Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Das Tuch: Es war schön mit dir, liebe Kolumne
> Ich bin mit dieser Kolumne gewachsen, mehr als drei Jahre lang. Ich zog
> mit ihr um, war mal wild, mal lustig, mal sentimental. Tschüs, ahoi und
> liebe Salams!
Bild: Ein letztes Mal: Das Tuch
Und dann stand es fest. Ich würde fortan eine Kolumne in der taz führen.
Panik brach in mir aus. Eine Kolumne in der taz, einer deutschen,
bundesweit erscheinenden Tageszeitung – und die sollte ausgerechnet ich
schreiben, eine junge Deutschtürkin, muslimisch und noch dazu mit Kopftuch.
Ja, klar. „Schreib von dir, erzähl aus deinem Leben, deine Gedanken“, sagte
der Ressortleiter. Ich hörte nur: „Schreib von der muslimischen Community,
erzähl aus deren Leben, deren Gedanken.“
Wie eine kleine Pressesprecherin der Muslime in Deutschland fühlte ich
mich. Jahrelang hatte ich mich über die mediale Darstellung der Muslime
geärgert, jetzt hatte ich die Gelegenheit, es besser zu machen. Verkrampft
schrieb ich den ersten Text und las ihn am Telefon einem befreundeten Imam
vor. „Hm, ja, guter Text“, sagte er, ein bisschen überfordert, was ich denn
nun genau von ihm wollte. Ich wusste es ja auch nicht. Eine Fatwa, ein
islamisches Rechtsgutachten, dass das, was ich schrieb, wirklich korrekt
war – vielleicht?
Es brauchte noch so einige Kolumnen, bis ich verstand: Ich muss in meinen
Texten nicht die Stimme der Muslime repräsentieren, sondern höchstens von
einer der vielen Stimmen erzählen. Mehr ist in 3.400 Zeichen auch nicht
machbar.
Über drei Jahre schreibe ich nun schon die Tuch-Kolumne. Sie begleitete
mich in den bislang prägendsten Lebensjahren. Ich zog mit ihr von Hamburg
nach London zum Studieren, schüttete dem Mann meines Lebens Salz in den
Kaffee und heiratete ihn, zog nach Berlin, dann Kairo, Istanbul und zuletzt
nach Oxford. Ich lachte mit dem Spiegel-Autor Matthias Matussek im ICE und
stritt mit Sarrazin im Radio, bis er schließlich sagte: „I want yu tu
intekräyt.“
## Wie verabschiedet man sich?
In den Kolumnen schrieb ich Dinge, die ich zuvor nicht auszusprechen gewagt
hatte: Darf man das überhaupt sagen? Ich entdeckte, dass wir über viel zu
viel schweigen. Mal wurde ich fuchsteufelswild, mal lachte ich oder wurde
sentimental. Ich feierte Baynachten, wurde auch öffentlich zur Feministin
und verbrachte lange Abende mit Lebenskünstlern, beeindruckenden Frauen und
Männern – und jenen dazwischen. Ich lauschte den Weisheiten der Älteren,
der Stimme der Stillen. Ich verlor meine Wut. Denn die Kolumne öffnete mir
den Blick für die Geschichten anderer. Minderheiten. Menschen, die sich
anders fühlen, ausgeschlossen.
Mit dieser Kolumne bin auch ich gewachsen. Sie umfasste nie wirklich nur
mein Leben, sondern auch das der Menschen, deren Leben ich streifte und
beobachtete. So viele Themen und Leben, wie sie unter „Das Tuch“ eigentlich
gar nicht mehr passen. Vielleicht bin ich in dieser Zeit nicht nur mit,
sondern auch aus der Kolumne herausgewachsen.
Bis spät in die Nacht hinein blickte ich auf diesen Text und wusste nicht,
wie man ihn schreibt. Was schreibt man in einer letzten Kolumne? Wie
verabschiedet man sich?
Diese Woche werde ich ein Vierteljahrhundert alt. Das nächste
Vierteljahrhundert werde ich ohne diese Kolumne antreten. Es ist, als würde
man den besten unsichtbaren Freund loslassen. Ein bisschen ungern, aber
auch wohl wissend, dass es weitergehen muss, für neue Abenteuer und neue
Leben.
Es war schön mit dir, liebe Tuch-Kolumne. Es war schön mit euch, liebe
Leserinnen und Leser. Danke, liebe taz! Danke für drei großartige Jahre!
Tschüs, ahoi & liebe Salams!
24 Jun 2013
## AUTOREN
Kübra Gümüsay
## TAGS
taz.gazete
Diskriminierung
Das Tuch
Schwerpunkt Rassismus
Familie
## ARTIKEL ZUM THEMA
Diskriminierung bei der Jobsuche: Das Foto macht den Unterschied
Ein Studie zeigt: Wer in Deutschland ein Kopftuch trägt, hat es auf dem
Arbeitsmarkt schwer. Anonymisierte Bewerbungen könnten da helfen.
Kolumne Das Tuch: Die deutschen Haustürken
Wir haben die Deutungshoheit über unsere Leute. Ich könnte jeden
Schwachsinn erzählen, ich würde immer Menschen finden, die ihn bereitwillig
glauben.
Kolumne Das Tuch: Wenn die Kameras aus sind
Sind alle Deutschen krank? Warum kann man mit Dauergästen aus Talkshows nur
nach der Sendung vernünftig reden?
Kolumne Das Tuch: Rassistin? Ich?
Die Kritik an Wörtern wie „Neger“ ist im Internet oft nicht sehr
freundlich. Die Kolumnistin hat das zunächst verletzt. Heute findet sie es
richtig.
Kolumne Das Tuch: Erbarmungslose Nacktfotos
Handys und Laptops, Skype und verschickte Fotos sind mittlerweile ein
fester Bestandteil unserer Familientreffen. Hauptfigur ist dabei ein
zweijähriger Junge.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.