# taz.de -- Kritik an Wahlrechts-Entwurf: 60 Millionen Euro mehr pro Jahr | |
> Nach Bekanntwerden des neuen Wahlrechts-Entwurfs hagelt es Kritik. Der | |
> Bund der Steuerzahler warnte, dass die Lösung jährlich 60 Millionen Euro | |
> mehr kosten könnte. | |
Bild: Wahrscheinlich wird der Bundestag noch viele Sitze mehr brauchen. | |
BERLIN dapd | Experten zerpflücken den von Schwarz-Gelb und Rot-Grün | |
ausgehandelten Wahlrechtskompromiss. Dem Bund der Steuerzahler war die | |
Regelung am Donnerstag zu teuer. Der Chemnitzer Politikwissenschaftler | |
Eckhard Jesse wollte die jetzt gefundene Lösung nur für die nächste | |
Bundestagswahl gelten lassen. Der Wahlexperte des Internetportals | |
Wahlrecht.de, Matthias Cantow, forderte ein Wahlrecht ohne Überhangmandate. | |
Union, SPD, FDP und Grüne hatten sich am Mittwoch darauf geeinigt, die | |
sogenannten Überhangmandate durch Ausgleichssitze zu neutralisieren, was zu | |
einer Vergrößerung des Parlaments führen dürfte. Hintergrund ist ein Urteil | |
des Bundesverfassungsgerichtes von Ende Juli, wonach das geltende Wahlrecht | |
unter anderem wegen der Überhangmandate nicht mit dem Grundgesetz vereinbar | |
ist. Diese Mandate entstehen, wenn eine Partei mehr mit den Erststimmen | |
direkt gewählte Abgeordnete hat, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis | |
zustehen. | |
Der Präsident des Steuerzahlerbundes, Rainer Holznagel, bezifferte die | |
Kosten für das neue Wahlrecht in der Neuen Osnabrücker Zeitung auf bis zu | |
60 Millionen Euro im Jahr. Bisher sei er auf Basis von 671 statt 620 | |
Bundestagsabgeordneten von Folgekosten von 30 Millionen Euro im Jahr | |
ausgegangen. „Sollte der Bundestag sogar auf 700 Abgeordnete wachsen, muss | |
der Steuerzahler dafür 60 Millionen Euro mehr pro Jahr zahlen“, sagte er. | |
Als Gründe für die Mehrkosten nannte Holznagel neben den | |
Fraktionszuschüssen die Abgeordnetendiäten und die Gehälter für die | |
Mitarbeiter der Parlamentarier. Diese allein würden von jährlich 260 | |
Millionen auf rund 300 Millionen Euro steigen und den Steuerzahler | |
nachhaltig belasten. Hinzu kämen zusätzliche Pensionsansprüche. In diesem | |
Zusammenhang forderte Holznagel, die steuerfinanzierten Pensionen für | |
Abgeordnete abzuschaffen. Stattdessen sollten die Aktivbezüge aufgestockt | |
werden, damit die Abgeordneten privat vorsorgen können. | |
## Bestenfalls vorübergehend | |
Politikwissenschaftler Jesse sagte der Frankfurter Rundschau: „Ich halte | |
die Einigung für sinnvoll und unter den jetzigen Umständen für die beste“. | |
Allerdings werde es sehr viele Überhangmandate geben. Deshalb eigne sich | |
der Kompromiss nur für eine vorübergehende Lösung für die Bundestagswahl | |
2013. Jesse sagte: „Es ist ganz klar, danach muss eine Einigung geschaffen | |
werden, die Überhangmandate ausschließt und die verhindert, dass sich das | |
Parlament so aufbläht.“ | |
Wahlexperte Matthias Cantow sagte, das Wahlrecht lasse sich auch ohne eine | |
Vergrößerung des Bundestags reformieren. „Wir hoffen, dass sich der | |
Bundestag nach 2013 grundsätzliche Gedanken über ein neues Wahlrecht | |
macht“, sagte er dem Blatt. | |
Das Bundesverfassungsgericht hatte die Überhangmandate nicht völlig | |
verboten, aber eine Obergrenze von 15 verlangt. Bei der Bundestagswahl 2009 | |
gab es 24 solcher Mandate, die allesamt der Union zufielen. Aktuell sind es | |
nach dem Ausscheiden von Julia Klöckner (CDU) und Karl-Theodor zu | |
Guttenberg (CSU) aus dem Parlament noch 22 solcher Mandate. | |
Die Hälfte der vorgesehenen 598 Abgeordneten wird per Direktmandat gewählt, | |
die andere Hälfte zieht über die Landeslisten in den Bundestag ein. Dazu | |
kommen dann die Überhangmandate. Nach dem Modell der Ausgleichsmandate | |
sollen nun die anderen Parteien im Verhältnis ihrer Stimmanteile ebenfalls | |
zusätzliche Sitze erhalten. | |
25 Oct 2012 | |
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