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# taz.de -- Sexismus-Debatte: Die liberale Wagenburg
> Die Vorwürfe gegen Rainer Brüderle bescheren der Jungs-FDP Einigkeit nach
> innen. Aber die Partei hat ein Frauenproblem und verprellt moderne
> Wähler.
Bild: Sexismus auf karnevalistisch.
BERLIN taz | Einfach die Klappe halten – so in etwa darf man die
Kommunikationsstrategie der FDP im Fall Brüderle verstehen. Seit vor zwei
Wochen ein [1][Stern-Artikel] erschien, in dem eine Journalistin über
Zudringlichkeiten des heute 67-Jährigen berichtete, äußert sich der
Beschuldigte nicht zu dem Vorwurf. Er dementiert ihn auch nicht. Rainer
Brüderle schweigt. Auch der FDP-Sprecher erklärt auf taz-Anfrage: „Dazu
sagen wir nichts.“
Andere kommen aus dem Reden gar nicht mehr heraus. FDP-Präsidiumsmitglied
Dirk Niebel forderte eine Debatte über den Sexismus gegenüber Männern. Ein
zugesagtes Interview mit Stern-Journalistin Laura Himmelreich hat er
abgesagt, er habe „kein Vertrauen mehr.“ Und Bundesjustizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger sieht in Brüderles Anzüglichkeiten gar ein
„Kompliment“.
Nun, da die [2][Debatte] medial abflaut und – dank der Kampagne einer
Seitensprung-Agentur, die mit Brüderles Konterfei und dem Slogan „Diskreter
und anonymer als jede Hotelbar“ wirbt – ins Lächerliche zu kippen droht,
bleibt die Frage: Hat der Skandal der FDP geschadet?
Der Politikwissenschaftler Franz Walter meint, nein. In den
männlich-mittelständischen Milieus, aus denen sich die Kerne der Partei
zusammensetzen, seien „die Brüderle-Attitüden weit verbreitet, akzeptiert
und goutiert. Wenn dann einer der ’ihren‘ noch von außen attackiert wird,
schart man sich zusammen, bildet einen Kordon. Außendruck erhöht
Binnenzusammenhalt.“
## Männerbündisch-alkoholschwangere Rituale
Anders stelle sich die Sache für FDP-WählerInnen dar. Die liberale
„Männer-Wagenburg“ wirke „abschreckend, nicht zuletzt natürlich auf jun…
akademische Frauen“, meint der Politologe. Auch männliche Bildungsbürger
wahrten „Abstand zu den männerbündisch-alkoholschwangeren Ritualen. Fazit:
Im Inneren wird die Wagenburg der FDP halten; nach außen lässt sich
Geländegewinn so nicht erreichen.“
Die Liberalen haben ein Frauenproblem. Von 60.000 Mitgliedern sind nicht
mal 14.000 weiblich. In fünf Jahrzehnten hat es die Partei auf gerade mal
zwei Bundesministerinnen gebracht: Bauministerin Irmgard Schwaetzer sowie
die aktuelle Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Das
Fehlen weiblicher Spitzenpolitikerinnen begründet man gern mit der
Illiberalität von Quoten und hievt munter weiter Männer auf die Posten.
Lasse Becker kennt die Probleme. Der 29 Jahre alte Chef der Jungen
Liberalen erzählt, wie sein Verband das Thema Alltagssexismus schon vor
zwei Jahren heiß diskutiert hat. Die Julis trugen das damals auch in den
Bundesvorstand, „wir werden auch in Zukunft für Sensibilität werben“.
Gleichwohl hält Becker die aktuelle Sexismusdebatte für unausgewogen.
Anmache gebe es sowohl in der Politik als auch in den Medien. „Ich hoffe,
dass Partei und Wähler die Lehre daraus ziehen, dass einige in dieser
Gesellschaft ein Sexismusprobem haben. Mit dem Finger auf irgendjemanden zu
zeigen, bringt uns nicht weiter.“
Und wie sieht das die weibliche Basis? Eva Scharbatke sitzt im hessischen
FDP-Landesvorstand, im September bewirbt sich die 30-Jährige um ein
Bundestagsmandat, in ihrem Twitter-Profil gibt sie an: „Liberale, Ärztin,
Feministin“. Sie stört „die Reaktion aus der Partei: man ist nicht bereit,
sich politisch mit Alltagssexismus zu befassen“. Für sie steht fest, dass
es dabei weniger um Anmache als um Macht geht. Dirk Niebels Bemerkung über
weiblichen Sexismus hält sie für einen „überflüssigen Debattenbeitrag“.
Gleichwohl freut sie, dass das Thema breit diskutiert wird. „Ich bin jetzt
etwas weniger bereit, mir dämliche Anmachen anzutun.“
5 Feb 2013
## LINKS
[1] http://www.stern.de/politik/deutschland/stern-portraet-ueber-rainer-brueder…
[2] /Sexismus-Debatte-um-Bruederle/!109845/
## AUTOREN
Anja Maier
## TAGS
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