# taz.de -- „Monitor“ mit neuem Chef: „Der Tanker hält den Kurs“ | |
> Georg Restle wird neuer Leiter und Moderator von „Monitor“. Er weiß, dass | |
> sich Sehgewohnheiten ändern und findet die Sendung trotzdem nicht | |
> verstaubt. | |
Bild: Monitor ist ein Klassiker: 1991 mit Moderator Klaus Bednarz | |
taz: Herr Restle, am Donnerstag werden Sie erstmals als Chef das Magazin | |
„Monitor“ moderieren. Sind sie nervös? | |
Georg Restle: Nervös würde ich es nicht nennen. Ich bin vielmehr neugierig | |
auf das, was kommt. Denn ganz sicher wird es in den nächsten Jahren | |
spannend werden. Politisch sowieso, aber auch für die Zukunft von Monitor. | |
Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich die Sehgewohnheiten in den | |
nächsten Jahren noch einmal entscheidend verändern werden. Es stellt sich | |
die Frage, auf welchen Wegen Monitor seine Zuschauer dann erreichen wird. | |
Die größte Herausforderung wird dabei sein, wie wir unsere Inhalte, die wir | |
nach wie vor wichtig finden, auch jüngeren Zuschauer vermitteln. | |
Junge Zuschauer könnte das verstaubte Äußere von „Monitor“ abschrecken �… | |
trotz des Relaunches. | |
Ich finde uns nicht verstaubt. Vielmehr stelle ich fest, dass Leute Monitor | |
„veraltet“ finden, die die Sendung seit Jahren nicht mehr gesehen haben. | |
Klar: Attraktivität ist uns wichtig, und sicherlich müssen wir unsere | |
Bildsprache immer wieder überdenken, gerade wenn wir über andere Medien | |
auch jüngere Zuschauer ansprechen wollen. | |
Der Schlüssel liegt aber weniger in der Optik, sondern darin, klarzumachen, | |
warum diese Themen auch für sie relevant sind. Beispiel Altersarmut: Das | |
ist ja vor allem ein Thema für die Jungen! Und wenn’s ums Formale geht: Wir | |
wollen investigativen Journalismus nicht als Häppchen präsentieren, nur | |
weil es einem gefühlten formalen Mainstream entspricht. Komplexe | |
Zusammenhänge brauchen einen langen Atem, das kann man nicht mal schnell in | |
zwei Minuten erklären. Soviel Zumutung für unsere Zuschauer muss dann schon | |
sein. | |
Ihre Vorgängerin Sonia Mikich nannte „Monitor“ einen „Dinosaurier, aber … | |
Flügeln“. Wie sehen Sie das Magazin? | |
Ich hab’s nicht so mit Vergleichen aus der Tierwelt, aber ich glaube, dass | |
der alte Tanker „Monitor“ auch in Zukunft Kurs halten wird. Viele Themen | |
und Geschichten, die Monitor bisher behandelte, werden auch in Zukunft an | |
Aktualität nicht verlieren. Aber das politische Geschäft ist | |
unübersichtlicher geworden, vielleicht auch etwas entpolitisierter. | |
Heute stellt sich plötzlich die Bundeskanzlerin selbst an die Speerspitze | |
der Anti-Atom-Bewegung. Insofern muss sich ein Magazin wie „Monitor“, das | |
auch von der klaren Frontenstellung in der Politik gelebt hat, überlegen, | |
wie künftig Konturenschärfe in die Berichterstattung kommt, um die Dinge | |
auf den Punkt zu bringen. | |
Wie sehr darf sich ein zeitkritisches Magazin, welches von einem | |
öffentlich-rechtlichen Sender betrieben wird, aus dem Fenster lehnen? | |
Ich war schon früher stolz darauf, für ein Magazin zu arbeiten, das sogar | |
seinen eigenen Laden öffentlich kritisieren konnte und relativ große | |
Freiheiten hatte. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal, welches gerade ein | |
öffentlich-rechtliches von einem privaten Magazin unterscheidet. Wir müssen | |
auf keine Werbekunden Rücksicht nehmen. Auch mussten wir nie auf | |
irgendwelche politischen Konstellationen Rücksicht nehmen. Ich werde mich | |
dafür einsetzen, dass diese Freiheiten auch in Zukunft erhalten bleiben. | |
Aber Sie sind doch auch abhängig von den ARD-Gremien, in denen Politiker | |
sitzen. | |
Natürlich ist es so, dass öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht in einem | |
politisch luftleeren Raum stattfindet. Es gibt immer wieder | |
Zugriffsversuche der Politik auf die Berichterstattung – und das nicht nur | |
bei Gebührendebatten. Wenn man die Geschichte des ZDF betrachtet, wie | |
Parteien sich da immer wieder einen Sender zur Beute machen wollten, dann | |
zeigt dies, dass man hier auch in Zukunft immer wachsam bleiben muss. | |
Aus meiner bisherigen Erfahrung bei „Monitor“ kann ich aber ganz klar | |
sagen, dass jegliche Versuche der politischen Einflussnahme – und die gab | |
es! – immer zurück gewiesen wurden. Auch von Seiten der WDR-Führung. Das | |
war die Garantie dafür, dass das Magazin solch kritische Berichterstattung | |
machen konnte. | |
