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# taz.de -- Präsidentschaftswahl auf Zypern: Merkel-Freund vor dem Sieg
> Bei den Wahlen kommt Nikos Anastasiades fast auf 50 Prozent. Der
> Konservative muss Zypern vor dem Bankrott bewahren. Die Linke verliert
> deutlich.
Bild: Wahlkampfhilfe von Merkel: Im Januar war die Bundeskanzlerin extra für e…
NIKOSIA taz | Zypern schwenkt nach rechts. Bei den Präsidentschaftswahlen
am Sonntag erhielt der konservative Nikos Anastasiades Hochrechnungen
zufolge mit Abstand die meisten Stimmen. Die 50-Prozent-Marke konnte er
dennoch nicht überspringen. Somit wird es eine Stichwahl geben. Dabei gilt
Anastasiades als haushoher Favorit. Die Wahl war von einem drohenden
Staatsbankrott überschattet, der durch einen EU-Rettungskredit abgewendet
werden soll.
Der 66-jährige Rechtsanwalt von der Partei Demokratische Sammlung (Disy)
dürfte damit den bisherigen Amtsinhaber Demetris Christofias ablösen.
Christofias, der nicht mehr antrat, weil er den Konflikt mit den türkischen
Zyprioten nicht lösen konnte, war der erste linke Präsident Zyperns. Seine
Akel-Partei gilt als kommunistisch, vertritt in der Realität aber eher
einen sozialdemokratischen Kurs. Christofias' Abwahl reiht sich in das
Scheitern nahezu sämtlicher Regierungschefs in von der Euro-Finanzkrise
schwer betroffenen Ländern ein.
Akel-Kandidat Stavros Malas, ein Arzt und früherer Gesundheitsminister,
erreichte nur 25,8 bis 28,8 Prozent der Stimmen. Auf Platz drei rangiert
mit 17 bis 19 Prozent der Populist und frühere Minister Giorgos Lillikas,
der von der links-nationalistisch orientierten Edek-Partei unterstützt
wurde.
In der Stichwahl wuerden Anastasiades und Malas gegeneinander antreten.
Alle Umfragen gehen aber davon aus, dass der Konservative dieses Votum klar
für sich entscheidet - falls er nicht schon an diesem Sonntag Abend die
absolute Mehrheit erhaelt.
## Merkel half dem Gewinner
Anastiades gilt als ein Freund Angela Merkels. Erst im Januar war die
Bundeskanzlerin extra für einen Tag ins zypriotische Limassol gereist, um
ihn im Wahlkampf zu unterstützen. Anastasiades hat versprochen, rasch den
Weg für einen Euro-Rettungskredit frei zu machen, den Zypern dringend
benötigt.
Zyperns Banken hatten sich mit griechischen Staatsanleihen verspekuliert.
Als ein Schuldenschnitt im Oktober 2011 deren Wert halbierte, mussten diese
Banken auf einen Schlag 4,5 Milliarden Euro abschreiben. Zudem ist
insbesondere die Laiki-Bank stark im griechischen Bankensektor aktiv. Hinzu
kommt ein defizitärer Staatshaushalt auf Zypern. Das Land mit nur rund
850.000 Einwohnern benötigt voraussichtlich zwischen 15 und 17,5 Milliarden
Euro – fast die gesamte Wirtschaftsleistung eines Jahres. Andernfalls droht
im Frühsommer die Pleite, denn Anfang Juni steht die Rückzahlung von
Altschulden an.
Dem bisherigen Präsidenten war es nicht gelungen, einen Konsens mit der
Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds
(IWF) über den Rettungskredit zu erzielen. Christofias machte bei der Frage
einer Privatisierung von Staatsfirmen eine Rückzieher und schloss diese
aus. Die Angestellten in diesem oft als ineffektiv beschriebenen Sektor
gelten als besondere Stütze der linken Akel-Partei.
Ein in den Grundzügen erstelltes Memorandum der Troika sieht daneben
deutliche Steuer- und Abgabeanhebungen Einsparungen im öffentlichen Dienst
vor und war im Wahlkampf heiß umstritten. Staatsangestellte müssen demnach
auf bis zu 12,5 Prozent ihres Gehalts verzichten. Ferner werden die
weitreichenden Regeln bei der Frühpensionierung und bei Abfindungen gekappt
und die automatische Lohnanpassung an die Inflation ausgesetzt.
