# taz.de -- Luftverschmutzung: Brüssel findet Hamburg zu dreckig | |
> Die EU rügt Hamburgs Gesundheits- und Verkehrspolitik, weil Maßnahmen | |
> gegen Schadstoffe in der Atemluft fehlen. Grenzwerte werden weiter | |
> überschritten. | |
Bild: Emissionen mehr als 60 Prozent über Grenzwert: Luftmessstation in der St… | |
Die Atemluft in Hamburg ist dreckig und gesundheitsschädlich. Das hat jetzt | |
die EU-Kommission der Hansestadt schriftlich gegeben. In dem Beschluss vom | |
20. Februar, welcher der taz vorliegt, wird der Hamburger Antrag abgelehnt, | |
die Frist für die Umsetzung von Luftreinhalte-Maßnahmen um fünf Jahre zu | |
verlängern. In der Konsequenz drohen Hamburg nun Strafzahlungen in | |
sechsstelliger Höhe – pro Tag. | |
Seit 2010 gilt EU-weit für das hochgiftige Stickstoffdioxid (NO2) ein | |
Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Atemluft. Dieser wurde auch in | |
Hamburg jahrlang überschritten. Deshalb beantragte die Hansestadt bei der | |
EU eine Ausnahmegenehmigung bis 2015, um Maßnahmen zur Minderung der | |
Emissionen einleiten zu können. Dieses hat Brüssel nun verneint. | |
Nach Prüfung zusätzlicher Unterlagen, die Hamburg im Herbst 2012 | |
nachgereicht hatte, vertritt die Kommission „weiterhin die Auffassung, dass | |
der NO2-Jahresmittelwert im Jahr 2015 trotz der mitgeteilten zusätzlichen | |
Maßnahmen weiterhin über dem zulässigen Wert liegen wird“. Damit erklärt | |
die Kommission auch den im September vorgelegten Luftreinhalteplan für | |
wirkungslos. | |
„Hamburg setzt auf Innovation und Bewusstseinswandel der Bevölkerung, um | |
den Zeitraum der Überschreitung so kurz wie möglich zu halten“, kommentiert | |
Kerstin Graupner, Sprecherin der Umweltbehörde, den blauen Brief aus | |
Brüssel. Der Luftreinhalteplan enthalte „80 Maßnahmen, die | |
verursachergerecht und verhältnismäßig“ seien. Durch einen attraktiveren | |
öffentlichen Nahverkehr, emissionsärmere Autos und eine wachsende | |
Elektromobilität werde sich, so die Hoffnung, „die verkehrsinduzierte | |
Immissionssituation an den Hauptverkehrsachsen aber deutlich verbessern“. | |
Allerdings hatte die Behörde im internen ersten Entwurf des | |
Lufreinhalteplans im August 2012 bereits eingeräumt, dass „für 2015 | |
weiterhin deutliche NO2-Grenzwertüberschreitungen gutachterlich | |
prognostiziert werden“. Hauptursache sei „eindeutig der Kfz-Verkehr“. | |
Danach lag an innerstädtischen Messpunkten wie der Max-Brauer-Allee in | |
Altona der Mittelwert der Verschmutzung bei 67 Mikrogramm, in der Spitze | |
mit 74 Mikrogramm sogar mehr als 60 Prozent über dem erlaubten Grenzwert. | |
Dessen Einhaltung sei nur „mit sehr einschneidenden verkehrsbeschränkenden | |
Maßnahmen möglich“, hieß es in dem von der taz veröffentlichten | |
vertraulichen Entwurf, ohne Begriffe wie Umweltzone, City-Maut oder Tempo | |
30 ausdrücklich zu nennen. Im schließlich einen Monat später vom Senat | |
verabschiedeten Plan stand davon jedoch kein Wort mehr – weshalb er jetzt | |
auch nach Einschätzung der EU-Kommission wirkungslos ist. | |
Von einer „verdienten Quittung für die verfehlte Politik der Umweltbehörde�… | |
spricht deshalb Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des Bundes für | |
Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Nach dessen Einschätzung leben | |
etwa 220.000 Menschen in Hamburg in Stadtteilen mit gesundheitsschädlicher | |
Atemluft. Unter Berufung auf den EU-Beschluss könnten diese jetzt „ihr | |
Recht auf saubere Luft einklagen“, so Braasch. Auch der BUND prüfe nunmehr | |
eine Klage gegen Hamburg. | |
Wenn der SPD-Senat nicht endlich im Sinne der Gesundheit seiner BürgerInnen | |
handele, drohe zusätzlich „ein Vertragsverletzungsverfahren der EU mit | |
millionenschweren Strafzahlungen“, sagt Jens Kerstan, Fraktionschef der | |
Grünen in der Bürgerschaft. „Das kann teuer werden.“ | |
25 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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