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# taz.de -- Kolumne American Pie: Bruder gegen Bruder
> Es ist ein wichtiger Termin im Sportkalender. Beim Superbowl treffen die
> Baltimore Ravens auf die San Francisco 49ers. Doch es ist auch eine
> Familienangelegenheit.
Bild: Trainer Jim Harbaugh (r) flüstert seinem Quarterback Colin Kaepernick (l…
Zweihundertsechsundsechzig Spiele in 20 Wochen, Hunderte von Touchdowns,
Dutzende von Gehirnerschütterungen, ungezählte blaue Flecken, malträtierte
Bänder und lädierte Knochen – und am Ende gerät der wichtigste Termin auf
dem nordamerikanischen Sportkalender zur Familienangelegenheit.
Am 3. Februar in New Orleans treffen im Superbowl die Baltimore Ravens auf
die San Francisco 49ers. Baltimore, trainiert von John Harbaugh, gewann am
Sonntag bei den New England Patriots, und im zweiten Halbfinale setzten
sich die von Jim Harbaugh betreuten San Francisco 49ers bei den Atlanta
Falcons durch.
Harbaugh gegen Harbaugh: Die Har Bowl, das erste NFL-Endspiel, in dem zwei
Brüder als verantwortliche Cheftrainer aufeinandertreffen, ist damit
perfekt.
Die Halbfinals waren kaum beendet, da wurden schon die ersten Kinderfotos
ausgegraben und die alten Geschichten von Vater Jack, der ebenfalls
Football-Trainer war, wenn auch nur an High Schools und Colleges.
## Hype und Überdruss
Schwester Joani musste bereits Interviewanfragen ablehnen, und die
Kommentatoren warnen vorsorglich vor einem Harbaugh-Überdruss, bevor der
Hype überhaupt richtig losgehen konnte.
Den Protagonisten selbst ist es jetzt schon zu viel. John Harbaugh war noch
triefnass von der Gatorade-Taufe, die ihm seine Spieler nach dem
überraschend deutlichen 28:13-Sieg gegen die Patriots verpasst hatten, als
er gefragt wurde, ob er und sein 15 Monate jüngerer Bruder sich hätten
träumen lassen, dass sie einmal im Superbowl gegeneinander antreten würden:
„Wir haben uns vor allem uns gestritten – wir sind Brüder. Aber wir hatten
auch unsere Träume“, antwortete der 50-Jährige pflichtschuldig, „aber ich
bezweifle, dass einer dieser Träume so groß war.“
Seine Miene hellte sich erst auf, als ein Reporter vorschlug, die
Brüdergeschichte am besten gleich zu den Akten zu legen: „Von mir aus
gern“, lachte Harbaugh, „die Geschichte wurde doch schon vergangene Saison
langweilig.“ Damals spielten die Teams der beiden Brüder zum ersten und
bislang einzigen Mal gegeneinander: Johns Ravens gewannen 16:6 gegen Jims
49ers.
## Eine radikale Entscheidung
Nicht nur damals konnte John Harbaugh feststellen: „Die beiden Mannschaften
ähneln sich sehr.“ Tatsächlich: Sowohl 49ers als Ravens setzen auf starke
Verteidigungsreihen, die auf dem Weg in den Superbowl mit Peyton Manning,
Tom Brady und Aaron Rodgers einige der besten Quarterbacks aller Zeiten
entzaubert haben.
Im Angriff dagegen bauten beide Teams traditionell eher auf ein
konservatives, aber bisweilen auch etwas eindimensionales Laufspiel – und
beide Brüder schreckten nicht davor zurück, mitten in der Saison dieses
Problem mit einer radikalen und zuerst wenig populären Entscheidung zu
lösen.
In Baltimore feuerte John im Dezember seinen für die Offense zuständigen
Assistenten Cam Cameron. Seitdem darf Quarterback Joe Flacco seinen starken
Wurfarm endlich mal benutzen und immer wieder lange Pässe riskieren.
Brüderchen Jim, der selbst 14 Jahre als Quarterback in der NFL spielte,
hatte in San Francisco wenige Wochen zuvor noch heftigeres Kopfschütteln
geerntet, als er Quarterback Alex Smith durch den unerfahrenen Bankdrücker
Colin Kaepernick ersetzte.
## Das Trainergenie
Als Jim Harbaugh den Smith, der bis dahin als einer der verlässlichsten
Ballverteiler der Liga galt, degradierte, zweifelte manch 49ers-Anhänger in
Fan-Foren an der geistigen Gesundheit des Cheftrainers. Doch seit der
25-jährige Kapernick nicht nur Pässe wirft, die wie an der Schnur gezogen
übers Feld zischen, sondern mit seinem Talent zum Sprinten den gegnerischen
Abwehrreihen zusätzliche Rätsel aufgibt, gilt Harbaugh als Trainergenie.
Auch am Sonntag zerpflückte Kaepernick beim 28:24-Erfolg in Atlanta die
Abwehr der Falcons nach allen Regeln der Footballkunst und holte in aller
Seelenruhe einen 0:17-Rückstand auf.
49ers-Coach Jim Harbaugh war nach dem Spiel extrem einsilbig. Mehr als „Wir
haben uns im Verlauf des Spiels gesteigert“ war kaum von ihm in Erfahrung
zu bringen. Nähere Auskünfte zum Har-Bowl verweigerte der Wortkargere der
Harbaughs. Bruder John ist sich sicher: „Wir werden ein großartiges
Footballspiel“ erleben.
23 Jan 2013
## AUTOREN
Thomas Winkler
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Fußball
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Baltimore Ravens
Finanzen
NFL
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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