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# taz.de -- Israel hat gewählt: Schwacher Sieg für Netanjahu
> Treffen die letzten Umfragen zu, hat das Bündnis von Regierungschef
> Benjamin Netanjahu zahlreiche Sitze in der Knesset verloren.
Bild: Trotz des entäuschenden Ergebnisses: Netanjahus Anhänger jubeln.
JERUSALEM taz | Es ist ein enttäuschender Sieg für Israels Premierminister
Benjamin Netanjahu. Von 44 Mandaten, die Umfragen seinem Bündnis Likud und
Israel Beteinu noch vor zwei Monaten versprachen, bleiben ihm laut
Wahltagsbefragung nur noch knapp über 30.
Strahlender Zweiter ist Yair Lapid, der mit seiner Partei „Jesch Atid" („Es
gibt eine Zukunft“) auf überraschende 18 Mandate kommt, sollten sich die
Umfragen nach der Wahl, die sogenannten „exit polls“, als richtig erweisen.
Dritter ist die Arbeitspartei, die den Erwartungen entsprechend plus minus
17 Sitze in der Knesset (Parlament) einnehmen wird. Der national-religiöse
Politiker Naftali Bennett brachte seine HaBayit Hajehudi nur auf einen
vierten Platz.
Strahlender Sonnenschein und Temperaturen um die 25 Grad trieben zahlreiche
Israelis schon früh an die Wahlurnen, um den Rest des freien Tages für
Ausflüge zu nutzen. Schon am frühen Nachmittag zeichnete sich eine so hohe
Wahlbeteiligung ab, wie es sie zum letzten Mal vor 20 Jahren gab.
Dabei stand der Sieger schon im Vorfeld fest. Für Premierminister Benjamin
Netanjahu stellte sich nicht die Frage, ob er gewinnt, sondern mit welchem
Vorsprung er aus dem Rennen hervorgehen wird.
„Ich komme, weil man auf sein Recht zu wählen nicht verzichten darf“, sagte
ein vielleicht 60jähriger Mann mit starkem russischen Akzent und ohne große
Begeisterung. Seine Meinung änderte er in seinem Alter nicht mehr.
Vergebene Liebesmüh also für die Aktivisten der orientalisch-orthodoxen
Schass, die sich vor der Ort-Schule in Jerusalem versammelten, um noch
Unentschlossene für sich zu gewinnen.
Von den Parteiaktivisten abgesehen herrschte wenig Wahltagsfeierlichkeit.
Gut fünfeinhalb Millionen Israelis sind berechtigt gewesen, an einer der
über 10.000 Wahlstationen landesweit ihre Stimme abzugeben.
Es ging vor allem um Sozialpolitik. Jeder will ein Stück abhaben vom Kuchen
der Sozialbewegung, die im Sommer vor zwei Jahren 400.000 Menschen auf die
Straße brachte. Das Thema Sicherheit steht latent im Hintergrund. „Ich
passe mich den aktuellen Notwendigkeiten an“, sagte ein älterer Taxifahrer,
der zusammen mit seiner Frau zur Wahl ging.
## Angst vor dem Iran
„Wir brauchen eine Führung, die auf die Sicherheit des Staates nicht
verzichtet“, sagte er. Die „Bedrohung aus dem Iran“ mache ihm Sorge, aber
auch die Palästinenser und Syrien „einfach alle“.
Yair Lapid, der ehemalige Anchorman von „Channel 2“, will sich für eine
gerechtere Verteilung der staatsbürgerlichen Pflichten starkmachen, allen
voran Wehrdienst für die Ultraorthodoxen. Mit dem Thema Friedensprozess ist
im Jahr 2013 keine erfolgreiche Politik in Israel zu machen.
Nur zwei Parteien schrieben Verhandlungen mit den Palästinensern auf ihre
Wahlplakate, die linke Meretz und Ex-Außenministerin Zippi Livni. Unter den
absehbaren Machtverhältnissen in der Knesset haben beide nicht die
geringste Chance etwas auszurichten.
## Zwei-Prozent-Hürde
Über 30 Parteien strittten um die 120 Sitze im Parlament, darunter auch
Scheinparteien, die ohne politisches Programm schlicht die Werbezeit im
Rundfunk für ihr Thema nutzen wollen. Nur rund die Hälfte der Parteien ging
mit realen Chancen in den Wahlkampf.
„Wir kratzen an der Zwei-Prozent-Hürde“ für den Einzug in die Knesset,
meinte Wahlhelfer Guy Aloni von der neuen arabisch-jüdischen Liste „Daam“,
die unmittelbar an die Sozialbewegung anknüpft. Laut Exit polls werden die
Sozialisten nicht in der Knesset vertreten sein. „Wir unterstützen den
Arabischen Frühling und Occupy“, meint Aloni.
Aloni und drei seiner Parteifreunde verteilten Zettel vor der bilingualen
Schule „Yad be Yad“ (Hand in Hand) in dem arabischen Vorort Beit Safafa.
„Wir sind rund 40 Aktivisten in der Stadt“, meinte er, „und wir arbeiten
alle umsonst“.
## Ein starker Regierungschef
Kaum 20 Meter von den jungen Sozialisten entfernt, postierte sich eine
Gruppe Halbwüchsiger, die das andere Ende der politischen Landkarte
repräsentieren. „Meine Stimme kriegt Naftali Bennett“, der Chef der
national-religiösen Partei HaBayit Hajehui, sagte der 19jährige Jehuda.
Dabei trug der Erstwähler ein T-Shirt mit dem Slogan von Netanjahu.
„Ich kriege 500 Schekel für den Tag hier“, erklärte er. Das sind
umgerechnet 100 Euro. Jehuda und seine Freunde kommen aus Siedlungen im
Westjordanland.
„Wir brauchen einen starken Regierungschef“, meinte er. „Einen, der keine
Angst vor der Uno hat, und der sich von (US-Präsident Barack) Obama nicht
reinreden lässt.“
22 Jan 2013
## AUTOREN
Susanne Knaul
Susanne Knaul
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Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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