| # taz.de -- Kolumne Das Tuch: Rassistin? Ich? | |
| > Die Kritik an Wörtern wie „Neger“ ist im Internet oft nicht sehr | |
| > freundlich. Die Kolumnistin hat das zunächst verletzt. Heute findet sie | |
| > es richtig. | |
| Vor ein paar Jahren besuchte ich in Wien ein Café und entdeckte dort auf | |
| der Karte „Mohr im Hemd“ mit einer leckeren schokoladigen Beschreibung. Ich | |
| hatte aber bereits bestellt und schrieb später auf Facebook: „Das nächste | |
| Mal in Wien möchte ich Mohr im Hemd essen.“ Es hagelte Kritik. „Mohr“ sei | |
| eine rassistische Bezeichnung für Schwarze. Einer schrieb, ich sei eine | |
| Rassistin. | |
| Aber, aber, schrieb ich, das hätte ich doch nicht so gemeint. Ich fühlte | |
| mich zu Unrecht kritisiert. Ich hatte doch keine böse Absicht. | |
| In den letzten Wochen tobte es in der deutschen Feuilletonlandschaft. Nach | |
| der Ankündigung des Verlegers des Kinderbuchs „Die kleine Hexe“, in der | |
| neuen Ausgabe unter anderem das N-Wort zu ersetzen, veröffentlichte die | |
| Wochenzeitung Zeit eine Titelgeschichte zu dem Thema. Nicht nur dort, | |
| sondern auch anderswo verteidigten zahlreiche Feuilletonisten das N-Wort, | |
| und so manch einer witterte Zwang, gar Zensur. | |
| Diese neue politische Korrektheit verunsichert. Wenn ein rassistisches, | |
| sexistisches, homophobes oder sonst wie diskriminierendes Wort in Zeitungen | |
| auftaucht, gibt es Furore in Blogs, Kommentaren und Leserbriefen. Das ist | |
| so im Zeitalter des Internets. Kritiker müssen nicht mehr auf die | |
| Veröffentlichung ihres Leserbriefs hoffen, sie können in aller | |
| Öffentlichkeit für alle einsehbar in Blogs schreiben. Das Machtgefälle hat | |
| sich verändert, das verunsichert. | |
| Es geht hier deshalb nicht nur um eine neue politische Korrektheit, sondern | |
| auch um eine neue Verunsicherung. Darum, dass Journalisten und | |
| Schriftsteller angreifbarer geworden sind. Was darf man denn jetzt noch | |
| sagen? Dann folgt der Ärger über diese Unsicherheit und dann die | |
| Stellvertreterdebatte darüber, warum das N-Wort in der „Kleinen Hexe“ | |
| erhalten bleiben müsse. | |
| ## Es muss „Schokohupf“ heissen | |
| Aber die Rassismuskritiker könnten auch mal verständnisvoller kritisieren, | |
| heißt es dann. Schließlich habe man ja keine bösen Absichten. Ich bin mir | |
| sicher, dass Sarrazin keine bösen Absichten mit Deutschland hat. Und | |
| Buschkowsky will sicher auch nur das Beste für Neukölln. Aber die Welt | |
| endet glücklicherweise nicht dort, wo unser intellektueller Horizont | |
| aufhört. | |
| Zugegeben, ich fand’s nicht nett, wie man mir erklärte, dass meine Wortwahl | |
| politisch nicht korrekt sei. Aber „Mohr im Hemd“ ist auch kein netter | |
| Ausdruck. Er ist rassistisch. Und der Schaden, den diese Wörter | |
| verursachen, ist größer und ernster zu nehmen als mein vorübergehend | |
| verletzter Stolz. Und wäre die Kritik sanfter gewesen, hätte ich sie dann | |
| wahrgenommen? Ich weiß es nicht. Würden sämtliche Zeitungen über die | |
| Verwendung des N-Wortes debattieren? Bezweifle ich. Hätte ich mich damals | |
