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# taz.de -- Verpflegung für Bedürftige: Rangeleien ums Essen
> Zu Zia Gabriele Hüttinger und ihre Bremer "Suppenengel" kommen pro
> Mahlzeit rund 100 bedürftige Menschen. Der Bedarf nach HelferInnen für
> die Initiative wächst
Bild: Der Verein "Suppenengel" gibt nicht nur warmes Essen aus, sondern auch Sc…
Auch Engel müssen Pause machen. Da trifft es sich gut, dass zu Weihnachten
auch andere ihr Herz für die Ärmsten entdecken. „Da müssen wir nicht auch
noch mitmischen“, erklärt Zia Gabriele Hüttinger, die die mittlerweile als
Verein organisierten Bremer Suppenengel einst ins Leben gerufen hat. Seit
über 15 Jahren sorgt Hüttinger mit ihren MitarbeiterInnen und
ehrenamtlichen HelferInnen dafür, dass die Bremer Obdachlosen und
Bedürftigen viermal in der Woche warm essen können. Was ja nicht nur in
extremen Wintern überlebensnotwendig ist.
Am Anfang war Hüttinger allein. Als die Hartz-IV-Empfängerin im Winter 1997
in den Nachrichten von der Diskussion darüber hörte, ob in Deutschland die
Bahnhöfe im Winter nachts für Obdachlose geöffnet werden sollten, kam sie
auf die Idee, selbst etwas zu tun. Über eine Talknacht im Radio machte sie
ihr Vorhaben öffentlich, Suppe an die Obdachlosen zu verteilen. Ein Hörer
meldete sich, der Hüttinger spontan mit 500 Mark unterstützen wollte.
Noch in der gleichen Nacht ging sie in die Innenstadt und suchte das
Gespräch mit einem Wohnungslosen, um sich zu verabreden. Zum vereinbarten
Termin kam sie zu spät, da waren viele der Wohnungslosen schon wieder
gegangen. Hüttinger merkte, dass sie dorthin musste, wo sich die
Hilfebedürftigen aufhielten und entwickelte eine feste Route, von der
Domsheide über die Sögestraße zum Wäldchen am Wall bis zum Hauptbahnhof.
Schon bald wurde sie von immer mehr Menschen erwartet, die ihr schon bald
den Spitznamen „Suppenengel“ verliehen.
Mittlerweile sind es manchmal mehr als 100 Bedürftige, die bei den
Suppenengeln essen, Schätzungen zufolge gibt es in Bremen rund 3.000
Menschen ohne Wohnung. Die Bremer Suppenengel-Initiative für Obdachlose und
Bedürftige e. V., so der vollständige Name des Vereins, ist inzwischen ein
rund 30-köpfiges Team, einige Injobber sind auch dabei, viele helfen
ehrenamtlich. Gekocht wird seit fünf Jahren in der Neustädter
St.-Jacobi-Gemeinde im Kirchweg, sechs Leute werden täglich in der Küche
gebraucht. Regelmäßig werden auch Schlafsäcke und Kleidung verteilt, auch
Hilfe bei Amtsgängen oder Informationen über andere Hilfsangebote gehören
zum Angebot der Engel.
Bedarf gibt es allerdings trotzdem immer wieder: Nicht nur
Lebensmittelspenden oder Küchenhilfen werden gebraucht, sondern auch
DolmetscherInnen. Immer mehr französischsprachige Flüchtlinge aus Afrika
kommen zu der Verteilstelle am Hauptbahnhof, Hüttinger selbst spricht aber
nur Deutsch und Englisch. „Neulich standen wir am Bahnhof und hatten kein
Essen mehr“, erzählt sie. „Ich wollte einer Frau, die weder Deutsch noch
Englisch sprach, signalisieren, dass nichts mehr da sei. Sie muss aber
meine Geste so verstanden haben, dass sie abhauen soll.“ Ein anderer sei
mit dem Mülleimer weggelaufen. „Sowas will ich nie wieder erleben. Diese
Menschen sollen genauso in die Mitte geholt werden wie alle anderen.“
Hüttinger merkte, dass sie an ihre Grenzen kam. Um in Zukunft solche
Situationen zu vermeiden, wandte sie sich an die Öffentlichkeit – mit
Erfolg: Zehn Menschen haben sich mittlerweile gemeldet, die als Dolmetscher
helfen wollen.
Aber Französisch ist nicht die einzige Sprache, die auf der Straße
gesprochen wird: „Für Russisch und Polnisch habe ich schon jemanden, aber
mir fehlen Menschen, die Bulgarisch und Rumänisch übersetzen können“,
berichtet Hüttinger. Ein Bedarf mit zunehmender Tendenz – und mit
Konfliktpotenzial: Unter den Ärmsten gebe es teils heftige Konkurrenz,
sogar Rangeleien bei der Essensvergabe seien vorgekommen. „Das ist ein
Pulverfass“, sagt Hüttinger.
Ab dem 7. Januar sind die Supnengel wieder unterwegs. Bis dahin machen sie
Pause, dank der Wohltätigkeit anderer Vereine und Institutionen, die sich
zwischen den Jahren um bedürftige Menschen kümmern. Aber danach werden sie
wieder gebraucht und fahren viermal die Woche auf ihren Transporträdern
Essen aus. Kein leichter Job übrigens – weshalb Hüttinger auch FahrerInnen
immer gut gebrauchen kann. „Das ist ein kostenloses Fitnessprogramm“,
scherzt sie.
27 Dec 2012
## AUTOREN
Andreas Schnell
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