# taz.de -- Neues Wahlrecht in Deutschland: Gerechteres und größeres Parlament | |
> Im Bundestag ist das neue Wahlrecht diskutiert worden. Alle finden es | |
> schwer verständlich, nur die Linke lehnt es ab. Dennoch: Es soll | |
> gerechter sein als das Alte. | |
Bild: Da ist noch Platz für Expansion: Bundestag von oben. | |
FREIBURG taz | Das neue Wahlrecht wird gerechter als das alte. Allerdings | |
wird der Bundestag dabei anwachsen, indem Überhangmandate ausgeglichen | |
werden. Das sind die Grundzüge des neuen Wahlrechts, das am Freitag | |
erstmals im Bundestag diskutiert wurde. Anlass ist eine Entscheidung des | |
Bundesverfassungsgerichts vom Juli. | |
Nach wie vor gilt: Mit der Erststimme wird der direkt gewählte Abgeordnete | |
eines Wahlkreises gewählt. Mit der Zweitstimme bestimmen die Wähler, wie | |
viele Sitze eine Partei im Bundestag haben soll. Bekommt eine Partei mehr | |
Direktmandate, als ihr nach Zweitstimmen zustehen, spricht man von | |
Überhangmandaten. Bisher haben diese zusätzlichen Mandate das Wahlergebnis | |
verzerrt. | |
Bei der Wahl 2009 gab es 24 Überhangmandate, die alle an die CDU/CSU | |
gingen. So viel Verzerrung ist aber nicht mehr akzeptabel, entschied das | |
Bundesverfassungsgericht im Juli 2012. Ab etwa 15 Überhangmandaten müsse | |
die Verzerrung ausgeglichen werden. Der Bundestag ging nun aber weiter. Wie | |
von der SPD gefordert, werden künftig alle Überhangmandate ausgeglichen. | |
Die Sitzverteilung im Bundestag soll also weitgehend dem Wahlergebnis | |
entsprechen. Der Gesetzentwurf wird auch von CDU/CSU, FDP und Grünen | |
getragen. Der Nachteil: Wäre das neue Wahlrecht schon bei der Wahl 2009 | |
angewandt worden, wäre der Bundestag von 622 Sitzen (598 normale Mandate | |
plus 24 Überhangmandate) auf 671 Sitze angewachsen. | |
## Unnötige Aufblähung | |
Kompromissbereit waren vor allem Union und Grüne. Die CDU/CSU akzeptierte | |
mehr Ausgleich, als vom Bundesverfassungsgericht gefordert wurde. Die | |
Grünen akzeptierten die Aufblähung des Bundestags, die sie eigentlich | |
vermeiden wollten. | |
Die Linke war zwar an den Allparteienverhandlungen beteiligt, wollte den | |
Kompromiss aber nicht mittragen. Die Aufblähung des Bundestags sei unnötig, | |
argumentierte Halina Wawzyniak. Die Linke will die Überhangmandate | |
ausgleichen, indem der gleichen Partei in anderen Bundesländern Mandate | |
abgezogen werden. Dies werde aber zu „bizarren regionalen | |
Ungleichgewichten“ führen, kritisierte Günter Krings von der CDU. | |
Die Vergrößerung des Parlaments durch die Ausgleichsmandate sei | |
„akzeptabel“, meinte Dieter Wiefelspütz (SPD). „Im Verhältnis zur | |
Bevölkerungszahl haben wir immer noch ein relativ kleines Parlament“, so | |
Jörg van Essen (FDP). Nach wie vor koste das Parlament pro Bürger und Jahr | |
weniger als 10 Euro, sagte Stephan Mayer (CSU). | |
Volker Beck von den Grünen forderte, dass das Wahlrecht nach der Wahl | |
erneut novelliert werden müsse: „Dann muss schon das Entstehen von | |
Überhangmandaten verhindert werden.“ Hierzu könne zum Beispiel die Zahl der | |
Wahlkreise gegenüber den Listenmandaten reduziert werden. Eine Veränderung | |
der Wahlkreise war bei der aktuellen Reform nicht mehr möglich, weil die | |
Vorbereitungen für die Bundestagswahl 2013 schon zu weit fortgeschritten | |
sind. | |
## „Völlig unverständlich“ | |
Redner aller Parteien kritisierten, dass die Neuregelung selbst für | |
Juristen völlig unverständlich formuliert sei. Die Abgeordneten hoffen nun | |
auf Tipps von Sachverständigen bei einer Anhörung am 14. Januar. | |
Neben dem Ausgleich von Überhangmandaten soll im neuen Wahlrecht auch das | |
sogenannte negative Stimmgewicht endgültig beseitigt werden. Bisher konnte | |
die Stimmabgabe für eine Partei dieser schaden, wenn durch die zusätzliche | |
Stimme ein Mandat in ein anderes Bundesland wanderte, dort aber einer | |
anderen Partei zugutekam. Künftig sollen die Sitze nach der | |
Bevölkerungszahl fest auf die einzelnen Bundesländer verteilt und erst dann | |
proportional den Parteien zugewiesen werden. | |
14 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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