Wikileaks und ähnliche Websites haben eine moderne Gegenöffentlichkeit | |
geschaffen, in der politisch brisante Informationen via Internet | |
veröffentlicht werden. Wozu brauchen wir da noch ein TV-Format wie | |
„Monitor“, das 47 Jahre alt ist? | |
Gerade das Beispiel Wikileaks zeigt wie wichtig politischer Journalismus | |
heute ist. Wikileaks liefert so etwas wie die Rohmasse für das, was | |
Journalisten aufarbeiten und kritisch sichten müssen. Am Ende muss das | |
stehen, wofür auch die politische Berichterstattung bei „Monitor“ steht, | |
nämlich für seriösen Journalismus, der seine Quellen kritisch hinterfragt. | |
Das Problem des Internets oder auch von Wikileaks ist, dass dort eine | |
kritische Sichtung der Quellen oft unterbleibt oder auch gar nicht gewollt | |
ist. | |
Damit will ich die Leistung von Plattformen wie Wikileaks nicht klein reden | |
oder mich dafür aussprechen, dass Informationen selektiv ausgewählt oder | |
zurückgehalten werden sollen. Im Gegenteil! Mir geht es um | |
Übersichtlichkeit. Es gibt ja in der Kommunikationswissenschaft den Begriff | |
des Journalisten als Gatekeeper, der mir aber nicht wirklich gefällt, weil | |
er impliziert, dass Journalisten Informationen zurück halten. Ich bevorzuge | |
den Begriff des kritischen Durchleuchters. | |
Vor welche Herausforderungen stellt Sie diese neue Gegenöffentlichkeit? | |
In der Flut dieser Informationen genau herauszufinden, was tatsächlich | |
authentisch oder relevant ist, ist keine leichte Aufgabe. Auf der anderen | |
Seite gibt es eine sehr kritische Internetöffentlichkeit, die die | |
Berichterstattung von „Monitor“ in Zukunft noch stärker unter die Lupe | |
nehmen wird. Das finde ich großartig. Die Herausforderung wird sein, dem | |
Zuschauer zu vermitteln, was Qualitätsjournalismus bedeutet – und dass es | |
das nicht zum Nulltarif gibt. | |
Sie sagten, „Monitor“ solle zu einem Leuchtturm des investigativen | |
Journalismus werden. Ist das nicht etwas hochgegriffen? | |
Nein, Leuchtturm heißt ja vor allem, eine Orientierung zu bieten. Und | |
überall dorthin zu leuchten, wo Informationen zurückgehalten werden oder | |
Heimlichtuerei das politische Geschäft prägt. Wir wollen auch nicht der | |
einzige Leuchtturm sein. Im Gegenteil: Wir wollen in Zukunft sogar noch | |
stärker mit Redaktionen und Kollegen zusammen arbeiten, die ähnliche | |
Ambitionen haben wie wir. Auch durchaus über die ARD hinaus. | |
Sie waren bis vor kurzem Fernsehkorrespondent im ARD-Studio Moskau. In | |
einer politisch sehr brisanten Zeit für Russland. Hat diese Erfahrung Ihren | |
Blick auf das politische Geschehen in Deutschland verändert? | |
Ja, das hat sie. Wenn man zum Beispiel sieht wie weit Länder, die uns | |
geografisch so nahe liegen, von demokratischen Grundsätzen entfernt sind, | |
die wir als gottgegeben betrachten, dann wird einem noch einmal sehr | |
unmittelbar bewusst, dass es sicherlich viel zu kritisieren gibt in | |
Deutschland, aber auch einiges zu verteidigen. Man muss eben auch gegen | |
eine gewisse Saturiertheit in Deutschland ankämpfen, die bestimmte | |
demokratische Errungenschaften nicht mehr für verteidigungswert hält. | |
Wie kann Monitor von Ihren Erfahrungen profitieren? | |
Die Russlanderfahrung hat meinen Blick dafür geschärft, dass wir fast alle | |
Themen international denken sollten, auch über Europa hinaus. Das | |
klassische Inlandsmagazin, das „Monitor“ mal war, wird es so in Zukunft | |
nicht mehr geben können. Wir müssen unseren Blick weiten. | |
27 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Modest Adam | |
## TAGS | |
Politik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nachruf Klaus Bednarz: Die Stimme der Ungehörten | |
Er wollte den Mächtigen unbequem sein. Bekannt wurde Klaus Bednarz vor | |
allem mit dem ARD-Politmagazin „Monitor“. Nun starb er 72-jährig. | |
Kongress der Zeitungsverleger: Sehen, staunen, wissen | |
Ein Pirat durfte sich beim Verlegerkongress gegen ein Leistungsschutzrecht | |
aussprechen. Ein ahnungsloser Ex-Verteidigungsminister war dafür. | |
Guido Knopp geht in Ruhestand: Der Hitlerversteher | |
Guido Knopp verabschiedet sich in den Ruhestand. Zum Ende dröhnen noch mal | |
die Pauken – in dem Achtteiler „Weltenbrand“. | |
Neues Tagesschau-Jingle: Taa-taa ta-ta-ta-taaa | |
Die Anfangsmelodie der „Tagesschau“ ist viel mehr als nur ein Jingle, sie | |
ist ein elfsekündiges Meisterwerk. Nun soll sie nach 56 Jahren modernisiert | |
werden. |