik führt, oder die | |
Tatsache, dass Schauspiel in 3-D schnell zum Overacting ausarten kann. Über | |
solch amüsanten Details ließ sich die Ausgangsfrage „Warum eigentlich 3-D?�… | |
denn auch bequem vergessen. | |
„Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger“ startet am 26. Dezember 2012. | |
30 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Kristin Fischer | |
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