# taz.de -- Flughafen: Jetzt haben sie den Klaus am Hals | |
> Klaus Wowereit übersteht den Misstrauensantrg der Opposition und | |
> signalisiert: Ich mache durch bis 2016. | |
Bild: Entspannt: Klaus Wowereit am Samstag im Abgeordnetenhaus | |
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Der Noch-Aufsichtsratsvorsitzende der | |
Flughafengesellschaft und sein designierter Nachfolger sind nicht als | |
Fußballgrößen bekannt, aber die Worte von Sepp Herberger gelten dennoch für | |
Klaus Wowereit und Matthias Platzeck, Ministerpräsidentenkollegen und | |
SPD-Genossen. Am Samstag überstand Wowereit das Misstrauensvotum im | |
Abgeordnetenhaus – nur 62 Oppositionelle stimmten dafür, alle 85 anwesenden | |
Koalitionäre dagegen –, am heutigen Montagvormittag steht Platzeck vor der | |
Vertrauensfrage im Brandenburger Landtag. Am Mittwoch dann müssen beide | |
zusammen ran, um im Flughafen-Aufsichtsrat den von ihnen geplanten Wechsel | |
im Vorsitz durchzusetzen. Gegen Widerstände aus CDU und FDP auf | |
Bundesebene. | |
Kaum 35 Kilometer liegen zwischen den beiden Landesparlamenten, Welten | |
hingegen zwischen den Mehrheiten in beiden Häusern. Während die CDU in | |
Berlin am Samstag geschlossen hinter dem SPDler Wowereit stand, wird sie am | |
Montag in Brandenburg den SPDler Platzeck wohl aufs Heftigste attackieren. | |
„Nachweislich und vollständig ungeeignet“ für den Aufsichtsratsvorsitz, | |
urteilte schon vergangene Woche ihr Fraktionschef Dieter Dombrowski über | |
den Ministerpräsidenten. In gleicher Weise gespalten ist die Linkspartei. | |
Die stimmte in Berlin am Samstag geschlossen gegen Wowereit, will aber in | |
Potsdam Platzeck stützen. Alles eine Frage des Mitregierens oder | |
Nicht-Mitregierens. | |
## Stresstest nicht bestanden | |
Gelassen konnte Wowereit am Samstagmorgen in die Abstimmung gehen. SPD wie | |
CDU hatten in Sondersitzungen der Fraktionen ja bereits klargemacht, dass | |
sie einhellig hinter dem Regierenden stehen würden. Der wirkte dann auch | |
merklich entspannter als am Donnerstag, beim ersten Akt des von den Grünen | |
eingeleiteten Misstrauensdramas. Da lag in der Parlamentsdebatte noch eine | |
möglichst überzeugende Rede vor ihm. Die gelang ihm tatsächlich – anders | |
als SPD-Fraktionschef Raed Saleh, der den Stresstest als potenzieller | |
Nachfolger genauso wenig bestand wie SPD-Landeschef Jan Stöß, der tags | |
zuvor mit seinem Herumgeeiere zu angeblichen Wowereit-Rücktrittsangeboten | |
verwirrt hatte. | |
Die Abstimmung konnte gemäß der Landesverfassung erst 48 Stunden später | |
erfolgen, im zweiten Akt des Dramas am Samstag. Nicht nur der vor und | |
während der Abstimmung locker mit CDU-Chef Frank Henkel plaudernde Wowereit | |
gab der Veranstaltung den Anstrich eines spannungslosen Pflichttermins. Die | |
Senatoren Michael Müller (SPD) und Mario Czaja (CDU), sonst seltenst ohne | |
Krawatte im Abgeordnetenhaus zu sehen, nahmen schlipslos Platz. Der | |
CDU-Abgeordnete Roman Simon kam dafür mit einem Baby auf dem Arm zur | |
Abstimmung. | |
Selbstbewusst stellte Wowereit anschließend vor Journalisten fest, dass der | |
BER in seiner Amtszeit eröffnet werde – „da können Sie sicher sein“. Er… | |
gewählt für die volle Legislatur und werde das Amt auch ausüben. Was | |
Souveränität ausstrahlen sollte, muss auf die SPD wie eine Drohung wirken. | |
Bis 2016 im Amt? Nicht ein, zwei Jahre vor der Wahl Platz machen für einen | |
Nachfolger, damit der – oder die – mit Amtsbonus antreten kann? | |
In der CDU gibt es klare Signale, dass für sie die Koalition nicht von | |
Wowereit abhängt. Was nachvollziehbar ist, denn wenn sie weiter regieren | |
will, hat sie keine Alternative. Die SPD jedoch auch nicht. Zwar hat | |
Rot-Grün rechnerisch eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus, über die beide | |
Parteien im Herbst 2011 kurzzeitig verhandelten. Grünen-Fraktionschefin | |
Ramona Pop aber sagte dazu jüngst der taz, sie „sehe nicht, dass das ein | |
Thema ist.“ Sie plädierte für Neuwahlen. | |
Die aber würden weder SPD noch CDU passen: Den Sozialdemokraten nicht, weil | |
sie durch das BER-Desaster heftig verlieren würden. Und auch den | |
Christdemokraten nicht, obwohl sie vermutlich klar zulegen würden: Eine | |
dezimierte und ohne Wowereit linkere SPD stünde ihnen nicht als | |
Juniorpartner zur Verfügung, sondern dürfte mit Linken und Grünen | |
paktieren. Wobei die SPD sogar befürchten müsste, hinter den Grünen zu | |
landen: Schon in der jüngsten Umfrage, noch vor der erneuten | |
Eröffnungsverschiebung, lag sie mit 24 Prozent nur zwei Prozentpunkte vor | |
den Grünen und klar hinter der CDU mit 27 Prozent. | |
## Kein Alexander in Sicht | |
Aber auch ohne Neuwahlen ist klar, dass die SPD ihren Regierenden derzeit | |
nicht vom Hof jagen kann, acht Monate vor der Bundestagswahl. Erst | |
Kanzlerkandidat Peer Steinbrück schwer unter Beschuss, dann ein | |
Vizebundesvorsitzender – Wowereit – abgesägt? Undenkbar. Aber ihn bis zur | |
Abgeordnetenhauswahl 2016 tragen? Ebenso unvorstellbar. Genau das aber wird | |
passieren, wenn sich keine präsentable Alternative als Regierungschef | |
auftut. Im Moment sieht es ganz danach aus. Die Lage ist verwickelt wie ein | |
gordischer Knoten – und bei der SPD ist kein Alexander in Sicht, der ihn | |
durchhaut. | |
13 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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