# taz.de -- Mieterprotest in Köln: „Neue Heimat“ unter dem Hammer | |
> Rund 1.200 Wohnungen sollen in Köln zwangsversteigert werden. Die | |
> Bewohner befürchten, dass Spekulanten ihren Häuserkomplex aufkaufen – und | |
> wehren sich. | |
Bild: Trostlos sind die Wohnverhältnisse in Köln-Chorweiler schon – da brau… | |
KÖLN taz | Der Protest hat gewirkt, doch das Bangen geht weiter. Mehr als | |
3.000 Menschen im Kölner Stadtteil Chorweiler blicken in eine ungewisse | |
Zukunft. Im Januar sollen die Hochhäuser, in denen sie leben, | |
zwangsversteigert werden. Die Sorge ist groß, dass doch noch ein Finanzhai | |
den Zuschlag erhält und sie zu Opfern überzogener Renditeerwartungen | |
werden. Dabei sind ihre Wohnverhältnisse schon jetzt trostlos genug. | |
Es geht um einen Häuserkomplex im Norden Chorweilers, der einst ein | |
Vorzeigeobjekt sein sollte, doch heute als abschreckendes Beispiel | |
sozialdemokratischen Wohnungsbaus gilt. Als die 1.199 Wohnungen, die nun | |
zwangsversteigert werden sollen, 1973 bezugsfertig wurden, versprach der | |
damalige Vermieter, die „Neue Heimat“, komfortables Wohnen auch für | |
Menschen mit geringen Einkommen. Doch mit dem Niedergang des | |
gewerkschaftseigenen Wohnungsunternehmens in den 80er Jahren begann für die | |
Mieter eine Odyssee. Die wechselnden Eigentümer hatten nur eines gemeinsam: | |
Sie ließen die Häuser, die wie eine kölsche Variante des ostdeutschen | |
Plattenbaus wirken, verwahrlosen. | |
Nachdem 2005 die bislang letzte Vermieterin, eine Hamburger Unternehmerin, | |
Insolvenz anmelden musste, stehen die Hochhäuser an der Stockholmer Allee | |
und der Osloer Straße unter Zwangsverwaltung. Hauptgläubigerin ist die | |
landeseigene NRW-Bank. Mehr als die notdürftigsten Reparaturen und | |
Instandsetzungen hat es seitdem nicht gegeben. Die Folgen sind etwa | |
Leitungswasserrohrbrüche, feuchte Decken und Wände, Schimmelpilzkolonien, | |
kaputte Küchen und Bäder. | |
Jetzt steht für den 18. Januar die Zwangsversteigerung an – und die Mieter | |
fürchten, es könne noch unerträglicher werden: Ein privater Finanzinvestor | |
könne sich die Häuser krallen. „Wir dürfen nicht zulassen, dass die | |
Wohnungen weiter verkommen und die Menschen unter unwürdigen Bedingungen | |
leben müssen, nur damit die Heuschrecken kurzfristige Renditen erzielen | |
können“, sagt der Kölner DGB-Chef und SPD-Landtagsabgeordnete Andreas | |
Kossiski. | |
## Pünktliche Mietzahlung garantiert | |
Tatsächlich sind die zur Versteigerung stehenden Hochhäuser nicht ganz | |
unattraktiv. Die meisten Bewohner sind von staatlichen Transferleistungen | |
abhängig, was pünktliche Mietzahlungen garantiert. Rendite ließe sich damit | |
jedoch nur dann erzielen, wenn man nicht mehr als das unbedingt Nötigste in | |
die Häuser investiert – so wie es der Firmengruppe des umstrittenen | |
Investors Erez Adani vorgeworfen wird, die vor drei Jahren im Kölner | |
Stadtteil Finkenberg 530 Wohnungen aus einer Insolvenzmasse ersteigerte. | |
Sie steht in der Kritik, diese weiter verfallen zu lassen und trotzdem die | |
Mieten zu erhöhen. | |
Entsprechend schrillten die Alarmglocken, als bekannt wurde, die | |
Adani-Gruppe habe auch an den Häusern in Chorweiler Interesse. | |
Stadteilinitiativen machten mobil, die katholische Pfarrgemeinde warnte in | |
einem Brief an Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters und Landesbauminister | |
Michael Groschek (beide SPD). SPD, Grüne und Linkspartei ergriffen Partei | |
für die Mieter. Ende vergangener Woche gab Adani auf. Über seinen Anwalt | |
teilte er Minister Groschek schriftlich mit, sich nicht mehr an der | |
Zwangsversteigerung beteiligen zu wollen. Er sei in der öffentlichen | |
Debatte diffamiert worden, soll es in dem Brief heißen. | |
Nun ist wieder offen, wer bei der Versteigerung das Rennen machen wird. | |
Damit nicht ein anderer Finanzjongleur den Zuschlag bekommt, bemüht sich OB | |
Roters derzeit um die Bildung eines Konsortiums unter der Regie der | |
städtischen Wohnungsbaugesellschaft GAG und der Stadt. Offen ist | |
allerdings, wie hoch die finanzielle Schmerzgrenze für ein solches | |
Konsortium liegt. Köln ist hoch verschuldet. Das Mindestgebot liegt bei 28 | |
Millionen Euro. | |
11 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
Pascal Beucker | |
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