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# taz.de -- Kriegsverbrecher-Urteil in Bangladesch: Volksaufstand für die Tode…
> Am Dienstag wurde ein Kriegsverbrecher in Bangladesch zu lebenslanger
> Haft verurteilt. Zigtausende demonstrieren gegen das Urteil. Sie fordern
> die Todesstrafe.
Bild: Breiter Protest, fragwürdige Forderung: Demonstration in Bangladesch
BERLIN taz | Zu Zigtausenden strömten am Freitagnachmittag die Menschen ins
Stadtzentrum von Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. Laut örtlichen
Medien versammelten sich mindestens 100.000 Menschen, um gegen die
Verurteilung eines Islamisten für Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg
gegen Pakistan 1971 zu demonstrieren. Ein Tribunal hatte den Mann wegen
Massenmord und Vergewaltigung zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch den
Demonstranten geht das nicht weit genug: Sie fordern die Todesstrafe.
[1][Medienberichten zufolge] versammelten sich neben Aktivisten, Politikern
und Veteranen auch Tausende Studenten und Familien mit Flaggen und sangen
die Nationalhymne – beides Symbole der Befreiungsbewegung von 1971. In
Reden kritisierten Aktivisten das Urteil gegen Abdul Kader Mullah, Mitglied
der islamistischen Partei Dschamaat-E-Islami, als „zu milde“. „Wir wollen,
dass die Kollaborateure erhängt werden“, [2][hieß es].
Das nationale Kriegsverbrecher-Tribunal hatte es als erwiesen angesehen,
dass Mullah mit dem pakistanischen Militär kollaboriert hatte und für den
Mord an mindestens 350 Zivilisten und der Vergewaltigung einer Frau
verantwortlich war. Seit seiner Verurteilung am Dienstag wächst der
Protest, bei dem mehrere Hundert Aktivisten zunächst eine zentrale Kreuzung
besetzten und der nun in der Demonstration mündete. Die Protestierenden
halten eine Haftstrafe einerseits für unverhältnismäßig und befürchten
andererseits, dass die Strafe von einer Nachfolgeregierung aufgehoben
werden könnte.
Auch die Dschamaat-E-Islami protestiert seit Tagen gegen das Urteil und
fordert die Freilassung Mullahs. Die Regierung dagegen – die von der
Tochter des Staatsgründers Sheikh Mujibur Rahman, Sheikh Hasina, angeführt
wird – prüft, ob sie Rechtsmittel einlegen kann, um ein härteres Urteil zu
erreichen.
##
Bangladesch wurde 1971 nach einem neunmonatigen Krieg von Pakistan
unabhängig. Während des Krieges beging das pakistanische Militär gemeinsam
mit bengalischen Kollaborateuren eine Vielzahl von Menschenrechtsverstößen,
darunter Massaker an der Zivilbevölkerung, Vergewaltigungen, Entführungen
und Folter. Insgesamt kam wohl eine halbe Million Menschen ums Leben.
Schon damals schlug sich die Dschamaat-E-Islami auf die Seite Pakistans.
Viele Parteimitglieder begingen in organisierten Milizen Kriegsverbrechen,
die bis heute unaufgeklärt blieben. Die Partei blieb nach der
Unabhängigkeit Teil des politischen Geschehens und war auch zeitweise in
der Regierung.
Kollaborateure wie Mullah, der im Volksmund „der Schlächter“ genannt wird,
sind auch heute Teil der Partei. Ein weiteres Parteimitglied wurde Mitte
Januar zum Tode verurteilt, ist aber vermutlich in Pakistan untergetaucht.
Gegen weitere Parteimitglieder laufen derzeit Prozesse.
Die jetzige Regierungspartei Awami League hatte bereits vor der Wahl 2008
angekündigt, Kollaborateure und Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen.
Das eingesetzte Kriegsverbrecher-Tribunal ist eins der ersten, die ohne die
Unterstützung der UN eingerichtet wurden. Seit dem Beginn der Prozesse
haben allerdings mehrere Skandale ihre Unabhängigkeit von der Regierung in
Frage gestellt.
##
Der Protest in Dhaka ist einer der größten, der ohne Hilfe der großen
politischen Parteien zustande gekommen ist. Die Protestierenden verwahren
sich gegen jeden Anschein der parteipolitischen Ausrichtung: Als führende
Politiker der Regierungspartei versuchten vor ihnen zu reden, wurden sie
ausgebuht und mit Flaschen beworfen. Bei der Demonstration am Freitag waren
Symbole und Plakate politischer Parteien explizit verboten.
Vereinzelt wird aber auch Kritik an der Forderung des Protestes laut. So
schrieb der Autor und Künstler Naeem Mohaiemen [3][in einem Blogeintrag]:
„Ich werde niemals für die Todesstrafe sein, aber wenn die Forderungen der
Bewegung als eine Forderung für transparente, faire und unabhängige
Prozesse gegen die Kriegsverbrecher interpretiert werden können, haben sie
meine Unterstützung.“
Der Unabhängigkeitskriegs-Forscher Afsan Chowdhury wunderte sich zwar, dass
kein Todesurteil gesprochen wurde, [4][warnt aber] vor dem Druck auf das
Tribunal: „Bei der öffentlichen Verärgerung geht es um die unerfüllten
Wünsche des Volkes. Das Ergebnis ist, dass nun ein erheblicher Druck auf
die Regierung und das Tribunal lastet, 'volksfreundliche' Urteile zu
sprechen.“
8 Feb 2013
## LINKS
[1] http://bdnews24.com/bangladesh/2013/02/08/masses-rally-for-death-verdict
[2] http://newagebd.com/detail.php?date=2013-02-08&nid=39452#.URT1J8_ma_V
[3] http://alalodulal.org/2013/02/07/shahbag/
[4] http://opinion.bdnews24.com/2013/02/07/why-wasn-not-quader-mollah-hanged/
## AUTOREN
Lalon Sander
Lalon Sander
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