# taz.de -- Protest gegen VW: Der bezahlte Applaus | |
> Wo Greenpeace-Aktivisten gegen VW protestieren, warten schon die | |
> Gegendemonstranten. Offenbar kauft sich der Konzern die Fans ein. | |
Bild: In Star-Wars-Kostümen für Klimaschutz: VW-Kritiker in Dresden | |
Die Greenpeace-AktivistInnen baumeln an Drahtseilen vom Hamburger Congress | |
Center. Hier findet heute die Hauptversammlung von VW statt. Sie haben ihr | |
Banner mit dem Slogan „Ehrlicher Klimaschutz jetzt!“ noch nicht fertig | |
aufgehängt, da bekommen sie schon Besuch. | |
Junge Damen eilen die Treppe hinauf und halten Schilder in die Kamera, auf | |
denen „Saubere Autos für alle!“ und „1-Liter-Auto“ steht. Unten in der… | |
leuchtet das Logo von Volkswagen. Die Szene ist dokumentiert bei YouTube | |
und heißt dort „VW’s Reaktion auf Greenpeace-Forderung“. | |
Um den Konzern unter Druck zu setzen, der behauptet, „die Nummer eins in | |
Sachen Umweltschutz“ zu sein, nutzt Greenpeace die großen Automessen und | |
Konzern-Events. Doch überall, wo Greenpeace auftaucht, warten nun schon | |
VW-Fans. | |
Für die Hauptversammlung am 19. April 2012 hatte Greenpeace im Congress | |
Center schon Wochen vorher heimlich ein Transparent installiert, das sich | |
während der Rede von VW-Chef Martin Winterkorn abrollen sollte. | |
Doch durch ein Missgeschick fiel es zwei Wochen vorher von der Decke. Bei | |
einer Tanzshow hatten Bässe den Kontakt ausgelöst – und VW war vorgewarnt. | |
Mit einer E-Mail, die der taz vorliegt, heuerte ein Hostessenservice | |
Gegendemonstranten an. | |
## Bezahlter Gegenprotest | |
„Hallo Mädels und Jungs, für nächste Woche benötige ich für eine | |
Veranstaltung viel Personal. In Hamburg findet tagsüber die | |
Hauptversammlung von der Volkswagen AG statt. Volkswagen rechnet damit, | |
dass Greenpeace eine Demonstration vor den Toren der Location machen wird“, | |
schreibt eine Mitarbeiterin der Firma Baris Consulting. | |
„Dafür brauche ich 34 Personen, die im Falle einer Demo eine Gegendemo | |
demonstrieren“, heißt es weiter. „Wir werden uns deshalb während der | |
kompletten Veranstaltung in einem Raum aufhalten und warten, ob Greenpeace | |
demonstriert.“ Treffpunkt: sechs Uhr in der Agentur, Fahrt nach Hamburg mit | |
Autos von VW, Bezahlung zehn Euro die Stunde. „Bekleidung: Jeans und | |
Turnschuhe selber mitbringen, T-Shirt wird gestellt.“ | |
Doch vom bezahlten Gegenprotest will Volkswagen nichts wissen. „Der Inhalt | |
der E-Mail stammt weder von Volkswagen noch von einer von Volkswagen in | |
diesem Sinne beauftragten Agentur“, sagt ein Sprecher. | |
Volkswagen habe bei Aktionen von Greenpeace die eigene Position in der | |
Debatte nachdrücklich sichtbar gemacht. Dabei habe es sich grundsätzlich um | |
eigene Mitarbeiter oder um Menschen gehandelt, die die Volkswagen-Position | |
unterstützen. Baris Consulting schreibt, dass sie sich „zu dem genannten | |
Vorgang nicht äußern“. | |
## Besondere Verantwortung beim Klimaschutz | |
Seit 2011 fährt Greenpeace eine Kampagne gegen den größten Autohersteller | |
Europas, der sich anschickt, bis 2018 der größte der Welt zu sein. Die | |
Umweltschützer finden, dass VW mit seinem Marktanteil eine besondere | |
Verantwortung beim Klimaschutz hat: Gerade bei den Massenmodellen, die noch | |
in den nächsten zehn Jahren durch die Gegend rollen, bleibe der Konzern | |
weit hinter dem zurück, was technisch möglich und klimapolitisch nötig | |
wäre. | |
Greenpeace kritisiert, dass VW zwar immer wieder energieeffiziente | |
Vorzeigemodelle produziert, aber die technischen Standards nicht | |
serienmäßig in die Massenmodelle einbaut. So hatte der Golf VI mit der | |
eingebauten Bluemotion-Technik mit 99 Gramm CO2-Emissionen ganz gute Werte, | |
das Massenmodell hatte aber einen CO2-Wert von 149 Gramm. Und es gab zwar | |
eine 3-Liter-Version des Lupo, die der Konzern beworben hat, der Ökolupo | |
