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# taz.de -- Jahrestag der Aufstände in Ägypten: „So viel Leid, Blut und Tr�…
> Die Bloggerin Kristin Jankowski über die Aufstände vor zwei Jahren in
> Ägypten, das Glück, zu schreiben und den Glauben, dass die Hoffnung in
> Kairo weiterlebt.
Bild: Die Demonstranten gehen seit zwei Jahren für Freiheit und soziale Gerech…
taz: Vor zwei Jahren haben die Aufstände gegen Mubarak in Ägypten begonnen.
Was machen Sie am Jahrestag?
Kristin Jankowski: Ich wohne unweit des Tahrir-Platzes. Ich werde auf die
Straße gehen und mich an die letzten zwei Jahre erinnern. Ich denke, dass
ich sehr viele bekannte Gesichter auf dem Tahrir-Platz sehen werde. Und
natürlich werde ich dort meine Freunde treffen, die ich aufgrund der
Revolution kennengelernt habe. Ich werde sicherlich ein lachendes und ein
weinendes Auge haben. Ein weinendes Auge, weil die Ägypter so viel Leid in
den letzten Jahren erleben mussten. Ich werde mit den Gedanken bei
denjenigen sein, die nach dem 25. Januar 2011 gefoltert, verletzt oder
getötet wurden. Ich werde ein lachendes Auge haben, weil ich an die
Hoffnung glaube.
Was hat sich für Sie durch den Sturz von Mubarak verändert beziehungsweise
wie haben Sie sich verändert?
Ich bin sicherlich viel stärker geworden. Ich habe so viel Leid, Blut und
Tränen gesehen. Ich habe meine Freunde getröstet, wenn ihre Freunde oder
Bekannten bei den Aufständen gestorben sind oder verletzt wurden. Ich bin
oft an meine emotionalen Grenzen gestoßen, da ich die Aufstände und die
Brutalität hautnah miterlebt habe. Ich denke, ich verstehe nun, was die
Ägypter meinen, wenn sie Brot, Freiheit und soziale Gerechtigkeit fordern.
Es geht ihnen um grundsätzliche Menschenrechte. Ich denke, ich habe
gelernt, ihre Wut zu verstehen.
Wie gehen Sie mit den schrecklichen Dingen um, die Sie gesehen und erlebt
haben?
Ich habe viel geschrieben. Das hat mir sehr geholfen. Aber ich habe von
Natur aus eine starke Persönlichkeit und bin sehr ehrlich mit mir und
meinen Erinnerungen umgegangen. Für mich war es immer wichtiger, auf die
Straße zu gehen und über Ungerechtigkeit und Brutalität zu schreiben,
anstatt mich in eine dunkle Ecke zu verkriechen und die Decke über den Kopf
zu ziehen. Ich mache Yoga, um mich zu entspannen und Kampfsport, um die Wut
raus zulassen.
Sie haben das Arab Spring Collective gegründet und berichten mit vielen
anderen Bloggern und Journalisten über Ägypten. Warum haben Sie das Blog
gegründet?
Ich war als Redakteurin für das Goethe-Institut in Kairo tätig. Wir
betreuten eine Internetseite mit dem Namen Transit. Die Idee von Transit
entstand kurz nach den Aufständen. Junge Autoren aus dem Nahen Osten und
Nordafrika schrieben dort auf arabisch, deutsch und englisch über ihre
Erfahrungen bezogen auf den politischen Wechsel, der in ihren Ländern
stattfand. Unser Büro befand sich um die Ecke vom Tahrir-Platz und es wurde
schnell ein Anziehungspunkt für Aktivisten, Künstler, Wissenschaftler und
internationale Journalisten.
Transit wurde schnell unter denjenigen bekannt, die sich mit der Region
beschäftigten. Doch dann kam es zu den Stürmungen der
Nicht-Regierungsorganisationen in Ägypten im Dezember 2011. Und die
Stimmung änderte sich schnell unter den Ausländern. Transit wurde im
Februar 2012 offline gestellt. Mir und meinen Kollegen wurde leider nie
eine Erklärung dafür gegeben. Ich habe dann entschlossen, dass ich das
große Netzwerk an jungen Journalisten auch ohne das Goethe-Institut weiter
ausbauen kann. Und ich wollte auch die Autoren nicht einfach so hängen
lassen. Deshalb habe ich eine [1][neue Plattform gegründet], die nicht so
einfach wieder zu schließen ist.
Nach Mubarak ist jetzt Mursi das Staatsoberhaupt in Ägypten. Haben sich die
Forderungen der Ägypterinnen und Ägypter von vor zwei Jahren erfüllt?
Nein. Es geht vielen Ägyptern in ihrem politischen Kampf um soziale
Gerechtigkeit und ein Leben in Würde und Gerechtigkeit. Es geht ihnen
darum, dass sie mit ihrem Gehalt für sich und ihre Familie ausreichend
sorgen können. Es geht ihnen um Schaffung von Arbeitsplätzen und
Perspektiven. Es geht ihnen darum, dass sie in einem Rechtsstaat leben, der
sie schützt. Es geht ihnen darum, dass sie an den Entwicklungen teilnehmen
können und nicht weggestoßen und ausgegrenzt werden. Der neue Präsident
konnte diese Forderungen nicht erfüllen. Denn es muss einen Systemwechsel
geben, in dem es um gerechte Verteilung von Besitz geht.
Einige Reporterinnen wurden in den letzten zwei Jahren von Männern in der
Öffentlichkeit belästigt. Kennen Sie solche Erlebnisse auch?
Diese Nachrichten waren wirklich schrecklich. Ich bin niemals ohne
männliche und ägyptische Begleitung auf den Tahrir-Platz gegangen. Mir und
meinen weiblichen Journalistenfreunden ist diese grausame Erfahrung
glücklicherweise erspart geblieben. Das Einzige, was mir ab und zu passiert
ist, war, dass mir jemand an den Arsch gegrabscht hat. Aber dann habe ich
mich schnell umgedreht und einen großen Streit angefangen, der
Aufmerksamkeit auf sich zog. Diese Belästigungen und Angriffe auf Frauen
kamen immer in Wellen. Manchmal war es ganz ruhig und manchmal sind die
Kerle einfach ausgeflippt.
25 Jan 2013
## LINKS
[1] http://arabspringcollective.wordpress.com/
## AUTOREN
Alissa Frommeyer
## TAGS
Ägypten
Aufstände
Demonstrationen
Husni Mubarak
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