# taz.de -- Space Elevator: Per Aufzug durch die Galaxis | |
> In Garching basteln Raumfahrtstudenten an einer Utopie: Sie wollen einen | |
> Lift entwickeln, der Menschen ins All befördert. Kann das gelingen? | |
Bild: Völ-lig losge-he-löst von der Eeeeerde... Der Space Elevator ist gar ni… | |
Ein Fahrstuhl zu den Sternen, ein Aufzug, der Menschen Tausende von | |
Kilometern ins All befördert – die Idee klingt albern, weil sie so simpel, | |
so mechanisch, so wenig hightech ist. Aber sie bildet die Basis für die | |
Entdeckung fremder Welten, könnte die Pioniere um wertvolle Erze bereichern | |
und das Müllproblem auf der Erde lösen. | |
Mit dem Aufzug könnte man ohne besondere Treibstoffe Planeten besiedeln, | |
auf Asteroiden und Kometen Metalle und Mineralien abbauen oder Brennstäbe | |
so lange im Nichts trudeln lassen, bis sie nicht mehr radioaktiv strahlen. | |
Der Spacelift wäre wohl einer der spektakulärsten Erfindungen der Neuzeit, | |
weil er manche Probleme auf Erden lösen könnte: Er könnte zum Beispiel | |
Menschen auf fremde Planeten transportieren, die sie dann besiedeln. | |
Schon Anfang des 20. Jahrhunderts haben Raumfahrtpioniere wie Konstantin | |
Ziolkowski oder Hermann Oberth mit dem Gedanken gespielt, mit einem Aufzug | |
die Schwerkraft zu überwinden. Richtig populär wurde die Idee Ende der | |
siebziger Jahre durch Arthur C. Clarke und seinen Roman „Fahrstuhl zu den | |
Sternen“. | |
Die Nasa forscht seit zehn Jahren am Space Elevator. Dabei handelt es sich | |
nicht mehr um ein massives Konstrukt, sondern um ein extrem langes Seil, | |
das von einem Satelliten zur Erdoberfläche herabgelassen wird und an dem | |
ein Lift mit Laserantrieb fährt. | |
## Ein 36.000 Kilometer langes Seil | |
Nach wie vor klingt der Plan nach einem wahnwitzigen Unterfangen. Vor allem | |
das Seil ins All stellte Physiker immer wieder vor eine schier unlösbare | |
Aufgabe, denn lange Zeit ließ sich aus keinem Material der Welt ein an die | |
36.000 Kilometer langes Seil flechten, das nicht unter seinem eigenen | |
Gewicht reißen würde. | |
Dank neuer Technologien ist der Wahnsinn mittlerweile gar nicht mehr so | |
wahnsinnig, wie lange gedacht. Doch bis sich ein Interessent findet, der in | |
die Utopie investiert, um die bevorstehenden wissenschaftlichen Aufgaben zu | |
lösen, bastelt bloß eine Handvoll studentischer Hobbytüftler an der | |
zukünftigen Errungenschaft der Menschheit herum. | |
Andreas Hein ist so einer. Er interessiert sich für den Weltraumlift, seit | |
in Japan erste Wettbewerbe ausgerichtet wurden, bei denen Aufzüge möglichst | |
schnell möglichst große Entfernungen zurücklegen sollten. Zuerst reiste der | |
Raketentechniker selbst nach Japan. Dann hat der 30-Jährige den Contest | |
nach Garching geholt, in das Forschungszentrum bei München, wo die Anzahl | |
von Laptops und PCs pro Kopf enorm ist und Studentinnen rar sind. | |
## Miniaturdenken. Bis jetzt | |
Dort versammeln sich ein paar Raumfahrtstudenten an einem Nachmittag vor | |
dem Forschungszentrum um einen Baukran und schrauben an ihren Aufzügen, den | |
sogenannten Climbern, – von ein paar weiß-blauen Pavillons vor Regen und | |
Schnee geschützt und von ein paar Bechern Schwarztee gewärmt. Der Aufzug in | |
den Himmel: Miniaturdenken. Bis jetzt. | |
Wie die Erfindung tatsächlich auszusehen hat, weiß Andreas Hein aber ganz | |
genau. Der Doktorand kann anhand physikalischer Gesetze die Kräfte | |
erklären, die sich exponentiell verändern, je weiter man sich ins Weltall | |
denken muss. | |
„Von einer Meeresstation am Äquator muss das Seil in den geostationären | |
Orbit reichen, wo es gespannt wird, weil sich Gravitation und Fliehkraft | |
aufheben“, sagt Hein. An dem Seil könne dann ein Climber die Schwerkraft | |
überbrücken und Mensch und Gerät zu Raumstationen fahren. | |
Auf dem Hof des Garchinger Forschungszentrums stehen vier Japaner vor einem | |
Baukran. Ihr Climber hängt am Seil und rührt sich keinen Zentimeter. | |
## „Auch wirtschaftlich sinnvoll“ | |
Herbert Weidinger steht ein paar Schritte abseits neben seinem Team der | |
Technischen Uni München und hofft, dass sein Aufzug besser funktioniert. | |
