# taz.de -- Mordaufträge: CIA zeigt blutige Familienjuwelen | |
> Fidel Castro, Patrice Lumumba, Rafael Trujillo - wen die CIA so alles | |
> beseitigen wollte, belegen jetzt freigegebene Dokumente. | |
Bild: Vorsichtige Seitenblicke waren früher auch angebracht - CIA-Listling Cas… | |
WASHINGTON taz Würde ein Krimiautor diesen Stoff einem Verlag anbieten, man | |
müsste ihn in die Abteilung für Groschenromane verweisen: Die Einblicke, | |
die die am Dienstag im Internet veröffentlichten 702 Seiten geheimster | |
CIA-Papiere bieten ([1][www.foia.cia.gov]), verwundern zum Teil ob der dort | |
gebotenen Schlichtheit: Der US-Geheimdienst hat in den Sechzigerjahren mit | |
zwei der meistgesuchten Mafiafiguren des Landes zusammengearbeitet, um | |
Kubas Präsident Fidel Castro zu töten. | |
Laut dem nun freigegebenen Archivmaterial aus den 50er- bis 70er-Jahren | |
wurden Mafiabosse für 150.000 Dollar für eine Vergiftung des "máximo líder" | |
mit Tabletten rekrutiert. Einer der Mafiabosse, der Al-Capone-Nachfolger | |
Momo Salvatore Giancana alias "Sam Gold", verlangte von der CIA im | |
Gegenzug, dass sie seine untreue Freundin, die Sängerin Phyllis McGuire, in | |
verwanzten Hotelzimmern in Las Vegas überwache. | |
Nach einigem Hin und Her wurden dem kubanischen Behördenmitarbeiter Juan | |
Orta, der Zugang zu Castro hatte und in finanziellen Problemen steckte, | |
sechs Giftpillen übergeben. "Nach einigen Wochen, in denen über mehrere | |
Anschlagsversuche berichtet wurde, bekam Orta plötzlich kalte Füße und | |
wollte aus der Sache aussteigen", heißt es in einem Dokument. "Er schlug | |
einen anderen Kandidaten vor, der ebenfalls mehrmals erfolglos einen | |
Anschlag versuchte." | |
Außer Castro, der sie alle überlebt hat, standen laut den als | |
"Familienjuwelen" kodierten Dokumenten auch der Anführer der | |
Unabhängigkeitsbewegung im Kongo, Patrice Lumumba, sowie der Machthaber der | |
Dominikanischen Republik, Rafael Trujillo, auf der CIA-Todesliste. | |
Die groben Züge der CIA-Operationen aus dieser Zeit waren bereits in den | |
vergangenen Jahren durch Untersuchungen des US-Kongresses bekannt geworden. | |
Die nun veröffentlichten Papiere bieten viele neue Details, so etwa zum | |
"Watergate"-Skandal, der zum Rücktritt von Präsident Richard Nixon führte, | |
oder zur Überwachung von Vietnamkriegsgegnern, bei der die CIA unter | |
anderem private Post öffnete und bei ehemaligen CIA-Mitarbeitern einbrach. | |
Eines der prominentesten Opfer dieser illegalen Schnüffeleien war die | |
Schauspielerin Jane Fonda. | |
In ersten Analysen der Akten sehen sich unabhängige US-Historiker in der | |
These bestätigt, dass es sich bei der CIA keineswegs um einen außer | |
Kontrolle geratenen Geheimdienst handelte, wie US-Politiker im Rückblick | |
gern behaupten. Vielmehr führte die CIA ihre zum Teil völlig illegalen | |
Aktionen stets auf persönliche Weisungen verschiedener US-Präsidenten hin | |
aus. Lyndon B. Johnson zum Beispiel wies die CIA an, Gewerkschaften auf die | |
Unterwanderung durch Kommunisten zu durchleuchten. | |
Über die Akten hatte der amtierende CIA-Direktor Michael Hayden in der | |
vergangenen Woche auf einer Historikerkonferenz gesagt: "Das meiste davon | |
ist nicht sehr schmeichelhaft, aber das ist nun einmal die Geschichte der | |
CIA." Die Dokumente gewährten einen Einblick "in eine ganz andere Epoche", | |
sagte Hayden weiter. | |
Genau diesen Eindruck bestreiten Kommentatoren wie der Politologe David M. | |
Barrett von der Villanova University. Die CIA von damals sei kein | |
grundsätzlich anderer Dienst als die CIA nach 2001, sagte Barrett der New | |
York Times. "Wir wissen nicht alles, was die CIA heute so tut, aber mir | |
scheint, wir haben schon genügend Hinweise, um anzunehmen, dass sie heute | |
nicht anders arbeitet." | |
Die "family jewels" waren 1973 auf Anordnung des damaligen CIA-Direktors | |
James Schlesinger angelegt worden, der sich einen Überblick über die | |
"Leichen im Keller" verschaffen wollte. Die Herausgabe vom Dienstag | |
erfolgte aufgrund einer Klage im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes | |
aus dem Jahr 1992. Historiker und Journalisten hatten bislang vergeblich | |
auf Herausgabe der Dokumente geklagt. | |
28 Jun 2007 | |
## LINKS | |
[1] http://www.foia.cia.gov | |
## AUTOREN | |
Adrienne Woltersdorf | |
## TAGS | |
Kongo | |
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