# taz.de -- Sonderermittler sieht keine Fehler: Alles korrekt geschreddert | |
> Sonderermittler-Bericht entlastet Innensenator Henkel. Die Opposition | |
> stellt das nicht zufrieden und spricht von einer "Alibi-Schrift". | |
Bild: Kann wieder grinsen: Innensenator Frank Henkel. | |
Frank Henkel (CDU) dürfte die 88 Seiten mit Genugtuung durchblättert haben. | |
Wochenlang stand der Innensenator in heftiger Kritik ob seiner NSU-Affäre. | |
Nun erhielt er in dieser Woche den vertraulichen Abschlussbericht seines | |
Sonderermittlers zu dem Komplex. Und der fällt freundlich aus: Weder Henkel | |
noch die Behörden hätten die Aufklärung der NSU-Morde behindert, heißt es | |
in der Schrift, die der taz vorliegt. | |
Gleich drei Verfehlungen wurden den Berliner Sicherheitsbehörden im Fall | |
NSU vorgeworfen: das Verschweigen des vom hauptstädtischen LKA geführten | |
V-Manns und NSU-Bekannten Thomas S., die Nichtweitergabe eines Hinweises | |
von S. zum Aufenthaltsort des Trios und zwei Schredder-Aktionen des | |
Verfassungsschutz von Akten mit möglichem NSU-Bezug. Um dies aufzuklären, | |
hatte Henkel im September den Oberstaatsanwalt Dirk Feuerberg als eigenen | |
Sonderermittler präsentiert. | |
Und der spricht nun Polizei und Verfassungsschutz von Fehlern frei. Die | |
Anwerbung des V-Manns sei „nicht fehlsam“ gewesen, für eine „fehlende | |
Zuverlässigkeit“ von S. gebe es keine Anhaltspunkte. Auch habe sich bei | |
Feuerbergs Nachforschungen keiner der befragten Ermittler an eine | |
Weitergabe des Tipps von S. zum Trio erinnern können. Dennoch beweise dies | |
nicht, „dass der Hinweis nicht weitergeben worden ist“. Und: Alles in allem | |
sei die Info ohnehin „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ohne | |
Auswirkungen“ für die Fahndungen nach dem untergetauchten Trio gewesen. | |
Laut Feuerberg wurde auch der NSU-Ausschuss im Bundestag ebenso wie das | |
Berliner Parlament rechtmäßig über Thomas S. informiert. Alle Nachfragen | |
seien korrekt beantwortet worden. Eine eigenständige Unterrichtung, | |
„proaktives Handeln“, sei gesetzlich nicht vorgeschrieben. | |
Auch beim Schreddern des Verfassungsschutz sieht Feuerberg keine Hinweise | |
für „bewusste Vertuschung“. Der Sonderermittler spricht vielmehr von | |
"organisatorischen Mängeln" in der Aussortierung der fälschlich | |
vernichteten Akten. | |
Einzig bei der V-Mann-Führung stellt Feuerberg Schlampigkeiten fest: Deren | |
Dokumentation habe nicht der "schriftlichen Weisungslage" entsprochen. Auch | |
der Verfassungsschutz hätte angesicht des NSU-Bekanntwerdens „frühzeitiger | |
Sensibilität“ zeigen können und ausgesonderte Akten nochmal auf einen | |
NSU-Bezug überprüfen sollen. | |
Als Konsequenz legt Feuerberg eine bessere Arbeitsdokumentationen bei | |
Polizei und Verfassungsschutz nahe. Auch appelliert er, | |
„länderübergreifende Informationsübermittlungen“ zwischen Polizei und | |
Verfassungsschutz „deutlich zu intensivieren“. | |
Die Fraktionen erhielten am Donnerstag den Bericht – und zeigte sich auf | |
Seiten der Opposition wenig erbaut. „Das ist eine Alibi-Schrift“, schimpfte | |
der Grünen-Innenexperte Benedikt Lux nach einer ersten Durchsicht. Statt | |
„authentischer Aufklärung“ würden Ausreden aneinandergereiht, für das | |
V-Personen-Geschehen bestehe „kein Problembewusstsein“. „Wenn Henkel denk… | |
dass die Affäre damit durchstanden ist, irrt er sich“, sagte Lux. | |
Auch Linken-Fraktionschef Udo Wolf kündigte an, den Bericht genau zu | |
prüfen. "Dass Henkel entlastet wird, hatte ich nicht anders erwartet", so | |
Wolf. Nach seiner eigenen Akten-Kenntniss sei das LKA aber "keineswegs | |
entlastet". Auch lasse sich das "Aufklärungschaos" des Innensenators "nicht | |
schönreden". | |
10 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
## TAGS | |
Henkel | |
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