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# taz.de -- Staatskrise in Kirgistan: Regierung vom Gaul gestürzt
> Der kleinste Koalitionspartner wirft dem Premierminister Kirgistans
> Bestechung vor und verlässt das Bündnis. Die Oppositionspartei freut
> sich.
Bild: Kirgisische Nomaden: Pferdeliebe ist beinahe eine Staatsideologie.
BISCHKEK taz | Der kirgisische Präsident Almasbek Atambajew hat am
vergangenen Freitag die Regierung des zentralasiatischen Landes entlassen.
Wenige Tage zuvor war die Vierparteienkoalition zusammengebrochen, da die
kleinste Regierungspartei Ata Meken dem Premierminister Omurbek Babanow
Bestechung vorgeworfen hatte.
Die geschasste Regierung bleibt jedoch noch so lange im Amt, bis das aus
fünf Parteien bestehende Parlament einen neuen Regierungschef gefunden hat.
Das kann in Kirgistan dauern. In dem 5-Millionen-Einwohner-Land an der
Grenze zu China sind Staatskrisen mittlerweile politische Normalität.
Kirgistan ist eine parlamentarische Demokratie und das einzige Land im von
Despotien dominierten Zentralasien, in dem das Parlament auch die
tatsächliche Macht hat, eine Regierung in die Wüste zu schicken. Der Weg
dahin war steinig. Zwei Volkserhebungen 2005 und 2010 trieben die
jeweiligen Präsidenten aus dem Land. Danach wurde das Machtzentrum vom
Präsidenten zum Parlament verschoben.
In dem Land am Tienschangebirge gibt es eine freie Presse und eine
vielfältige Parteienlandschaft. Doch die Wirtschaft ist angeschlagen, ein
Großteil der arbeitsfähigen Bevölkerung verdient sich als Gastarbeiter in
Russland sein Auskommen. Kriminelle Strukturen sind eng mit der politischen
Klasse verbunden, durch Südkirgistan führt eine wichtige Drogenroute aus
Afghanistan.
## 20.000 US-Dollar für ein Pferd
Zudem liegt das Land im geopolitischen Fadenkreuz. Es beherbergt einen
US-Luftwaffenstützpunkt für den Afghanistaneinsatz und wenige Kilometer
davon entfernt eine russische Militärbasis.
Der Auslöser der jüngsten politischen Affäre war ein Zuchtpferd aus
englischem Gestüt. Der 43-jährige Premierminister, der sein Vermögen unter
anderem mit Tankstellen gemacht hatte, erstand den Edelgaul für 20.000
US-Dollar von einem türkischen Geschäftsmann, doch der wahre Wert des
Rosses wird in den Medien auf mindestens eine Million taxiert.
In dem nomadisch geprägten Kirgistan ist Pferdeliebe beinahe
Staatsideologie und die Kinder beginnen zu reiten kurz nachdem sie laufen
können. Auch Babanow machte da keine Ausnahme. Der jungdynamische Kirgise,
dessen Partei Republika im Parlament sitzt, behauptete stets, sich von der
im Land herrschenden Korruption fernzuhalten, da er vor Amtsantritt bereits
so reich gewesen sei, dass er nichts mehr stehlen müsse. Bis zuletzt wies
er die Vorwürfe zurück und beschuldigte Ata Meken, die Plünderungen in
Bischkek nach dem Machtumsturz 2010 orchestriert und die beim geflüchteten
Präsidenten Kurmanbek Bakijew gefundenen Gelder veruntreut zu haben.
Die Partei Babanows, Atamabajews Sozialdemokraten und Ata Meken hatten im
Frühjahr 2010 den damaligen Präsidenten aus dem Amt vertrieben. Das Bündnis
aus dem Norden des vom Tienschangebirges geteilten Landes ist nun zerfallen
– sehr zur Freude der Oppositionspartei Ata Jurt, die ihre Machtbasis wie
Bakijew im Süden Kirgistans weiß.
Präsident Atambajew unternahm nichts zur Rettung des ehemaligen
Bundesgenossen. Aus gutem Grund. Babanow hatte in Russland zum Unwillen des
Präsidenten erklärt, dass nach der kirgisischen Verfassung der
Premierminister die Außenpolitik bestimme. Kirgistan verhandelt mit Moskau
über die Verlängerung der russischen Militärbasis, den Erlass von Schulden
sowie russische Investitionen in kirgisische Wasserkraftwerke. Wenige
Wochen vor Babanows Entlassung hatte das Parlament diese Kompetenz wieder
in die Hände des Präsidenten gelegt und nun ist auch der Ministerpräsident
weg, der das einmal anders sah.
26 Aug 2012
## AUTOREN
Marcus Bensmann
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