# taz.de -- Islamische Theologie als Studium: Ein Schritt zum deutschen Islam | |
> In mehreren deutschen Städten kann man nun islamische Theologie | |
> studieren. Dass es so mehr in Deutschland ausgebildete Imame geben wird, | |
> ist zweifelhaft. | |
OSNABRÜCK taz | Rituelle Waschung und ein muslimischer Gebetsraum sind an | |
einer deutschen Universität ein seltener Anblick. Doch mitten in der | |
großzügigen, lichten Etage mit neuen Büros, welche die Uni Osnabrück jetzt | |
mitten in der City einrichten ließ, befindet sich ein Raum, der mit weichem | |
Teppich ausgelegt ist. Davor stehen weiße Keramikwaschbecken auf dem Boden: | |
Hier reinigt man sich die Füße, bevor man eintritt und betet. | |
Zusammen mit der Universität Münster in Nordrhein-Westfalen bildet die Uni | |
Osnabrück in Niedersachsen jetzt das größte von insgesamt vier Zentren für | |
das Studium bekenntnisorientierter islamischer Theologie in Deutschland. | |
Die Adresse direkt an der schicken Shopping-Meile der Stadt darf man auch | |
als Zeichen dafür verstehen, dass sich der Islam mit eigenen akademischen | |
Studiengängen in der deutschen Gesellschaft etabliert. Über die neuen | |
Institute kommt der Islam auf Augenhöhe mit den beiden großen christlichen | |
Konfessionen. „Der Schritt zur Akademisierung ist ein Akt der Anerkennung“, | |
stellt Rauf Ceylan, Professor für Religionswissenschaft in Osnabrück, fest. | |
Der Andrang zu Beginn des ersten Semesters, das im Oktober begann, war | |
beachtlich. 400 Bewerbungen auf 150 Studienplätze gab es allein in Münster, | |
auch Osnabrück ist voll ausgelastet. Frauen sind leicht in der Überzahl, | |
eine von ihnen ist Dua Zeitun. „Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Ich | |
möchte, dass mein Glaube, der Islam, anerkannt wird“, sagt die 33-Jährige, | |
die bei der katholischen Landvolk-Hochschule als Projektreferentin für | |
interreligiösen Dialog arbeitet und Schulkinder bei christlich-muslimischen | |
Führungen durch den katholischen Dom und ihre multinationale Moschee führt. | |
Mit einem Bachelor in Islamischer Theologie hofft die Mutter dreier Kinder, | |
ihr Engagement in Kirche und Gesellschaft auszubauen. | |
„Als Theologin möchte ich aufklären, als Expertin in Schulen und anderen | |
Institutionen meinen Beitrag zur Integration leisten“, sagt sie. Ihre | |
Kommilitonen Bilal Erkin und Jasser Abou Archid wollen promovierte | |
Theologen werden. Beide sind wissenschaftliche Mitarbeiter und haben schon | |
in Münster islamische Theologie studiert. Doch erst jetzt ist das auch | |
„bekenntnisorient“ möglich. Jasser Abou Archid strebt eine akademische | |
Laufbahn an, Bilal Erkin hat zur Sicherheit noch ein zweites Fach studiert. | |
„Islamische Theologie und Informatik, das ist schon exotisch“, lacht der | |
sportlich wirkende 24-Jährige. Ihre Chancen auf eine Promotionsstelle | |
stehen gut, denn die Ausbildung von wissenschaftlichem Nachwuchs steht ganz | |
oben auf der Agenda der neuen Zentren. Auch für die Ausbildung der vielen | |
Lehrerinnen und Lehrer, die künftig islamischen Religionsunterricht an | |
deutschen Schulen anbieten sollen, gibt es noch zu wenig Fachleute. Darüber | |
hinaus winken islamischen Theologen in Zukunft möglicherweise auch Jobs in | |
Ministerien, in Bildungseinrichtungen und bei islamischen Verbänden. „Ich | |
bin voller Zuversicht“, sagt Bilal Erkin.“ | |
Die Bundesregierung steuert rund 6 Millionen Euro bei, um in Osnabrück und | |
Münster Professuren, Konferenzen und internationale Kooperationen, etwa mit | |
der Universität Al-Azhar in Kairo und theologischen Fakultäten in der | |
Türkei sowie Bosnien und Herzogowina zu fördern. Weitere 20 Millionen gehen | |
an die anderen universitären Zentren dieser Art in Tübingen, Frankfurt, | |
Gießen, Erlangen und Nürnberg. Sie hofft, damit die Integration der Muslime | |
voranzubringen. | |
## Mehr Imame aus Deutschland? | |
Ob die neuen Studiengänge dazu beitragen können, mehr Imame auszubilden, | |
die in Deutschland geboren und mit der hiesigen Gesellschaft vertraut sind, | |
ist allerdings zweifelhaft. Denn das System der türkischen Import-Imame | |
dürfte – unabhängig von den hiesigen Studiengängen für islamische Theolog… | |
– weiterhin bestehen bleiben. Die Imame der Ditib-Gemeinden dürften auch in | |
Zukunft weiter vom türkischen Religionsministerium für vier Jahre aus der | |
Türkei nach Deutschland geschickt und bezahlt werden. | |
Und das Gehalt der anderen Imame, das hierzulande aus Spenden ihrer | |
Moscheegemeinden aufgebracht wird, liegt meist unter 1.000 Euro im Monat. | |
Dafür muss er eine Fülle von Aufgaben übernehmen: Neben religiösen | |
Handlungen wie dem Freitagsgebet, den Taufen und Bestattungen obliegt ihm | |
auch die Verantwortung für die Finanzen und die Immobilien der Gemeinde. | |
Für einen Akademiker ist das Gehalt vollkommen unattraktiv. | |
Wer dagegen jetzt islamische Theologie auf Lehramt studiert, dürfte mit | |
großer Sicherheit eine Anstellung finden. In Nordrhein-Westfalen, wo 1,5 | |
der insgesamt 4 Millionen Muslime in Deutschland leben, hat eine große | |
Mehrheit von CDU, SPD und Grünen im vergangenen Jahr die Einführung von | |
islamischem Religionsunterricht „als ordentliches Lehrfach“ beschlossen. | |
Damit wurde der Islam dort im Schulunterricht mit den christlichen | |
Konfessionen gleichgestellt. | |
Auch die meisten anderen Bundesländer wollen flächendeckenden islamischen | |
Religionsunterricht einführen. Dafür bräuchten sie aber mindestens 2.000 | |
Religionslehrerinnen und -lehrer, an denen es bisher mangelt. In Münster | |
sind jetzt 50 Studierende auf Lehramt eingeschrieben. Frühestens in zehn | |
Jahren, so eine Schätzung von Mouhanad Khorchide, dem Leiter des | |
Münsteraner Instituts, könnte der Bedarf an islamischen | |
Religionslehrerinnen und -lehrern so gedeckt werden. | |
20 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Gunhild Seyfert | |
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