| # taz.de -- Kommentar Sicherheitskonferenz: Mehr Wehrkunde, bitte! | |
| > Beim Treffen der Militärexperten in München sollte deutlich werden, worum | |
| > es geht: um Kriege und um die Lehren, die aus ihnen gezogen werden | |
| > müssen. | |
| Wer in München dabei ist, gehört dazu. Die [1][Sicherheitskonferenz], zu | |
| der an diesem Wochenende wieder Minister, Militärs, Konzernlenker, | |
| Abgeordnete, Politikberater, Wissenschaftler und Chefredakteure aus aller | |
| Welt zusammenkommen, ist das gesellschaftliche Highlight der selbst | |
| ernannten Security Community. Einmal im Jahr feiert sie sich. Wer es dort | |
| in den inneren Zirkel der Teilnehmer geschafft hat und im Hotel | |
| „Bayerischer Hof“ bis in den Konferenzsaal vorgelassen wird, betrachtet | |
| sich als Teil einer sicherheitspolitischen Elite. | |
| Die inhaltliche Ausfüllung der alljährlichen Konferenz, die früher einmal | |
| Wehrkundetagung hieß, wird da fast zur Nebensache. Der eine oder andere | |
| angereiste Minister mag die große Bühne nutzen, um eine Entscheidung mit | |
| Nachrichtenwert zu verkünden. | |
| Darüber hinaus besteht der größte Teil der Redebeiträge aus Statements, die | |
| intellektuell ungefähr so anregend sind wie diplomatische Bulletins. Auch | |
| wenn so manche journalistische Berichterstatter – zumal solche, die sich | |
| selbst als Teil der Community verstehen – zukunftsweisende Debatten | |
| erkennen werden, geht es tatsächlich um wenig mehr als die politische | |
| Positionierung zu ohnehin gerade im öffentlichen Blickpunkt stehenden | |
| Konflikten. Mali, Syrien, Iran: Die Themenauswahl bringt auch diesmal keine | |
| Überraschungen. | |
| Als Kontrastprogramm zu diesem allzu verengten Blick auf gerade angesagte | |
| Konflikte, dienen Debatten über vermeintlich langfristige Trends im | |
| Weltgeschehen. Ganz vorne in diesem Jahr dabei: die Geopolitik der | |
| Energieversorgung. | |
| ## Die alten Weisheiten helfen nicht | |
| Nun lohnt es sich ja tatsächlich, über die Auswirkungen neuer | |
| Ölfördermethoden in den USA auf andere Teile der Welt nachzudenken. Die | |
| wirtschaftlichen wie ökologischen Folgen dürften in der Tat beachtlich | |
| sein. Wenn am Ende aber nicht mehr als plumpe, eindimensionale Prognosen | |
| über machtpolitische Verschiebungen stehen, hat das mit seriöser Analyse | |
| wenig zu tun. | |
| Immer wieder recycelbar, und daher sehr beliebt in der Security Community, | |
| ist auch die These , die USA würden sich fortan mehr als pazifische und | |
| folglich weniger als atlantische Macht definieren. Mit dieser Weisheit kann | |
| man mindestens alle vier Jahre glänzen, jeweils nach der Neu- oder | |
| Wiederwahl eines US-Präsidenten. Das funktioniert seit zwanzig Jahren und | |
| hat zudem den Vorteil, dass man die kommenden Monate seine Vorträge, | |
| Analysen oder Leitartikel mit Relativierungen seiner eigenen These füllen | |
| kann. | |
| Die Beschränkung des sicherheitspolitischen Diskurses auf die gerade neu | |
| entdeckten Konflikte, einerseits, und die Flucht in wolkige geopolitische | |
| Prognosen, andererseits, ist vor allem deshalb gefährlich, weil dieser | |
| Fokus eine kritische Rückschau verhindert. Damit entzieht man sich nicht | |
| nur einer Überprüfung eigener früherer Vorhersagen, man versäumt auch, aus | |
| vergangenen Konflikten und Kriegen für die Zukunft zu lernen. | |
| Wenn Konferenzen wie die in München eine Berechtigung haben, dann muss es | |
| darum gehen, die Fehler von gestern nicht morgen in einem anderen Teil der | |
| Welt zu wiederholen. Aber selbst die Kriege in Afghanistan und Irak | |
| interessieren offenbar nicht mehr. Dabei standen sie jahrelang ganz oben | |
| auf der Agenda der Münchener Sicherheitskonferenz. Es fällt schwer, dieses | |
| Forum ernst zu nehmen, solange die Aufarbeitung dieser militärischen | |
| Desaster nicht als eine vorrangige Aufgabe betrachtet wird. | |
| ## Undefinierte Worthülse Sicherheit | |
| Eine ernsthafte Beschäftigung mit diesen Kriegen setzt allerdings die | |
| Bereitschaft voraus, die elitäre Sphäre des sicherheitspolitischen | |
| Diskurses zu verlassen und sich mit der konkreten militärischen Umsetzung | |
| vor Ort zu befassen. Frei von Pathos gilt es zu analysieren, was bei | |
| vergangenen militärischen Interventionen funktioniert hat und was nicht, | |
| welche zu Beginn gesetzten Ziele erreicht wurden und welche nicht. | |
| Anstelle der abgegriffenen und undefinierten Worthülse Sicherheit dürfen | |
| dabei übrigens auch so unschöne und unbeliebte Worte wie Krieg, Rüstung und | |
| Militär benutzt werden. Denn das Problem von Tagungen wie der Münchener | |
| Sicherheitskonferenz ist eben nicht, dass dort zu ausgiebig über | |
| Militärisches debattiert würde. Im Gegenteil. Es wird zu wenig – und zu | |
| wenig konkret – über die Grenzen militärischer Macht gestritten. Etwas mehr | |
| Wehrkunde würde guttun. | |
| 1 Feb 2013 | |
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| ## AUTOREN | |
| Eric Chauvistré | |
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