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# taz.de -- Kommentar Brüderles Sexismus: Die hässliche Wahrheit
> Die Anekdote über Brüderles Anmache mag ein Tabubruch sein. Doch es ist
> kein Vergnügen, sich im politischen Berlin ständig den Sexismus von
> Politikern anhören zu müssen.
Bild: Noch kurz alle schönen Frauen im Raum bewundern? Brüderle bei einer Pre…
Pünktlich zum Erscheinen des aktuellen Stern haben sich die Jungs von „FDP
Liberté“ etwas besonders Lustiges ausgedacht. Die Internet-Initiative der
Liberalen [1][postet auf Facebook „aus gegebenem Anlass“] eine blaue
Viagra-Pille, Slogan: „Die Pille für den Aufschwung“. Selten so gelacht.
Was ist der Anlass? Die Stern-Reporterin Laura Himmelreich hat [2][ein
Rainer-Brüderle-Porträt] geschrieben. Der Fraktionschef möchte zur
Bundestagswahl als Spitzenkandidat der FDP antreten – Zeit für einen
ausführlichen Text über ihn. Die Journalistin Himmelreich berichtet aber
nicht nur über Brüderles Herkunft, seinen politischen Werdegang und die
FDP-internen Querelen, die aus einem 67-jährigen plötzlich den politischen
Hoffnungsträger einer strauchelnden Partei machten.
Sie berichtet auch, und zwar detailgenau, von einem Abend vor einem Jahr,
an dem Rainer Brüderle versucht hat, sie anzugraben. Mit Blick auf ihr
Dekolleté bescheinigte er ihr, „ein Dirndl ausfüllen“ zu können. Als er …
um einen Tanz bittet, sagt Himmelreich: „Herr Brüderle, Sie sind Politiker,
ich bin Journalistin.“ Darauf er: „Politiker verfallen doch alle
Journalistinnen.“ Schließlich ging Brüderles Pressesprecherin dazwischen
und führte den Testosteron-Politiker regelrecht ab.
Noch am Morgen nach dem Dreikönigsball war die Übergriffigkeit des
Fraktionsvorsitzenden Journalistengespräch. Dass Laura Himmelreich die
Geschichte jetzt, ein Jahr später aufschreibt, macht nun ausgerechnet sie,
das Opfer von Brüderles Sexismus, für ihre Kritiker zur Täterin. Dieser
Reflex, die Komplettabwehr einer – ja – hässlichen Wahrheit ist der
Skandal.
Schon wundert sich Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki
gegenüber Spiegel Online larmoyant, „dass die junge Journalistin
offensichtlich über ein Jahr gebraucht hat, um ihr Erlebnis zu
verarbeiten." Und FDP-Präsidiumsmitglied Jörg-Uwe Hahn spricht von einem
„Tabubruch“.
## Wiederholte Herrenwitze
Ja, es ist ein Tabubruch. Aber es ist weiß Gott auch kein Vergnügen, sich
als politische Berichterstatterin bei Hintergründen und Pressebriefings
immer und immer wieder die Herrenwitze von Politikern anhören zu müssen,
die geschlechterpolitisch irgendwo in den frühen sechziger Jahren stecken
geblieben sind.
Rainer Brüderle, der in Berlin regelmäßig mit Bemerkungen über die schönen
Frauen im Raum und die nicht minder attraktiven Weinköniginnen in seiner
Heimat Rheinland-Pfalz glänzt, möchte schließlich nicht Sparkassendirektor
werden, sondern in exponierter Stellung Politik für die Bürgerinnen und
Bürger machen.
Die Häme, die nun über die Journalistin Himmelreich hereinbricht, die
Abwertung und die Pöbeleien – dies alles sind sichere Anzeichen dafür, dass
sie genau das Richtige getan hat: die trübe Seite des Gegengeschäfts
zwischen Politik und Medien öffentlich zu machen. Ja, Journalisten wollen
Informationen, und nein, es ist nicht unüblich, mit Politikern auch
außerhalb von Pressekonferenzen zu reden. Aber es ist nicht hinnehmbar,
dass Politiker meinen, sie seien qua Mandat unwiderstehlich. Und es ist ein
Gradmesser für die Modernität in diesem Land, wie lange es wohl noch
dauert, bis beide Seiten sich auf Augenhöhe begegnen.
24 Jan 2013
## LINKS
[1] http://www.facebook.com/photo.php?fbid=482567961807105&set=a.2894206477…
[2] http://www.stern.de/politik/deutschland/rainer-bruederle-der-spitze-kandida…
## AUTOREN
Anja Maier
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