kostete damals aber 9.000 Mark mehr – und wurde kaum gekauft. | |
Die Slogans, die sich nun VW auf die Fahnen schreibt, hätten durchaus auch | |
von Greenpeace stammen können, sagt Karsten Smid, der Kampagnenleiter bei | |
Greenpeace. Die Luft in der Hauptzentrale ist stickig. Das Fenster, aus dem | |
man eigentlich direkt in die Elbe spucken könnte, wenn es sich denn öffnen | |
ließe, gibt den Blick frei über das Wasser und den Hafen. | |
Die Große Elbstraße in Hamburg, noch in den 1990ern mit ihren | |
Fischverarbeitungsbetrieben und dem Straßenstrich die Schmuddelecke der | |
Stadt, gilt heute als eine der teuersten Adressen bundesweit. Hier, in | |
bester Sahnelage, sitzt Greenpeace Deutschland. | |
## Wie die Jubelperser | |
Smid und Wolfgang Lohbeck, der Verkehrsexperte bei Greenpeace, sind mit | |
ihren Protestaktionen schon mehrmals auf den angeheuerten Gegenprotest | |
gestoßen. „Man erkennt die eigentlich ganz gut“, sagt Lohbeck etwas | |
hämisch. Weil ihre Transparente nichts taugen und im Blitzlicht kaum noch | |
lesbar sind. | |
Bei der Weltpremiere des Golf VII im September vergangenen Jahres hatten | |
die Gegendemonstranten praktisch das Gelände abgeschirmt, erzählen sie. So | |
konnten die geladenen Gäste mit ihren Autos hinter die Kette fahren und in | |
aller Ruhe aussteigen, bemerkt Smid. | |
Er musste bei diesem Bild an die Jubelperser denken, angeheuerte | |
Demonstranten, die den Schah bei dessen Berlinbesuch 1967 begeistert in | |
Empfang nahmen. „Die haben dann auch tatsächlich gejubelt, als Herr | |
Winterkorn ausgestiegen und über den roten Teppich gegangen ist“, sagt er. | |
Inzwischen hat sich auch bei den Autos von VW etwas getan, räumt | |
Verkehrsexperte Lohbeck ein. Aber auch das sei ein Fortschritt im | |
„Volkswagen-Stil“. Denn der Golf VII, den der Autobauer im vergangenen Jahr | |
präsentierte, hatte zwar einen CO2-Ausstoß von 85 Gramm – aber war im | |
Handel noch nicht erhältlich. Und Greenpeace konnte in einer Studie | |
nachweisen, dass er bei einem Verbrauch von drei Litern mit 80 Gramm CO2 | |
auskommen könnte. | |
## Tausch: Elektro-Autos gegen CO2-Schleudern | |
In Brüssel werden derzeit die CO2-Auflagen für Europas Autofirmen | |
verhandelt. Angepeilt ist ein CO2-Grenzwert von 95 Gramm, der bis 2020 | |
erreicht werden soll. Die deutsche Autolobby versucht die strikten | |
Grenzwerte aufzuweichen: So sollen Konzerne zum Beispiel Elektroautos | |
verrechnen können – um weiter Autos mit höheren CO2-Werten zu bauen. | |
Der VW-Konzern betont, der erste Autobauer zu sein, der sich jetzt auch | |
„offensiv“ zu den strengeren CO2-Zielen bekennt. Doch in einem Briefwechsel | |
zwischen EU-Energiekommissar Günther Oettinger und VW-Chef Martin | |
Winterkorn, der im Oktober öffentlich wurde, klang das noch anders. Aus | |
Furcht vor strengen Vorgaben hat sich Winterkorn an Oettinger gewandt. Der | |
wiederum versicherte Winterkorn, dass die Diskussion in Brüssel erst einmal | |
„ergebnisoffen“ geführt werde. | |
Im Februar teilte Volkswagen nun mit, dass der Konzern das Ziel anerkennt, | |
den CO2-Grenzwert bis 2020 auf 95 Gramm zu reduzieren. In einem | |
Spiegel-Interview nannte der VW-Chef Winterkorn die verschärften | |
Umweltziele aber auch „extrem ehrgeizig“. Außerdem erwarte er, dass bei der | |
Beurteilung der Reduktionserfolge auch Elektro- und Hybridautos | |
berücksichtigt würden. Greenpeace hingegen fordert strikte Grenzwerte und | |
hält 80 Gramm für technisch möglich. | |
Im April steht die nächste VW-Hauptversammlung an. Ob es auch da wieder | |
Proteste geben wird, ist noch offen. VW zeigt sich gesprächsbereit. Aber es | |
ist möglich, dass das nur Taktik ist – und Greenpeace davon abhalten soll, | |
die nächste Veranstaltung zu stören. | |
1 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
Lena Kaiser | |
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