Die Studenten haben ihren 14 Kilo schweren Climber erst in der vergangenen | |
Nacht fertiggestellt. Sie haben ihn „Rosie“ getauft. „Der Climber muss die | |
Last tragen, die Batterie muss effizient und die Mechanik sicher sein“, | |
erklärt der 23-Jährige. „Der Wettbewerb verlangt uns viel ab. Schließlich | |
geht es nicht nur darum, was technisch machbar, sondern auch darum, was | |
wirtschaftlich sinnvoll ist.“ | |
Damit sich der Space Elevator in der Praxis rechnet, muss der Climber etwa | |
einhundert Tonnen pro Fahrt befördern und auf 200 Stundenkilometer | |
beschleunigen können. Zwei Wochen wäre der Lift dann bis zu seinem Ziel | |
unterwegs. Auf seinem Weg benötigt der Aufzug zudem eine Kühlung für die | |
Motoren, die auch im Vakuum funktioniert, und ein Schmiermittel, das | |
außerhalb der Erdatmosphäre nicht verdampft. Und der viele Weltraumschrott, | |
die Einzelteile von Spaceshuttles, Sonden und Satelliten, die um den | |
Erdball kreisen, darf weder Climber noch Seil beschädigen. | |
## So fest wie Stahl, kaum Gewicht | |
Die größte technische Herausforderung bleibt auch heute noch das Seil an | |
sich. Die Lösung liegt in der Nanotechnologie. Forscher haben mit | |
Kohlenstoffnanoröhren, auch CNT genannt, ein Material entwickelt, das | |
hundertmal so fest ist wie Stahl und trotzdem kaum Gewicht hat. | |
„CNT ist das am besten geeignete Material, kein anderes hält mehr Spannung | |
aus“, erklärt Andreas Hein. „Leider sind die Fasern noch zu kurz, um ein | |
ausreichend langes Seil damit herzustellen. Aber sollte ein Industriezweig | |
an den Nanoröhren forschen, um damit Geld zu verdienen, könnte dieses | |
Problem schneller behoben sein, als man glaubt.“ Soweit die Theorie. | |
In der Praxis war das Seil am Garchinger Baukran nicht stark genug. Schuld | |
ist Rosie. Unter den Pferdestärken ihres Elektromotors sind die Laufräder | |
kreischend auf der Stelle durchgedreht und haben das Seil versengt. Ein | |
Übersetzungsfehler. Im nächsten Durchgang schneiden Herbert Weidinger und | |
seine Kommilitonen dann aber besser ab. Ihr Climber stellt gleich mehrere | |
Bestleistungen beim Contest auf: Rosie flitzt mit dem geringsten | |
Energieverbrauch am schnellsten den Kran hinauf und nimmt viereinhalb Kilo | |
Last mit. Das wird die Konkurrenz aus Japan nicht ruhen lassen. | |
## Hoch in den Orbit | |
Shuichi Ohno von der Japan Space Elevator Association berichtet, dass bei | |
dem Wettbewerb in seinem Land andere Kriterien erfüllt werden müssen. Die | |
Aufzüge müssen nicht besonders effizient funktionieren, sondern ein an | |
einem Wetterballon befestigtes Seil möglichst hoch erklimmen. „Vor drei | |
Jahren haben wir eine Höhe von 150 Metern erreicht. Inzwischen ist bereits | |
mehr als ein Kilometer machbar.“ Bis 2015 will Ohno eine Höhe von 36 | |
Kilometern schaffen; das ist in etwa die Entfernung, aus der Felix | |
Baumgartner seinen Rekordsprung aus der Atmosphäre gewagt hat. Der | |
Weltraumaufzug muss jedoch mindestens tausendmal so hoch in den Orbit | |
hinaus. | |
Andreas Hein will keine Vorhersage abgeben, wann diese Strecke per | |
Fahrstuhl gemeistert werden kann. „Quantensprünge in der Wissenschaft | |
hängen von Außenfaktoren ab. Die Mondlandung zum Beispiel wurde maßgeblich | |
durch den Kalten Krieg gefördert.“ Für den Space Elevator müsste sich | |
jemand einsetzen, der das dringende Interesse verfolgt, im All Profit zu | |
machen. | |
Das japanische Unternehmen Obayashi hat verkündet, bereits an einem Aufzug | |
zu den Sternen zu bauen. | |
Im vergangenen Jahr schrieb die New York Times von einem Geheimprojekt des | |
Google X Lab, das die gleichen Ziele verfolgt. Die Lift Port Group aus | |
Seattle will ihren Aufzug bereits in acht Jahren fertiggestellt haben, | |
allerdings auf dem Mond. | |
Als man den Science-Fiction-Autor Arthur C. Clarke kurz vor seinem Tod vor | |
vier Jahren fragte, was er glaube, wann der Space Elevator aus seinem Roman | |
Wirklichkeit werden könnte, antwortete er: „Zehn Jahre nachdem alle | |
aufgehört haben, über die Idee zu lachen.“ | |
8 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Philipp Brandstädter | |
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