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# taz.de -- Guido Knopp geht in Ruhestand: Der Hitlerversteher
> Guido Knopp verabschiedet sich in den Ruhestand. Zum Ende dröhnen noch
> mal die Pauken – in dem Achtteiler „Weltenbrand“.
Bild: Geht bald in den wohlverdienten Ruhestand: Guido Knopp.
Guido Knopp sitzt vor der Leinwand im Kino des Deutschen Historischen
Museums in Berlin. Hier, wo sich die deutsche Geschichte unter einem Dach
ballt, wird er vom Präsidenten der Museumsstiftung mit „Herr Professor“
begrüßt. Knopp lässt die Worte über seine Lippen perlen: „Herr Professor�…
Er darf bei den großen Historikern mitspielen.
Dass seine Professur eine im Bereich Journalistik ist, und zwar bei der
privaten Gustav-Sieverth-Akademie, die sich die „Rechristianisierung
Europas auf der Grundlage der abendländischen Kultur“ auf die schwarzen
Fahnen geschrieben hat – geschenkt.
Zwei Dutzend Pressevertreter sitzen Knopp gegenüber. Gerade ist der erste
Teil seines neuesten und gleichzeitig letzten Werks als Leiter der
ZDF-Redaktion Zeitgeschichte abgeklungen: „Weltenbrand“, ein Achtteiler
über die Jahre 1914 bis 1945. Koloriert, in HD, mit nachgestellten
Auftritten, die Musik stammt von Klaus Doldinger. Die acht Teile ergeben
zusammen den „Dreißigjährigen Krieg des 20. Jahrhunderts“. Das soll
verkauft werden, nach Großbritannien, nach Frankreich, in die USA.
## Robert de Niro im Off
„Weltenbrand“ greift wieder zu allem, was aus einem gewöhnlichen
Historienfilm einen echten Knopp macht: Ständig dröhnen Pauken, Experten
sagen, was der Zuschauer zu denken hat, und aus dem Off dramatisiert oder
romantisiert Robert de Niro – oder die Stimme, die hierzulande für de Niro
gehalten wird – von Menschen, die nicht wüssten, was Krieg bedeutet. „Noch
nicht.“ Im Bild: ein paar unbeschwerte Deutsche. Für sie wird es „ein Krieg
wie keiner zuvor. Ein Krieg ohne Grenzen. Eine bis dahin unvorstellbare
Vernichtungskraft: Weltenbrand.“
Knopp hat es seinen Kritikern wieder sehr leicht gemacht. Denn obwohl sich
die Auftaktepisode „Sündenfall“ nur um den Ausbruch des Ersten Weltkriegs
und die ersten Jahre an West- und Ostfront dreht, wird schon nach wenigen
Minuten ein Mann eingeführt, der „schon damals voller Hass“ war: Adolf
Hitler. „Muss das sein?“, hatte Knopp seine Autoren bei der Produktion des
Films gefragt. Die meinten ja – und Knopp ließ sich wohl nur zu gern
überreden.
Gegen Ende wird Weihnachten zwischen den Schützengräben gefeiert,
nachgestellt von wohlgenährten Männern. „Eine stille Revolution der
Menschlichkeit“, sagt de Niro.
Dann kommen die Angriffe, Knopp kennt sie alle – und kontert sie alle: Der
Kriegsausbruch käme in seinem Werk doch viel zu plötzlich! „Ein Film hat
nun einmal nur 43 Minuten.“ Einfach einen kausalen Bogen von 1914 bis zum
Zweiten Weltkrieg zu ziehen sei viel zu vereinfachend! „Nein, nein, ohne
Ersten Weltkrieg hätte es eine Nazipartei in dem Sinne in Deutschland nicht
gegeben. Alle Krisen, alle Verwerfungen der Weimarer Republik sind ohne
Ersten Weltkrieg nicht vorstellbar.“
Warum keine echten Geräusche von Kugeleinschlägen? Warum diese musikalische
Untermalung? Diesmal versucht Annette von der Heyde zu antworten. Sie und
Christian Frey sind die Autoren des ersten „Weltenbrand“-Teils. „Die
Emotionen?“, sagt von der Heyde. Weiter kommt sie nicht. Der Fragesteller
setzt noch mal an und übertönt ihre Worte.
## Seine wohltuende Stimme
Da schreitet Knopp ein – und redet von Klaus Doldingers künstlerischer
Freiheit, von Geschmacksache. Knopp spricht ganz ruhig, mit seiner
wohltuenden Stimme. Der Fragesteller ist still. Knopp ist die Autorität.
Nicht nur im Kinosaal. Auch im Klassenzimmer. Nach der Präsentation seines
Films sitzt Knopp in einem Café Unter den Linden und erzählt von
Dankesschreiben von Lehrern.
Von einem, der vor jeder Klassenfahrt nach Berlin „Die Mauer“ zeigt, einen
Zweiteiler von 1986. „Und dann gucken die Schüler, wie der junge Guido
Knopp – ich glaube, damals sogar mit Bart – den Mauerbau zu erklären
versucht“, sagt Guido Knopp über Guido Knopp, der in den 1980ern wohl noch
keine weißen Hemden mit schwarzen Knöpfen und eingestickten Initialen auf
den Manschetten trug.
