# taz.de -- Piraten nach Niedersachsen-Debakel: Berliner Blaupause | |
> Nach der verkorksten Wahl in Niedersachsen sind auch die Berliner Piraten | |
> enttäuscht. Als Konsequenz fordern sie einen Neustart ihrer Partei - nach | |
> Berliner Art. | |
Bild: "Erfolge ausstrahlen": Christopher Lauer, besorgt. | |
Es herrscht Zerknirschung. „Mit Zerstrittenheit, persönlichen Querelen, | |
ohne klares inhaltliches Profil kannst du nur verlieren“, heißt es in der | |
internen Mailingliste der Berliner Piraten. Viele eigene Themen seien „auch | |
bei anderen zu finden“, klagt ein anderer Schreiber. „Wir vergaßen unsere | |
Verantwortung, wir schwiegen bei den wichtigen Themen“, resümiert der | |
Berliner Pirat und Bundesvorstand Klaus Peukert. | |
Am Tag nach der herben Wahlschlappe der niedersächsischen Piraten machte | |
sich auch im Berliner Landesverband Enttäuschung breit. Nicht wenige | |
forderten wie Peukert einen „Neustart“ – nach Art des Berliner Wahlkampfs | |
von 2011, der den ersten Parlamentseinzug beschert hatte: „Visionär, | |
radikal, konsequent das Richtige fordern.“ | |
Fraktionschef Andreas Baum appellierte, die Partei müsse „wieder mit | |
Inhalten wahrgenommen werden, da gibt es Luft nach oben“. Die Partei | |
brauche ein klareres Profil, müsse "Zugänge" senken. "Wir müssen zeigen", | |
dass ohne uns Politik wieder in geschlossenen Gremien stattfindet", so | |
Baum. Sein Ko-Chef Christopher Lauer forderte, Erfolge besser zu verkaufen | |
und „Politik zu machen, die das ausstrahlt“. | |
Mehr Profil, weniger Beschäftigung mit sich selbst – das war einhellige | |
Meinung. Diskutiert wurde über eine Reihe Themen, mit denen die Partei | |
demnächst punkten müsse: fahrscheinloser Nahverkehr, ein Transparenzgesetz, | |
ein „alternatives“ Sicherheitskonzept, das auf Prävention statt auf Kameras | |
setzt. Auch im Bund brauche es eine stärkere „Berliner Linie“, die in der | |
Partei für ein Linksprofil und Forderungen etwa nach einem bedingungslosen | |
Grundeinkommen steht. „Progressive Visionen und Experimente“ nennt Martin | |
Delius das. Davon könne die Partei mehr gebrauchen. | |
Verwiesen wurde am Montag auch auf ein Projekt von Delius: dessen jüngst | |
gestartete Onlineplattform zum BER, auf der Dokumente zum Flughafen | |
gesammelt und veröffentlicht werden. „Genau das ist unsere Aufgabe“, sagt | |
auch Delius, Leiter des Untersuchungsausschusses zum BER. „Weiter gute | |
Arbeit im Parlament machen, ohne uns von innerparteilichen Disputen | |
beeindrucken zu lassen.“ | |
## Ins Parlament gestrampelt | |
Gemeint ist hier vor allem der Dauerzoff im Bundesvorstand. Fraktionschef | |
Lauer hatte schon vor Wochen dessen „Mittelmäßigkeit“ kritisiert. Zwei | |
Fraktionsmitglieder legten am Montag via Twitter nach – und Rücktritte der | |
Bundeschefs nahe. | |
Tatsächlich taugt aber auch die Berliner Fraktion nicht nur als Vorbild. | |
Auch sie brauchte lange, um sich in den Parlamentsbetrieb zu strampeln. | |
Trotz des Kernthemas Transparenz wurde schnell auch hinter verschlossenen | |
Türen getagt. Der Abgeordnete Alexander Morlang brauchte, trotz | |
Fraktionsbeschluss, Monate, um seine Nebeneinkünfte vollständig | |
offenzulegen. | |
Auch Benjamin Meyer, Landesvize der Piraten, sieht die eigene Fraktion in | |
der Pflicht: „Dort muss mehr an Themen statt an persönliche Profilierung | |
gedacht werden.“ Als „Warnruf“ bezeichnet Meyer die Niedersachsen-Wahl. | |
„Panik bringt aber gar nichts. Es war klar, dass der Hype irgendwann mal | |
endet.“ | |
Für den Abgeordneten Gerwald Claus-Brunner, der sich nah an der Basis | |
sieht, sollten sich die Piraten nun auf das besinnen, was sie "groß | |
gemacht" habe: Bürgerrecht und Datenschutz, der Kampf gegen Überwachung. | |
"Alles gleichzeitig zu bedienen, nimmt uns eh keiner ab." | |
21 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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