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# taz.de -- Brüderle trifft „Stern-Reporterin“: Nachrichtenticker vom Frü…
> Die erste Begegnung von Brüderle und Himmelreich gerät zur Farce. Die
> Agenturen schreiben vom „Showdown“. Die Realität ist weniger dramatisch.
Bild: Ob es beim Pressefrühstück auch weich gekochte Eier gab?
BERLIN taz | Bei der Debatte um Rainer Brüderle und den Sexismus ging es
bislang darum, was wer wann wie gesagt hat. Eine Woche nach Beginn erreicht
sie einen neuen Erregungsgrad. Nun geht es darum, was wer wann wie nicht
sagt – und nicht fragt. Aus einem nachrichtenarmen Pressegespräch des
FDP-Fraktionsvorsitzenden am Mittwoch wird so eine hysterisch
interpretierte Mediengeschichte.
Jakob-Kaiser-Haus, Zimmer 6556. Ein heller, großer Raum, hinter den
Panoramafenstern geht der Blick aufs Reichstagsgebäude im Nieselregen. In
Sitzungswochen lädt der FDP-Fraktionschef traditionell
Hauptstadtkorrespondenten hierher, um ihnen bei Brötchen und Filterkaffee
seine Sicht auf tagespolitische Themen zu erläutern. Diesmal kommt Rainer
Brüderle, um das am heftigsten diskutierte Thema zu beschweigen.
Noch während die Veranstaltung läuft, schickt die Nachrichtenagentur dpa
eine erste Meldung: „’Showdown‘ in Berlin. FDP-Fraktionschef Rainer
Brüderle ist dort heute erstmals auf Laura Himmelreich getroffen. Die
Stern-Reporterin hatte ihm vorgeworfen, ihr gegenüber anzügliche
Bemerkungen gemacht zu haben. Seitdem wird in Deutschland heftig über
Sexismus diskutiert.“ Der Umstand, dass eine Politikjournalistin im selben
Raum ist wie ein Politiker, gilt seit dem Brüderle-Porträt „Der Herrenwitz�…
selbst spröden Agenturjournalisten als „Showdown“. Die Realität ist wenig…
dramatisch, aber bizarr genug.
## Laura Himmelreich betritt den Saal
Rund 70 Journalistinnen und Journalisten sind gekommen, normalerweise sind
es halb so viele. Um 10.35 Uhr betritt Laura Himmelreich den Saal. Brüderle
ist noch nicht da. [1][Bild.de] hat einen Nachrichtenticker eingerichtet.
Erste Meldung: „10.38 Uhr, Bundestag: 4 Kamerateams, 5 Fotografen, das
gab’s noch nie!“ Das gab es natürlich schon häufig, aber heute scheinen
andere Gesetze zu gelten. Auch der übliche Brauch, wonach das beim
„Pressefrühstück“ Gesagte nur veröffentlicht wird, wenn der
FDP-Fraktionschef dem ausdrücklich zustimmt, ist außer Kraft gesetzt. Ein
Journalist filmt gar mit seinem Smartphone. Bild.de schreibt: „10.39 Uhr:
Himmelreich ist da, mit einem Kollegen! Sie trägt einen dunkelblauen
Mantel, rotes Oberteil, grauer knielanger Rock, rote Wildlederstiefel.“
Als Brüderle den Saal mit 20 Minuten Verspätung betritt, gehen die Blicke
der Journalisten zwischen Himmelreich und Brüderle hin und her. Die beiden
begrüßen einander nicht. Die Stern-Reporterin hat sich auf einen Platz am
Rand gesetzt, von dem aus sie einander nicht anschauen müssen.
„Meine Damen und Herren“, sagt Brüderle, „ich begrüße Sie alle recht
herzlich. Ich weiß, Sie sind vor allem wegen eines Themas gekommen. Aber
ich habe mich bislang dazu nicht geäußert, ich will es auch weiterhin nicht
tun.“ Die Pressesprecherin wählt die ersten vier Fragesteller aus. Die
ersten drei Journalisten stellen Fragen zum Bundeshaushalt oder einer
möglichen rot-grünen Blockade im Bundesrat. Brüderle nimmt sich Zeit.
Der vierte Journalist sagt: „Herr Brüderle, Sie wissen, dass ich nicht
wegen Frau Himmelreich da bin. Ich teile auch nicht ihre journalistische
Herangehensweise.“ Himmelreich sitzt schräg hinter ihm und schweigt. Aber,
fügt der Frager hinzu, sei Brüderles Verhalten „noch hilfreich im
Wahlkampf“? Brüderle antwortet: „Sexismus ist eine Debatte, die läuft und
die natürlich eine gesellschaftliche Relevanz hat.“ Zu allem Weiteren: „No
comment.“
Um 11.37 Uhr endet die Veranstaltung. Himmelreich verlässt den Saal. Blitze
von Fotokameras, TV-Kameras schwenken hinterher. Als Brüderle den Saal
verlässt, reckt ihm ein Reporter ein Bild.de-Mikro hin und fragt: „Herr
Brüderle, warum äußern Sie sich nicht?“ Er geht wortlos vorüber.
Kurz darauf macht Bild.de mit der Schlagzeile auf: „BRÜDERLE BRICHT SEIN
SCHWEIGEN: 'Sexismus ist eine Debatte, die läuft, die eine
gesellschaftliche Relevanz hat.‘“
30 Jan 2013
## LINKS
[1] http://Bild.de
## AUTOREN
Matthias Lohre
## TAGS
Rainer Brüderle
Sexismus
Sexismusdebatte
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FDP
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