## Deutscher Wahlkampf mit Zypern-Schwarzgeld
Zypern sieht sich besonders aus Deutschland Geldwäsche-Vorwürfen
ausgesetzt. Ein nie bestätigter Bericht des BND zeichnet das Bild eines
Geldwäscheparadieses für russische Oligarchen. Die EU-Finanzminister
beschlossen Anfang Februar, dass ein unabhängiges privates Institut diesen
Vorwürfen nachgehen soll. Allerdings lehnte Zypern vor wenigen Tagen die
Beauftragung einer privaten Organisation ab, da diese zypriotischem wie
europäischem Recht widerspreche.
Ferner verlangt die deutsche Opposition aus SPD und Grünen, die als
Dumpingsteuer bezeichnete Firmensteuer von nur 10 Prozent auf Zypern
anzuheben und eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Beide Forderungen
lehnte der scheidende Finanzminister Vassos Shirarly im Gespräch mit der
taz ab. Zyperns Wirtschaft erzielt mit Finanzgeschäften und dem Tourismus
einen Großteil seiner Einnahmen.
## Yoga-Lehrerin als Strohfrau fuer den Bau von EM-Stadien
In Nikosia und Limassol haben sich Tausende Briefkastenfirmen angesiedelt.
Deren Besitzer profitieren von den niedrigen zypriotischen Firmensteuern.
Die Gründung einer Firma lässt sich dank des geltenden englischen Rechts
innerhalb weniger Tage mithilfe eines örtlichen Rechtsanwalts
bewerkstelligen. Im letzten Jahr wurde ein Fall bekannt, bei dem eine
zypriotische Yoga-Lehrerin als Strohfrau für ein ukrainisches Konsortium
fungierte, dass mit dem Bau eines Fußballstadions zur Europameisterschaft
betraut war.
Alle Kandidaten waren sich im Wahlkampf darin einig, dass die Vorwürfe
wegen Geldwäsche und Dumpingsteuern haltlos seien.
Anastasiades zeigte sich jedoch bereit, auch Staatsbetriebe zu
privatisieren und rasch zu einer Einigung mit der Troika zu gelangen. Er
lehnte aber Forderungen etwa der deutschen Sozialdemokraten nach einer
Beteiligung der Kontenbesitzer an der Rettung zypriotischer Banken wie sein
Vorgänger Demetriades „kristallklar und kategorisch“ ab.
Tatsächlich dürfte dieser an sich sympathisch klingende Vorschlag auf
erhebliche Probleme stoßen. Die Investoren aus dem Ausland könnten ihre
Einlagen nämlich rechtzeitig abziehen. Übrig blieben die zypriotischen
Kleinsparer, die derzeit ohnehin nichts zu lachen haben. Weitere
Verhandlungen mit der EU sind für den März vorgesehen. Bis dahin soll auch
der exakte Kapitalbedarf der zypriotischen Banken ermittelt werden.
Zypern steckt tief in der Rezession. Reihenweise müssen die Läden in der
Haupteinkaufsstraße Nikosias, der Makarios Avenue, ihre Türen für immer
verrammeln. Ganze Einkaufszentren wie das „City Plaza“ stehen so gut wie
leer. Zypern, das Jahrzehnte lang praktisch überhaupt keine Jobknappheit
kannte, verzeichnet derzeit fast 15 Prozent Arbeitslosigkeit bei steigender
Tendenz. Unter jüngeren Leuten beträgt sie etwa das Doppelte. Nach nur
sechs Monaten läuft das Arbeitslosengeld aus und die Menschen sind auf
dürftige Sozialhilfeleistungen angewiesen. Inzwischen werden von der Kirche
an Bedürftige Lebensmittel verteilt.
So bilden sich an einem Gemeindezentrum in Nikosia-Kaimakli zweimal in der
Woche Trauben von Menschen, die auf ein Brotpaket anstehen. Nicht immer
reichen die Spenden für alle Wartenden aus.
Angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise trat im Wahlkampf das
Jahrzehnte währende Dauerthema Zypernkonflikt erstmals zurück. Die seit
1974 währende Teilung der Insel in den griechischen Süden und den türkisch
kontrollierten Norden war nur noch ein Thema unter vielen. Dabei gilt
Anastasiades als kompromissbereit. Er strebt die Gruendung eines bizonalen
Bundesstaats an und beharrt dabei, anders als sein Vorgaenger Christofias,
nicht auf einen besonders starken Zentralstaat.
17 Feb 2013
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
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