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# taz.de -- Wasserkraft in Zentralasien: Streit um zwei mächtige Ströme
> Tadschikistan und Kirgistan wollen Dämme bauen. Doch das benachbarte
> Usbekistan braucht fließendes Wasser für seine Baumwollfelder.
Bild: Kalte Winter: Kirgistan setzt auf Energie aus Wasserkraft.
BISCHKEK taz | Ein Foto einer beleuchteten Skyline bei Nacht reicht als
Versprechen: Das Plakat der Regierungspartei in Bischkek zeigt unzählige
Leuchtpunkte unter dunklem Himmel. Elektrischer Strom bei Nacht ist in der
kirgisischen Hauptstadt schon lange keine Selbstverständlichkeit mehr.
Langfristig soll die Wasserkraft helfen. Ende Oktober flog der kirgisische
Präsident Almasbek Atamabjew ins Hochgebirge, um am Oberlauf des
Narynflusses unweit der chinesischen Grenze zusammen mit dem Chef der
russischen Hydroenergischen Gesellschaft Rus-hydro, Ewgenij Dot, den
Baubeginn der sogenannten Kaskade von Naryn zu feiern – vier Dämme, die
direkt hintereinander liegen.
Der Baubeginn der Kaskade ist die Ouvertüre eines gewaltigen russischen
Investitionsprogramms in der kirgisischen Wasserkraft, das mehr als 2
Milliarden Euro kosten soll. Herzstück ist das ebenfalls am Narynfluss
geplante Wasserkraftwerk Kambar Ata 1. Mit einer Leistung von 2.000
Megawatt könnte es nach seiner Fertigstellung den Energiebedarf von über
1,5 Millionen Einfamilienhäusern in Deutschland decken.
Doch Russlands Präsident Wladimir Putin will mit dem Milliardendeal nicht
allein die Energiesorge der Kirgisen lösen, sondern vor allem Usbekistan
unter Druck setzten. Denn der Narynfluss ist der Quellfluss des
zentralasiatischen Stromes Syr-Darja, und flussabwärts sitzt der grimmigste
Gegner der kirgisischen Kraftwerksträume: der usbekische Präsident Islam
Karimow.
## 70 Millionen Menschen sitzen auf dem Trockenen
Er will keine Dämme in den zentralasiatischen Oberanrainerstaaten
Tadschikistan und Kirgistan. Im September beschwor er gar „Kriege“,
„sollten Kraftwerke an transnationalen Flüssen ohne die Zustimmung aller
Anrainer gebaut werden“. Das Problem: Wenn das Wasser der Ströme Syr-Darja
und Amu-Darja allein zur Energiegewinnung genutzt wird, sitzen 70 Millionen
Menschen zwischen dem Kaspischen Meer und der chinesischen Grenze auf dem
Trockenen. Sie leben hauptsächlich vom – wasserintensiven – Baumwollanbau.
In der Sowjetunion wurde die Bevölkerung über ein ausgeklügeltes
Tauschsystem zwischen den Sowjetrepubliken am Ober- und Unterlauf mit Strom
und Wasser versorgt. Die tadschikische und die kirgisische Sowjetrepublik
stauten das Wasser für die Bewässerung der Felder in der Ebene und
erhielten dafür von den dortigen rohstoffreichen Republiken Energie. Als
die Sowjetunion zerfiel und die zentralasiatischen Staaten sich für
unabhängig erklärten, platzte dieser Deal.
Mit dem Versprechen, die Wasserkraft in Kirgistan auszubauen, würde sich
nun der Kreml die Kontrolle über den Wasserfluss in Zentralasien sichern
und zudem Usbekistan zeigen, wer in Zentralasien das Sagen hat. Denn
Usbekistan ist im Afghanistankrieg der stärkste Verbündete des Westens.
Die Nordversorgungsroute der Nato führt durch das Land, die Bundeswehr
unterhält im südusbekischen Termes eine Luftwaffenbasis, und auch der im
nächsten Jahr beginnende Rückzug soll hauptsächlich durch Usbekistan
verlaufen – wo die USA nach dem Abzug auch einen Großteil der in
Afghanistan genutzten Waffen lassen wollen.
Vor diesem Hintergrund versucht Präsident Karimow seit geraumer Zeit, sich
vom russischen Einfluss zu lösen. Er fühlt sich stark genug, die Dammpläne
der Nachbarn zu verhindern. Putin kontert auch hier. Russland hat Kirgistan
Waffengeschenke im Wert von rund 836 Millionen Euro zugesagt. Dem
zentralasiatischen Wasserkonflikt droht ein gefährliches Wettrüsten. Bis
die Dämme fertig sind, müssen die Kirgisisen aber noch viele kalte Winter
überstehen.
27 Dec 2012
## AUTOREN
Marcus Bensmann
## TAGS
Kirgistan
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Tadschikistan
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