# taz.de -- ARD-Film zum Reichstagsbrand: Herzschmerz und Nazis | |
> „Nacht über Berlin“ zeigt eine Liebe während Hitlers „Machtergreifung… | |
> Die Kulissen sehen aus wie Kulissen, die Geschichte wirkt sehr | |
> konstruiert. | |
Bild: In ihnen trifft sich die ganze Geschichte: Jan Josef Liefers und Anna Loo… | |
„Nacht über Berlin“ erzeugt ein bekanntes Gefühl: jenes, das man hatte, a… | |
der Geschichtslehrer den Rollwagen mit dem Röhrenfernseher in den | |
Klassenraum schob, die VHS-Kassette einlegte und so lange spulte, bis das | |
Gesicht von Guido Knopp erschien. Warum können sich deutsche | |
TV-Produktionen zu deutscher Geschichte nicht von deutschem | |
Geschichtsfernsehen lösen? | |
Dabei ist der Beitrag der ARD zum 80. Jahrestag des Reichstagsbrands von | |
1933 keine schlechte Idee: eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund der | |
Machtübernahme der Nazis zu erzählen – und damit deutlich zu machen, dass | |
damals längst nicht jeder so klar sah, was uns heute so offensichtlich | |
erscheint: Wie konntet ihr die drohende Gefahr von rechts, von Hitler, von | |
NSDAP und SA nicht erkennen? | |
Während man sich liebt, arbeitet und sonst was tut, geht das Bedrohliche | |
womöglich unter. Doch das Leben der Sichverliebenden (Jan Josef Liefers und | |
Anna Loos) ist derart politisch aufgeladen, dass dieses Politische nicht im | |
Hintergrund bleibt und nach vorn drängt. | |
Er, Albert Goldmann, ist SPD-Abgeordneter im Reichstag, ist Jude, er ist | |
Arzt im Wedding, er behandelt den späteren Reichstagsbrandstifter Marinus | |
van der Lubbe, er sieht das drohende Unheil kommen, er wird verhaftet und | |
von SA-Chef Ernst Röhm persönlich verhört. Sie, Henny Dallgow, | |
Ballhaus-Besitzerin, Sängerin, umgeben vom Travestiekünstler Matze Belzig | |
(großartig gespielt von Jürgen Tarrach), will sich ausleben – und will | |
sicher nicht diese braun uniformierten, grobschlächtigen Kerle in ihrem | |
Laden. | |
## Moralität statt Lässigkeit | |
Wie kann bei so viel Nähe zu den Ereignissen Geschichte en passant erzählt | |
werden? Gar nicht. Der Film von Rainer Berg (Buch) und Friedemann Fromm | |
(Buch und Regie) sollte eine Romanze erzählen, die den Widerspruch deutlich | |
macht zwischen politischer Verunsicherung vor dem, was kommen mag, und dem | |
Privaten, Vergnüglichen, in das Massenverfolgung und Tötungen nicht passen | |
wollten. | |
Doch der Film erzählt ein Geschichtsdrama, in dem sich alle Ereignisse des | |
Jahreswechsels 1932/33 in zwei Personen berühren. Vor Kulissen, die – | |
leider – wie Kulissen aussehen. Es ist müßig, immer wieder auf US-Serien zu | |
verweisen. Doch der fiktionale Umgang mit historischen Ereignissen zeigt | |
stets einen eklatanten Unterschied zwischen deutscher Moralität und | |
amerikanischer Lässigkeit. | |
Bei der preisgekrönten Serie „Mad Men“ über Werbemacher in den 60ern flie… | |
Geschichte wirklich en passant ein: das Aufbegehren der Schwarzen? Prima, | |
da erschließt sich eine neue Zielgruppe für unsere Werbung. Die Ermordung | |
John F. Kennedys? Wird im Radio belauscht – und macht die Hochzeit der | |
einzigen Tochter des Chefs zur Trauerfeier. Kein Protagonist stand in | |
Dallas in der ersten Reihe. Das kommt unserer heutigen und der damaligen | |
Lebenswirklichkeit deutlich näher – und wirkt wegen seiner Lässigkeit so | |
realistisch. | |
## „Nacht über Berlin“, 20. Februar, 20.15 Uhr ARD | |
20 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Jürn Kruse | |
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