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# taz.de -- Mord an Patrice Lumumba: Belgien kann ermitteln
> Der Tod des kongolesischen Unabhängigkeitsführers im Jahr 1961 kommt nun
> endlich vor Gericht – als Kriegsverbrechen mit belgischer Beteiligung.
Bild: Ikone der Unabhängigkeitsbewegungen: Eine der letzten Aufnahmen Patrice …
BRÜSSEL taz | Über 50 Jahre nach der Ermordung des kongolesischen
Unabhängigkeitshelden Patrice Lumumba kann in Belgien der von den
Hinterbliebenen verlangte Mordprozess beginnen. Die belgische
Generalstaatsanwaltschaft beschloss am vergangenen Mittwoch, ein
Ermittlungsverfahren im Fall der Ermordung des ersten kongolesischen
Premierministers am 17. Januar 1961 zu eröffnen.
Dem Beschluss zufolge war Lumumbas Ermordung ein Kriegsverbrechen, da der
Kongo sich zu jener Zeit in einem bewaffneten Konflikt befand – mit der
Sezession der reichen Bergbauprovinz Katanga, die zu einer
Militärintervention der UN geführt hatte. Demnach sei die belgische Justiz
aufgrund des Weltgerichtsprinzips zuständig, obwohl die Tat bereits über 50
Jahre zurückliegt.
Lumumba war bei der Unabhängigkeit des Kongo nach den ersten freien Wahlen
des Landes am 30. Juni 1960 Premierminister geworden, doch keine Woche
später war das Land im Krieg versunken: westliche Mächte wie Belgien
ermutigten die Sezession von Katanga und die Absetzung Lumumbas. Dieser
wurde unter Hausarrest gestellt. Nachdem ihm die Flucht gelang, wurde
Lumumba verhaftet und schließlich am 17. Januar 1961 in Katanga
hingerichtet.
## Klage gegen zwölf Täter
Der genaue Tathergang blieb lange Zeit ungeklärt, bis aufgrund von
Recherchen des belgischen Historikers Ludo de Witte, die er in dem Buch
„L’Assassinat de Lumumba“ veröffentlichte, eine parlamentarische
Untersuchungskommission in Brüssel 2001 die „moralische Verantwortung“
Belgiens feststellte. Mehrere Söhne Lumumbas hatten daraufhin gegen zwölf
namentlich genannte Personen in Belgien Klage eingereicht.
Die Untersuchungskommission hatte nachgewiesen, dass Belgien der damaligen
kongolesischen Regierung empfohlen hatte, Lumumba nach seiner Festname an
die Sezessionsregierung in Katanga auszuliefern. Diese wiederum stand
faktisch unter belgischer Aufsicht. Aus Brüssel gab es eine Instruktion,
Lumumba „unschädlich“ zu machen. Das belgische Afrikaministerium nannte in
einem Telex die „definitive Eliminierung Lumumbas“ gar als „wichtigstes
Ziel im Interesse Kongos, Katangas und Belgiens“. Lumumbas
Hinrichtungskommando in Katanga schließlich wurde von einem Belgier
kommandiert.
Für Patrice Lumumbas Hinterbliebene, die zum Teil in Belgien leben, war die
Feststellung der „moralischen Verantwortung“ Belgiens daher eine
Untertreibung, und sie forderten strafrechtliche Schritte. Jetzt ist es so
weit. Acht der zwölf im Untersuchungsbericht namentlich genannten Belgier
leben noch, unter anderem Jacques Brassine, ein ehemaliger Berater von
Katangas damaligem Regierungschef Moïse Tshombé, auf dessen Befehl Lumumba
erschossen wurde und der von Belgien massiv unterstützt wurde.
Genannt wird auch Charles Huyghé, damals Kabinettschef in Katangas
Verteidigungsministerium. Und im Untersuchungsbericht wird schließlich ein
damaliger belgischer Diplomat in der Hauptstadt des Kongo, Kinshasa,
erwähnt, der von 1981 bis 1985 zum Vizepräsidenten der EU-Kommission
aufstieg. Heute leitet er die nationale Fluglinie Brussels Airlines:
Étienne Davignon.
16 Dec 2012
## AUTOREN
François Misser
## TAGS
Kongo
Unabhängigkeit
Belgien
Schwerpunkt Rassismus
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Kongo
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