# taz.de -- Angriffe auf Parteibüros: Wenn's mal richtig knallt | |
> In den vergangenen Jahren hat es 600 Angriffe auf Politiker und | |
> Parteibüros gegeben. In einer interaktiven Grafik zeigt die taz wer, wann | |
> und wo angegriffen wurde. | |
Bild: Es muss gar nicht groß knallen. Die Wirkung ist dennoch enorm | |
BERLIN taz | Die Explosion seines Briefkastens sorgte bundesweit für | |
Schlagzeilen. Am vergangenen Donnerstag ging die Meldung um, auf das | |
Wahlkreisbüro des SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy im niedersächsischen | |
Stadthagen sei ein Anschlag verübt worden. | |
Später stellte sich heraus, dass es nur ein Feuerwehrskörper war, der den | |
Briefkasten zerstörte. Da Edathy den Bundestags-Untersuchungsausschuss zur | |
Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) leitet, liegt ein | |
politisches Motiv der Tat jedoch nahe. | |
Nur einen Tag später wurde auf das Büro des Linken-Bundestagsabgeordneten | |
Stefan Liebich im Berliner Bezirk Pankow ein Farbanschlag verübt. In der | |
Nacht zu Freitag entdeckten Polizisten mehrere Schriftzüge, auf denen | |
jemand „Judas“ und „Stasi raus“ an die Fassade geschrieben hatte. Edathy | |
und Liebich stehen damit nicht allein, es sind nur zwei besonders | |
prominente Fälle. In den letzten drei Jahren, von 2010 bis 2012, gab es | |
mehr als 600 Übergriffe auf Politiker und deren Parteibüros. | |
Jeden zweiten Tag stehen ihre Mitarbeiter morgens vor Hakenkreuzen, | |
Scherben, Buttersäure oder gar Einschusslöchern. Das haben Recherchen der | |
taz ergeben, die sich auf Berichte in der Lokalpresse und von | |
Opferverbänden, Gespräche mit Mitarbeitern der Büros sowie Informationen | |
der Parteien und Landeskriminalämter stützen. Danach zeigt sich: Fast | |
überall werden Parteibüros zum Ziel solcher Übergriffe. | |
In drei von vier Fällen sind es Büros von SPD oder Linkspartei, die | |
attackiert werden. Die Schwerpunkte der Gewalt liegen dabei klar in den | |
neuen Bundesländern. In Mecklenburg-Vorpommern wurden im Verhältnis zur | |
Einwohnerzahl die meisten Delikte gezählt. Aber auch andernorts häuft sich | |
die Gewalt überall dort, wo rechte Strukturen bestehen, seien es | |
NPD-Verbände oder Autonome Nationalisten. | |
Auch in Hoyerswerda gibt es Rechte. Ihnen zum Trotz hat die | |
Bundestagsabgeordnete Caren Lay von der Linkspartei hier ein Büro eröffnet, | |
als alternativen Ort. Vier Schaufenster reichen bis zur Decke, davor stehen | |
Topfpflanzen auf der Fensterbank. „Es soll zum Mitmachen einladen“, sagt | |
Lay. | |
Diese Offenheit macht Parteibüros aber auch angreifbar. Stephan Bundschuh | |
von der Hochschule Koblenz hält solche Büros für wichtig, aber sie seien | |
eben auch besonders einfache Angriffsziele. „Es ist für die Täter nicht | |
besonders riskant, nachts einen Stein in eine Schaufensterscheibe zu | |
schmeißen“, sagt er, „die mediale Aufmerksamkeit im Nachhinein ist | |
allerdings immens.“ | |
Den Effekt kennen auch die Opfer. Sie meiden deshalb oft den Weg an die | |
Öffentlichkeit, selbst der Staatsschutz rät vielerorts dazu. | |
Wissenschaftler Bundschuh hält das für falsch: „Die Täter signalisieren | |
selbst mit einem kleinen Sticker: ,Wir sind da', obwohl das natürlich nicht | |
für eine ganze Stadt zutrifft.“ | |
Die Wirkung bei den Opfern ist enorm. Schnell sind so von einigen Wenigen | |
Angsträume in ganzen Stadtteilen errichtet. Deshalb müsse früh und | |
öffentlich reagiert werden, sagt Bundschuh. Vor dem Hintergrund des Terrors | |
des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) wirkt das mittlerweile wie | |
eine Binse. In Behörden und Parteien flüchten sich dennoch immer noch allzu | |
viele ins Schweigen. | |
12 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Johannes Wendt | |
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