# taz.de -- Sexismusdebatte verängstigt Journalistinnen: Unfallfrei gemeinsam … | |
> Die Sorge der Medienfrauen ist: Werden sie die Leidtragenden der | |
> Sexismusdebatte sein? Sie müssen die Regeln des Politbetriebs neu | |
> verhandeln. | |
Bild: Die Hysterie um den Text von Laura Himmelreich löst unter ihren Kollegin… | |
Es kommt nicht alle Tage vor, dass die Bundespressekonferenz ihre | |
Mitglieder zum internen Gespräch lädt. Am nächsten Dienstag soll eine | |
dieser seltenen Runden im Verein der Berliner Parlamentskorrespondenten | |
stattfinden. Das Thema: die Sexismus-Debatte und ihre Folgen für die Arbeit | |
der Hauptstadtpresse. | |
Im Raum steht unter anderem folgende bemerkenswerte Frage, aufgeworfen von | |
weiblichen Mitgliedern des Hauptstadtzirkels: Werden ausgerechnet sie am | |
Ende die Verliererinnen dieser hitzigen Auseinandersetzung um | |
Körbchengrößen, weinselige Politiker und die Grenzen des guten Geschmacks | |
sein? | |
Die Sorge kommt nicht aus dem luftleeren Raum. Nachdem eine 29-jährige | |
Stern-Reporterin den chauvinistischen Umgang des FDP-Spitzenkandidaten | |
Rainer Brüderle mit ihr offengelegt hatte, drohte die bekennende liberale | |
Krawallschachtel Wolfgang Kubicki den Medienfrauen ungeniert mit generellem | |
Liebesentzug: „Ich werde künftig keine Journalistinnen mehr als | |
Wahlkampfbegleitung in meinem Fahrzeug mitnehmen.“ Außerdem wolle er | |
„Situationen wie Gespräche an der Hotelbar meiden, wenn Journalistinnen | |
beteiligt sind“. Denn „natürlich“ rutsche „einem da schon mal eine loc… | |
und nicht gelungene Bemerkung“ heraus. Ach ja, ist das so? | |
Während auf Twitter Zehntausende ihre Erfahrungen mit Alltagssexismus | |
stenografieren und auch CDU-Bundesministerinnen das Thema für wichtig | |
befinden, outet sich Kubicki als Mann von gestern. Die Frauen mucken auf? | |
Dann müssen sie halt draußen bleiben. Wie peinlich für ihn und die FDP. | |
Kubicki ist bekannt dafür, als einer der Viel- und Lautsprecher des | |
Politikbetriebs schnell mal knallige Statements herauszuhauen, wenn es sich | |
anbietet. Ob ihn selbst seine Drohung an die Reporterinnen übermorgen noch | |
interessiert, darf bezweifelt werden. | |
## Keine exotische Einzelmeinung | |
Und dennoch ist die Befürchtung, Kubicki könnte mit seiner Drohung zum | |
Vorbild im Politikbetrieb werden, ganz offensichtlich keine exotische | |
Einzelmeinung unter Hauptstadtkorrespondentinnen. Die stellvertretende | |
Leiterin des Spiegel-Hauptstadtbüros warnte zum Wochenbeginn in einem | |
persönlich gehaltenen Text vor den Folgen der Brüderle-Affäre: Politiker | |
würden es sich „gut überlegen, eine Journalistin in ihrem Wagen mitfahren | |
zu lassen oder sich mit ihr allein zum Essen zu verabreden“. Als Beleg | |
zitierte sie anonyme Vertreter der Branche mit Aussagen wie: „Das Risiko | |
werde ich nicht mehr eingehen.“ Und: „In Zukunft achte ich darauf, dass | |
immer noch eine dritte Person dabei ist.“ | |
Nur zur Erinnerung, wir schreiben das Jahr 2013. Aber Kubicki und seine | |
anonymen Unterstützer erklären sich außer Stande, halbwegs unfallfrei ein | |
Arbeitsessen oder eine Fahrt im Dienstwagen mit einer Reporterin zu | |
bewältigen. Sie verweigern damit letztlich allen Frauen, die nicht auf | |
anzügliche Bemerkungen stehen, eine faire Arbeitsebene. Solchen Leuten | |
sollte die Branche eigentlich nicht zu viel der Ehre gewähren. | |
Zum Glück sind aber im Politikbetrieb längst nicht nur notorische | |
Herrenwitzler unterwegs, die sich Bemerkungen über die Oberweite ihres | |
Gegenübers nicht verkneifen können. Im Gegenteil: Viele Politiker, selbst | |
aus der FDP, finden diesen Brüderle-Humor mit Sicherheit einfach nur | |
unterirdisch. Und ganz davon abgesehen offenbart sich der Politiker als | |
Mensch ja nicht ausschließlich zu vorgerückter Stunde nach dem dritten | |
Weißwein an der Hotelbar. | |
Es ist richtig, dass Politik und Medien seit vergangener Woche nach | |
Sexismen in ihren Sphären fragen. Aber falsch, aus dieser Debatte ein | |
Eigentor für die Frauen der Branche abzuleiten. Letztlich legen nicht | |
allein die Politiker die ungeschriebenen Regeln im professionellen | |
Miteinander fest, es gehört auch die Gegenseite dazu, die sie eben so | |
akzeptiert und mitspielt. | |
Je mehr Journalistinnen in die Hauptstadtzirkel vorrücken, umso | |
berechtigter wird ihr Anliegen, an der einen oder anderen Stelle | |
nachzuverhandeln. Die erste Runde hat gerade begonnen. In ein paar Wochen | |
wird niemand mehr über Kubickis Drohung sprechen. Die Frauen werden | |
gewinnen. | |
30 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Astrid Geisler | |
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