„Die Mauer“ sind zwei von 2.000 Stunden Geschichtsfernsehen, die Knopp seit
seinem Beginn beim ZDF 1978 zu verantworten hatte. „Eine für mich
erschreckende Zahl“, sagt Knopp und lächelt anschließend so, als hätte ihn
wieder jemand „Herr Professor“ genannt. „Aber ich lasse mich lieber auf
Qualität und auf Erfolge ansprechen als auf Quantität.“
## Szenische Elemente als Sündenfall
Gut: Guido Knopp ist Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse, er hat
den Bayerischen Fernsehpreis gewonnen, eine Goldene Kamera, einen Goldenen
Löwen, einen Emmy, er hat Auszeichnungen für sein Lebenswerk erhalten. „Wir
haben kein Defizit an Anerkennung, auch nicht international“, sagt Knopp
über sich und seine Redaktion Zeitgeschichte beim ZDF, die er seit 1984
leitet.
Aber über ein Defizit an Ablehnung kann sich Knopp ebenso wenig beklagen.
Er weiß noch genau, wann die große Welle der Empörung losbrach: „1998 war
das, als wir begannen, szenische Elemente mithineinzunehmen. Da gab es
natürlich von einigen Vertretern der wahren Lehre heftigen Widerstand, weil
das als Sündenfall deklariert worden ist.“
1998 lief die zweite Staffel von „Hitlers Helfer“. Schon drei Jahre zuvor
war „Hitler – Eine Bilanz“ ausgestrahlt worden, 1996 dann der erste Teil
von „Hitlers Helfer“. Es folgten „Hitlers Krieger“, „Hitlers Kinder�…
„Hitlers Frauen“ und „Hitlers Manager“. Für viele war Knopp nur noch d…
Hitler-Erklärer. Doch von den 2.000 Stunden Fernsehgeschichtsunterricht
beschäftigten sich Knopp’schen Berechnungen nach nur 100 Stunden mit dem
„wildgewordenen Kleinbürger“ (Knopp), nur 5 Prozent seines Gesamtwerks.
Goebbels, Göring, Himmler, Dönitz und Co. schon eingerechnet!
## Mit Hitler nie fertig geworden
Hitler-Fixiertheit? Für Knopp ist dieser Vorwurf eher ein interessantes
Rezeptionsphänomen: Historiker und Presse würden hauptsächlich auf solche
Sendungen schauen und diese dann kritisch beurteilen. „Es waren halt
prominente Sendeplätze um 20.15 Uhr.“ Außerdem sei das Thema eines, mit dem
die Nation nie fertig geworden sei. „Wie sollte sie auch?“ Trotz seiner
Hilfe: „Man soll keine Angst vor der Figur Hitler haben. Ein Leugnen oder
Verdrängen wäre ja ein Zeichen, dass man Angst vor der Figur hat.“
Knopp hat auf jeden Fall keine Angst. Er ist ein unerschrockener
Draufgänger – jedenfalls in fünf Prozent seiner Werke. Doch die Kritik an
Knopp brach seit 1998 nicht mehr ab. Anfang 2006 schrieb der frühere
Staatsminister im Kanzleramt und ehemalige Zeit-Chefredakteur Michael
Naumann in einem Kommentar über Allgemeinbildung, über das Erlangen eines
Verständnisses davon, die „Politik als dauernden gesellschaftlichen
Prozess“ zu sehen: „Wenn Sie mehr wissen wollen: Vermeiden Sie Guido Knopps
zeithistorische Dokumentationen im Fernsehen.“
In Koblenz beschäftigte sich im selben Jahr die Historikertagung mit den
Filmen des „Herrn K.“. Der Jenaer Professor Norbert Frei griff den Begriff
der „Geschichtspornografie“ auf: Das Zeitzeugenfernsehen des ZDF mache Lust
auf Erkenntnis, befriedige sie aber nicht, sagte Frei – „und so etwas dürfe
man ja wohl als Pornografie bezeichnen“. Und die Titanic schrieb über
Knopp, dass der unter Historikern so viel zähle wie Jürgen Fliege unter
Bibelforschern.
## Bestimmen, wo Geschichte langging
Knopp nennt das eine „sehr deutsche Debatte“. Bei den Kritikern schwinge
auch stets die Furcht vor dem Verlust der Deutungsmacht mit, meinen er und
ihm zugetane Historiker. Und man muss wohl nicht alle Knopp-DVD-Reihen und
Knopp-Begleitbücher-zur-Serie im Regal stehen haben, um dem Chefhistoriker
vom Lerchenberg in diesem Punkt zu folgen.
Zum Vergleich: In knapp sechs Jahren begrüßte das Deutsche Historische
Museum 3 Millionen Besucher in seiner ständigen Ausstellung. Guido Knopp
erreichte an einem Abend mit „Hitlers Helfer“ 8 Millionen Menschen in
Deutschland. Noch Fragen, wer hierzulande bestimmt, wo Geschichte langging?
Im Januar 2013 wird Knopp 65, dann will er in Rente gehen. Er wird dem
Fernsehen aber erhalten bleiben, sein „Jahrhundertbus“ des Vereins
„Gedächtnis der Nation“ wird weiter durch Deutschland rollen und Zeitzeugen
zu ihrem Leben in Ost und West befragen, aber er muss kürzertreten. Das hat
er seiner Frau versprochen.
Der Nachfolger Knopps soll aus der eigenen Redaktion rekrutiert werden.
Doch wird mit dem Weggang des Gesichts, der Marke Guido Knopp nicht auch
das große Geschichtsfernsehen im ZDF ein Ende finden? „Nein, das glaube ich
nicht“, sagt Knopp: „Schließlich habe ich meine vielen Topkollegen beim ZDF
selbst eingestellt.“
„Weltenbrand“: ab 18.9., 20.15 Uhr, ZDF
18 Sep 2012
## AUTOREN
Jürn Kruse
## TAGS
Nazis
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