| mit der rassistischen Sprache auseinandergesetzt und versucht, aus meinem | |
| Fehler zu lernen? Vermutlich nicht. | |
| Unsicherheit ist wichtig, damit wir uns und unsere Sprache reflektieren. | |
| Was bewirken wir mit dem, was wir sagen – auch wenn wir es nicht so meinen? | |
| Wenn wir ernsthaft gegen Rassismus vorgehen wollen, dann gehört das mit | |
| dazu. | |
| „Mohr im Hemd“ muss „Schokohupf“ heißen. Und hätte ich damals mal ric… | |
| nachgelesen, wäre mir aufgefallen, dass ich ihn als Muslimin ohnehin nicht | |
| hätte essen können. Da ist Rotwein drin. | |
| 4 Feb 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Kübra Gümüsay | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Internet | |
| Sprachkritik | |
| Sprache | |
| taz.gazete | |
| Das Tuch | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Heinz Buschkowsky | |
| Schwarz | |
| Familie | |
| taz.gazete | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kolumne Das Tuch: Es war schön mit dir, liebe Kolumne | |
| Ich bin mit dieser Kolumne gewachsen, mehr als drei Jahre lang. Ich zog mit | |
| ihr um, war mal wild, mal lustig, mal sentimental. Tschüs, ahoi und liebe | |
| Salams! | |
| Kolumne Das Tuch: Die deutschen Haustürken | |
| Wir haben die Deutungshoheit über unsere Leute. Ich könnte jeden | |
| Schwachsinn erzählen, ich würde immer Menschen finden, die ihn bereitwillig | |
| glauben. | |
| Kolumne Das Tuch: Wenn die Kameras aus sind | |
| Sind alle Deutschen krank? Warum kann man mit Dauergästen aus Talkshows nur | |
| nach der Sendung vernünftig reden? | |
| Flapsiger Pfarrer Fliege: Fast wie „judenfrei“ | |
| Jürgen Fliege entschuldigt sich dafür, die katholische Kirche in einer | |
| Talkshow als „türkenfrei“ bezeichnet zu haben. Die Kritik an seiner | |
| Äußerung bleibt. | |
| SPD-Ärger über Heinz Buschkowsky: Doppelpass ins Nichts | |
| Er kann es nicht lassen. Doch mit seiner Polemik gegen die doppelte | |
| Staatsbürgerschaft bringt Heinz Buschkowsky nun die SPD gegen sich auf. | |
| Rassismus-Debatte: Schwarz ist keine Farbe | |
| Zur Toleranz erzogen, obere Mittelschicht, Akademikerin, weltoffen, | |
| weiblich, weiß. Und irgendwo, tief im Innern, rassistisch? | |
| Kolumne Das Tuch: Erbarmungslose Nacktfotos | |
| Handys und Laptops, Skype und verschickte Fotos sind mittlerweile ein | |
| fester Bestandteil unserer Familientreffen. Hauptfigur ist dabei ein | |
| zweijähriger Junge. | |
| Kolumne Das Tuch: Blind vor lauter Ärger | |
| Ich spüre kein dringendes Verlangen mehr, alles und jeden zu überzeugen, | |
| mich zu verteidigen. Ich bin keine Wutbürgerin mehr. Ich bin jetzt | |
| gelassen. | |
| Kolumne Das Tuch: Mein Leben in der Fremde | |
| Es gibt Worte, die lassen sich kaum in eine andere Sprache übersetzen – | |
| deswegen bleiben manche Gefühle unausgesprochen. | |
| Kolumne Das Tuch: Ab in die Wutbox mit euch! | |
| Hetzer und Schwätzer spielen viel zu gerne den Helden. Was wären die | |
| Extremisten ohne einander? | |
| Kolumne Das Tuch: 40 Kilo Fremdschämen | |
| Die türkische Großfamilie reist wie eine Hilforganisation. Das muss doch | |
| mal aufhören! |