Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Video der Woche: Kein Wintermärchen
> Obdachlose werden zunehmend aus dem öffentlichen Raum vertrieben. Der
> Verdrängung aus dem Blickfeld folgt die Verdrängung aus dem Bewusstsein.
Bild: Erst kommt die Wut, dann die Tränen des Vertriebenen: Klaus Triebe vor d…
Die Verteibung der Obdachlosen aus den Zentren der Städte hat eine lange
Geschichte. Grundlage der neuesten Verdrängungswelle seit Mitte der 90er
ist die Broken-Windows-Theorie. Deren Autoren James Wilson und George
Kelling machen keinen Hehl daraus, dass es darum geht, „antößiges
Verhalten“ zu
[1][UxCdWbOA5qwJ:www.htw-saarland.de/sowi/Studium/studienangebot/sozialpaed
agogik/materialien-sp-16-28-abweichendes-verhalten-und-gesellschaftliche-re
aktion/wilson-kelling-polizei-und-nachbarschaftssicherheit-zerbrochene-fens
ter+&cd=1&hl=en&ct=clnk&gl=de&client=firefox-a:kriminalisieren], auch dann,
wenn dabei kein anderer zu Schaden kommt.
Damit ist aus dem Kampf gegen Armut ein Kampf gegen Arme geworden. Und
dass, obwohl die Broken-Windows-Theorie wissenschaftlich auf dünnen Stelzen
steht: obwohl so beliebt, lassen sich kaum Studien finden, die einen
direkten Zusammenhang zwischen Anwendung und Kriminalitätsrückgang vermuten
lassen. Was regelmäßig steigt, ist das subjektive Sicherheitsempfinden. Es
ist eine Sicherheit für den Augenschein – also Ideologie.
Die Konzepte gehen Hand in Hand mit der Privatisierung öffentlicher Orte.
Der Verdrängung aus dem Blickfeld folgt die Verdrängung aus dem
Bewusstsein. Es ist einfacher, unliebsame Personen per Hausverbot zu
vertreiben, weil man dazu keine rechtliche Handhabe braucht, sondern nur
einen privaten Sicherheitsdienst - eine Taktik, die gerade in Hamburg
Anwendung findet.
Eines ihrer Opfer ist Klaus Treibe, 71, der jüngst aus dem Bahnhof geworfen
wurde und prompt vor die Kamera des politischen Aktivisten Ulli Gehner
lief. Gehner nahm gerade an einer Demo für mehr Obdachlosenunterkünfte teil
und den Wutausbruch des Vertriebenen.
## Die Notunterkünfte sind heillos überbelegt
Der Hamburger Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) verweist generell die
Obdachlosen der Stadt auf die Notunterkünfte, die aber sind heillos
überbelegt, wie das Obdachlosenmagazin [2][Hinz&Kunzt] öffentlich macht.
Auch in Berlin gibt es [3][Engpässe].
Eben jene Öffentlichkeit, die Obdachlosigkeit durch Vertreibung und
Verdrängung nicht mehr hat, wird inzwischen im Netz hergestellt –
bekanntestes Beispiel ist die Geschichte von Ted Williams, dem Mann mit der
goldenen Stimme. Der hatte, nachdem [4][dieses] Video über ihn viral im
Netz kursierte, Job und Heim gefunden; ein modernes Märchen, wie sie
Talentshows gerne [5][erzählen], wenn die Hitze des Rampenlichts die
soziale Kälte ausgleicht.
Klaus Triebe wird nicht vom Showbiz vereinnahmt werden. Seine Geschichte
wird auf ganz andere Weise absorbiert, durch das Wohlmeinen des
Gesprächspartners nämlich. Während er zu Beginn noch ins Erzählen kommt und
seinem Frust, seinem Ärger Ausdruck gibt, liefert er später nur noch die
Anknüpfungspunkte für eine Fortführung seiner Geschichte: seinen Namen,
seine Adresse, alles was nötig ist, damit von jetzt an ein Anwalt den
Vorgang fortschreibt. Man sieht hier in aller Kürze einen
Entmündigungsvorgang, der zwar das Beste will und doch hat Klaus Triebe am
Ende dem Sicherheitsdienst mehr erzählt als dem Helfer.
25 Jan 2013
## LINKS
[1] http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache
[2] http://www.hinzundkunzt.de/pik-as-unertraeglich/
[3] http://www.rbb-online.de/nachrichten/vermischtes/2013_01/Kaeltehilfe__Zu_we…
[4] http://www.youtube.com/watch?v=6rPFvLUWkzs
[5] http://www.youtube.com/watch?v=tZ46Ot4_lLo
## AUTOREN
Frédéric Valin
## TAGS
Obdachlosigkeit
Hauptbahnhof
Vertreibung
Lance Armstrong
Flüchtlinge
## ARTIKEL ZUM THEMA
Video der Woche: Armstrong singt für Oprah
Der nicht ganz so Weltklasse-Radfahrer hat Doping gestanden. Singend! Jetzt
gibt es endlich das Musikvideo mit Radiohead-Begleitung.
Verpflegung für Bedürftige: Rangeleien ums Essen
Zu Zia Gabriele Hüttinger und ihre Bremer "Suppenengel" kommen pro Mahlzeit
rund 100 bedürftige Menschen. Der Bedarf nach HelferInnen für die
Initiative wächst
Obdachlos auf Wohnungssuche: Keine heilige Familie
Ionel Vieru, seine Frau und ihre drei Kinder sind obdachlos in Berlin. Seit
2009 suchen sie eine Bleibe. Eine Herbergssuche im ersten Schnee.
Kommentar Schlafsackspende: Zynismus pur
Während Bahnchef Grube die wärmenden Schlafsäcke der Hamburger Tafel
übergibt, macht seine Security der DB Sicherheit zeitgleich Jagd auf
Wohnungslose im und vor dem Hauptbahnhof.
Umgang mit Obdachlosen: Gutes Gewissen für die Bahn
Zu Weihnachten spendet Bahnchef Rüdiger Grube Schlafsäcke, am Hauptbahnhof
aber werden Obdachlose seit Oktober vertrieben.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.