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# taz.de -- Die Geiselnehmer von Algerien: Islamisten mit klaren Plänen
> Die algerischen Geiselnehmer waren bestens vorbereitet. Weitere
> Entführungen sind angedroht, Experten fürchten um die soziale Lage in der
> Wüstenregion.
Bild: Ort des Geschehens: Gasanlage bei In Aménas
TRIPOLI/ALGIER taz/dpa/afp | Dramatische Eskalation im algerischen
Geiseldrama: Bei der Erstürmung der von Islamisten besetzten Industrieoase
In Amenas haben algerische Truppen am Freitag nach offiziellen Angaben 650
Geiseln befreit. Es gab aber zahlreiche Tote. Von 132 Ausländern würden
noch 30 vermisst, berichtete die algerische Nachrichtenagentur APS unter
Berufung auf Sicherheitskreise.
Von den möglicherweise 32 Geiselnehmern wurden 18 nach algerischen Angaben
„außer Gefecht gesetzt“. Eine Gruppe Islamisten verschanzte sich jedoch mit
Geiseln auf dem Industriegelände. Soldaten einer Elitetruppe versuchten
laut APS, sie zum Aufgeben zu bewegen. Kommunikationsminister Mohand Said
Oublaid erklärte aber, Algerien werde sich niemals erpressen lassen. „Wer
glaubt, wir würden mit Terroristen verhandeln, täuscht sich.“
Die mit Raketen und Granatwerfern bewaffneten Islamisten verlangen unter
anderem das Ende des von Frankreich angeführten internationalen
Militäreinsatzes in Mali. Erste Augenzeugenberichte lassen darauf
schließen, dass sie ihr Vorgehen bestens geplant haben und regional gut
vernetzt sind. Sie drohen zudem mit weiteren Angriffen auf westliche Ziele
in Nordafrika.
Die Entführer um Anführer Mochtar Belmochtar waren vor ihrem Angriff am
Mittwoch aus dem nur 100 Kilometer entfernten Libyen eingesickert und
wollten mit ihren Geiseln dorthin wieder zurückkehren. Der Süden Libyens
gilt seit der Revolution 2011 als gesetzloses Rückzugsgebiet verschiedener
Milizen.
Obwohl die Gruppe ihren Überfall mit dem erst vor einer Woche gestarteten
französischen Militäreinsatz in Mali begründet, scheint sie sich bereits
monatelang vorbereitet zu haben. „Sie kannten die Erdgasanlage im Detail
und konnten wohl auf Insiderwissen zurückgreifen“, sagt Faisal Swehli von
einer libyschen Sicherheitsfirma. Es sei sicher kein Zufall, dass sie zum
Schichtwechsel zugeschlagen haben, als doppelt so viel Arbeiter vor Ort
waren.
Ein französischer BP-Angestellter sagte der Zeitung Le Monde, dass
Belmochtars Männer möglichst viele westliche Ausländer in ihre Gewalt
bringen wollten. „Sie hatten Pläne dabei und haben von Beginn mit dem Tod
der Geiseln gedroht.“
Es gibt in Libyen und Algerien viele mitten in der Wüste liegende Anlagen
wie In Amenas, die kaum zu schützen sind. Sollten Ölfirmen ihre Arbeit
wegen weiterer Drohungen einstellen, hätte das schwerwiegende Konsequenzen
für die Wirtschaft und das soziale Gefüge der Länder.
Besonders in Libyen könnte die fragile nachrevolutionäre Balance zwischen
den moderaten und religiösen Kräften kippen. Aus dem Osten und Süden
Libyens haben sich im letzten Jahr viele islamistische Kämpfer auf den Weg
nach Mali gemacht. Sie würden nach ihrer Vertreibung aus Mali wieder
dorthin zurückkehren, denn in der libyschen Sahara gibt es wie in Mali so
gut wie keine staatliche Kontrolle.
Libysche Sicherheitsexperten beobachten, dass die Islamisten versuchen, die
schwierige soziale Lage in Nordafrika für ihre Zwecke zu nutzen und bewusst
Stimmung gegen westliche Konzerne zu machen. „Extremismus entsteht durch
Marginalisierung“, sagt Ahmed Shebani von der Demokratischen Partei in
Tripolis. „Die Länder der Sahara-Region brauchen schnellstens Hilfe im
Aufbau ihrer Institutionen und Jobs, um Extremisten gesellschaftlich zu
isolieren. Keinen Krieg. Ansonsten war die Entführung erst der Anfang.“
18 Jan 2013
## AUTOREN
Mirco Keilberth
## TAGS
Islamismus
Algerien
Geiselnahme
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