# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Kirgistan: Usbeken bleiben zu Hause | |
> Erstmals seit 20 Jahren steht das Wahlergebnis zum Präsidenten nicht | |
> schon vorher fest. Die usbekische Minderheit ist der Urne größtenteils | |
> ferngeblieben. | |
Bild: OSZE-Beobachter konnten bisher keine Manipulationen feststellen. | |
BISCHKEK taz | Die Emotionen kochen über. In einem Wahllokal in Bischkek | |
beschimpft dessen Leiterin Ludmilla Makarajew lauthals einen Beobachter, | |
Geld genommen zu haben, um die Stimmabgabe zu kritisieren. Der Kirgise | |
beschuldigt die Lehrerin, die Wahlen zu Gunsten des kirgisischen Premiers | |
und Vorsitzenden der sozialdemokratischen Partei, Almasbek Atmabajew, | |
manipulieren zu wollen. | |
Am 30. Oktober stimmen die Menschen in Kirgistan über einen neuen | |
Präsidenten ab. Ersten Angaben zufolge gingen nur 46 Prozent der Wähler an | |
die Urnen. Vor allem die Usbeken blieben zu Hause. Zum ersten Mal seit dem | |
Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 steht das Ergebnis nicht vorab fest. Die | |
Straßen sind voller Plakate von 19 Kandidaten. Favorit ist Regierungschef | |
Almasbek Atambajew, der aus dem Norden stammt. Seine schärfsten | |
Konkurrenten, Kamtschibek Taschijew von der Ata-Jurt-Partei und Atachan | |
Madumarow von Buytun Kirgistan, sind Vertreter des Südens. | |
Die Präsidentin Rosa Otunbajewa, Atambajews Parteigängerin, tritt nicht | |
mehr an. Der Aufstand im April 2010 gegen den damaligen Präsidenten | |
Kurmanbek Bakijew verhalf der Oppositionspolitikerin zur Macht. Sie | |
versprach, über ein Referendum in Kirgistan eine parlamentarische | |
Demokratie einzuführen, und die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen | |
abhalten zu lassen, ohne selbst anzutreten. Sie hielt Wort. "Ich will ein | |
Beispiel dafür sein, dass in Kirgistan eine friedliche Machtübergabe | |
möglich ist", sagt sie. | |
Atambajew hofft, eine Stichwahl vermeiden zu können. Er werde bei einem | |
Sieg an der parlamentarischen Staatsform festhalten. "Das entspricht | |
unserer Nomadenkultur", sagt er, als er seine Stimme abgibt. | |
Traditionell konkurrieren in Kirgistan die südlichen und nördlichen | |
Klanchefs um die Macht. Am Freitag warnten die beiden Kandidaten Taschijew | |
und Madumarow vor Wahlfälschungen. "Das Volk werde aufstehen", erklärte | |
Taschijew, sollte das Ergebnis zu Gunsten Atambajews manipuliert werden. | |
Die OSZE-Beobachter teilen die Sorgen nicht. Es gäbe zwar | |
Unregelmäßigkeiten, sagt deren Sprecher Jens Eschenberger, aber bisher sei | |
der Wahlkampf frei gewesen, wie sonst kaum einer in der Region. | |
Über den Präsidentenwahlen liegt der Schatten des ethnischen Konfliktes in | |
Südkirgistan. Fünf Tage zogen im Juni 2010 Tausende kirgisische Marodeure | |
mordend durch die usbekischen Wohnviertel von Osch und Dschalalabad und | |
brannten über 2.700 Häuser nieder. Bis heute sind die Kirgisen vor allem im | |
Süden überzeugt, die Usbeken seien schuld. "Atambajew und Otunbajewa tragen | |
die Schuld an diesen Unruhen", erklärt Madumarow. Sollte er die Wahlen | |
gewinnen, würden beide dafür zur Rechenschaft gezogen. | |
30 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Marcus Bensmann | |
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