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# taz.de -- Iranischer Film „Pardé“ auf der Berlinale: Hundstage am Kaspis…
> Großer Auftritt des Schoßhündchens: Jafar Panahi und Kamboziya Partovi
> karikieren mit „Pardé“ die Zensoren und Sittenwächter im Iran.
Bild: Im Exil: Kambozyia Partovi und der technisch versierte Hund Boy.
Der Blick aus einer vergitterten Glasfront auf die sanft anrauschenden
Wellen des Kaspischen Meers. Regisseur Jafar Panahi hat es trotz
Berufsverbot im Iran geschafft, zusammen mit Kamboziya Partovi den Film
„Pardé“ („Closed Curtain“) zu drehen und zur Uraufführung in Berlin zu
bringen. Panahi und Partovi mussten „Pardé“ ohne Genehmigung heimlich im
Iran drehen. Panahi konnte bei der Weltpremiere des Films jetzt auch nicht
in Berlin dabei sein.
„Pardé“ ist ihr trotziger Kommentar zu einer Situation, die sich mit
gängigen filmischen Mitteln kaum beschreiben lässt. Panahi (geboren 1960),
der aus der Schule der iranischen Filmerlegende Abbas Kiarostami stammt,
wurde 2006 von der Berlinale für seine Stadionsatire „Offside“ mit einem
Silbernen Bären ausgezeichnet. Schon damals war es für ihn nicht leicht, im
Iran zu arbeiten.
2011 hätte er Mitglied der Berlinale-Jury sein sollen, durfte aber nicht
ausreisen. Der bekennende Demokrat war nach Niederschlagung der iranischen
Reformbewegung 2010 zu sechs Jahren Haft verurteilt und mit zwanzigjährigem
Berufsverbot belegt worden.
## Draußen lauert Gefahr
„Pardé“ wurde unter den Drehbedingungen des inneren Exils – Panahis
Haftstrafe wurde ausgesetzt – wie ein Kammerspiel inszeniert. Koregisseur
Partovi spielt einen Schriftsteller, der sich in eine abseits gelegene
Villa am Kaspischen Meer flüchtet. Weswegen er sich verstecken muss, bleibt
unklar. Doch draußen lauert Gefahr. Vorhänge zieht er vor, verhängt die
Fenster mit schwarzem Tuch und baut einen Wandschrank als Versteck.
Der Schriftsteller in seinem Exil wird begleitet von „Boy“, einem
niedlichen Schoßhündchen. Dessen Tschador ist die Tasche, die er auf
Transport und im Freien nicht verlassen darf. Boy ist ein schlauer Hund, er
kann unverschlossene Türen öffnen beherrscht die Fernbedienung eines
Fernsehers. Zum Schrecken des Schriftstellers: Das staatliche Fernsehen
überträgt gerade Bilder von der staatlichen Jagd auf Hunde. Sie gelten
unter unaufgeklärt-religiösen Iranern als besonders unrein.
Die Fernsehbilder sind eine der wenigen Außenweltszenen, die die Regisseure
in „Pardé“ als Kommentare montieren und zulassen. Ansonsten dominiert die
Binnenperspektive des Verstecks. Von draußen dringt das Rauschen des Meeres
in die Villa – ab und an durchbrochen vom Lärm eines Fahndungstrupps.
## Panahi entert das Filmset
Plötzlich gibt es auch eine Frau vor der Kamera, ohne Tschador. Eine
Flüchtende (Maryam Moghadam) klopft zusammen mit ihrem Bruder (Geliebten?
Mann?) an die Tür des besorgten Schriftstellers. Das Paar begehrt
Unterschlupf. Ist es eine Falle? Sind es Party- oder Politleute? Unklar.
Der Mann verschwindet wieder, die Frau ist fortan der Geist, den Hund und
Schriftsteller nicht mehr loswerden. Die Glasscheibe splittert, die Frau
reißt die Vorhänge herunter und der berühmte Regisseur Jafar Panahi, der so
gerne mit dokufiktionalen Elementen arbeitet, entert schließlich selber als
Hauptdarsteller das Filmset.
Panahi „spielt“ den Besitzer der Villa, in der Plakate von Panahi-Filmen
hängen, überbringt den Nachbarn Medikamente und lässt sich von diesen im
Alltag helfen. Die Frau wandelt sich vom Geist immer mehr zur vollen
Gestalt und spricht aus der Handykamera zum Villenbesitzer: „Ich schmeiß
den Schriftsteller und den Hund raus.“
„Pardé“ ist unter den Bedingungen extremer Repression entstanden – surre…
ironisch, ruhig und beharrlich in seiner Haltung. „Ich will nicht weg“,
sagt Panahi in einer Szene. Die Kamera blickt am Ende wieder aus der
vergitterten Glasfront auf die Weite des Kaspischen Meers.
13 Feb 2013
## AUTOREN
Andreas Fanizadeh
## TAGS
Schwerpunkt Iran
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Jafar Panahi
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