| # taz.de -- Polizeigewalt in München: Kein Freund und Helfer | |
| > Um einen Streit zu schlichten, rief Teresa Z. die Polizei. Sie landete | |
| > mit einem Nasenbeinbruch im Krankenhaus. Der Polizist hat sich bis heute | |
| > nicht entschuldigt. | |
| Bild: Inzwischen sind ihre Verletzungen abgeheilt: Teresa Z. vergangene Woche i… | |
| MÜNCHEN taz | Ratlosigkeit trifft es wohl am besten, was Teresa Z. | |
| empfindet, wenn sie darüber nachdenkt, was ihr in den letzten Wochen | |
| widerfahren ist. Ratlosigkeit, aber auch Wut, Bedauern und ungläubiges | |
| Staunen. „Ich verstehe nicht, wie aus einer lächerlichen Kleinigkeit so | |
| eine enorme Welle werden konnte“, sagt die brünette junge Frau im | |
| Besprechungszimmer ihres Münchner Anwalts. Dann muss sie lachen, vermutlich | |
| weil sie nicht weiß, welche Reaktion sonst für ihre Geschichte angemessen | |
| ist. | |
| Die Kleinigkeit, von der sie spricht, war ein Streit mit ihrem Freund nach | |
| einer durchfeierten Nacht. Die Welle, die sie meint, ist ihr demoliertes | |
| Gesicht, das nun dazu geführt hat, dass der bayerische Innenminister | |
| innerhalb des Landeskriminalamtes ein neues Dezernat für interne | |
| Ermittlungen geschaffen hat. Seit die zierliche, nur 1,60 Meter große Frau | |
| die Polizei um Hilfe rief und sich am Ende des Tages mit gebrochener Nase | |
| und einem ziemlich mitgenommenen Auge im Krankenhaus wiederfand, wird | |
| deutschlandweit über Polizeigewalt diskutiert. | |
| Dafür sorgte wohl auch das Foto, das Teresa Z. im Krankenhaus mit dem Handy | |
| von sich schoss und das ihre Verletzungen zeigt. Aber erzählen wir die | |
| Geschichte von Anfang an. Oder besser: Die beiden Geschichten. Denn die | |
| Version von Teresa Z. und die der Polizei weichen stark voneinander ab. | |
| ## Der Freund war sauer | |
| Die 23-jährige Teresa Z. ist eine quirlige und lebenslustige Person. Wenn | |
| sie redet, tut sie das in ziemlich rasantem Tempo, mit lauter Stimme, | |
| begleitet von ausholenden Gesten. Die Mutter ist Grafikdesignerin, der | |
| Vater Cutter. Das sei ihr wichtig zu erwähnen, sagt sie. „Ich komme nicht | |
| aus einem Problemviertel, wie manche nach der Geschichte jetzt glauben.“ | |
| An einem Samstagabend Ende Januar feierte Teresa in großer Runde den | |
| Geburtstag eines guten Freundes. „Wir waren zwanzig Leute“, erinnert sie | |
| sich. „Wir sind mit sechs Taxis in den Club gefahren.“ Irgendwann zwischen | |
| sieben und acht Uhr morgens kam Teresa Z. nach Hause, ein bisschen bekifft | |
| vielleicht, aber ansonsten nüchtern, sagt sie. Als ihr Freund aufwachte, | |
| war er sauer. Um die Situation zu entschärfen, fuhren die beiden zu | |
| Freunden. Auch dort habe ihr Freund keine Ruhe gegeben, sagt Teresa Z. | |
| „Ich wusste, wenn mein Freund jetzt mit zu mir kommt, wird er weiter | |
| diskutieren wollen“, sagt die 23-Jährige. „Ich wollte aber nur ins Bett.“ | |
| Lauscht man Teresa Z.s Schilderung eine Weile, wird schnell klar, dass eine | |
| gehörige Portion Drama zu ihrem Beziehungskonzept gehört. „Ich kann gar | |
| nicht verstehen, dass manche Leute nie streiten.“ | |
| Dann aber tut Teresa Z. etwas, das sie wohl so schnell nicht wieder machen | |
| wird: Sie ruft die Polizei. „Ich wollte einfach nur, dass die kommen und | |
| meinen Freund ein bisschen aufhalten, sodass ich schnell in den Bus | |
| springen und ihm vom Fenster aus zuwinken kann.“ Wie Teresa Z. es | |
| darstellt, war es eine Kinderei, eine Art Machtspielchen. Zunächst läuft | |
| alles wie geplant: Ein Streifenwagen kommt, die beiden Beamten – ein Mann | |
| und eine Frau – reden mit den beiden und entspannen die Situation. | |
| Doch als Teresa sich verabschieden will, lässt man sie nicht gehen. „Die | |
| haben gesagt: Wir könnten nicht einfach so die Polizei rufen. Wir müssten | |
| mit auf die Wache und eine Aussage machen.“ Ein zweiter Streifenwagen wird | |
| gerufen. Im Polizeibericht wird später zu lesen sein, sie habe die | |
| Einsatzkräfte alarmiert, weil sie von ihrem Freund geschlagen, verfolgt und | |
| bedroht worden sei. Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer sagt später in | |
| einem Interview, Teresa habe sich „im Drogenrausch“ befunden. | |
| ## „Handy weg“ wurde sie angeschnauzt | |
| „Ich wollte vom Wagen aus meiner Mutter eine SMS schreiben, um eine | |
| Verabredung mit ihr abzusagen“, berichtet sie. Doch das wollten die beiden | |
| Streifenpolizisten nicht. „Handy weg“, habe sie der Fahrer des Wagens | |
| angeschnauzt und wollte ihr das Mobiltelefon entreißen. Eine Rangelei | |
| beginnt. | |
| Als Teresa das Mobiltelefon schließlich an einer roten Ampel an sich reißt | |
| und die Wagentür zu öffnen versucht, geht plötzlich alles ganz schnell. Der | |
| Fahrer springt aus dem Wagen und reißt ihre Tür auf, drückt ihren Kopf nach | |
| unten in den Fußraum und fesselt ihre Hände mit Handschellen hinter dem | |
| Rücken. Der Beamte neben ihr lehnte sich mit großem Druck auf ihren Rücken, | |
| sagt sie. Teresa Z. sei auf der Fahrt zur Dienststelle ausgerastet, lautet | |
| die Version der Polizei. Erst nachdem sie gefesselt worden sei, gaben die | |
| Polizisten später zu Protokoll, konnte die Fahrt fortgesetzt werden. | |
| Teresa Z. bestreitet nichts davon. „Ich habe die aufs Übelste beschimpft“, | |
| gibt sie zu, „und ich habe auch ordentlich um mich getreten, aber ich bekam | |
| keine Luft, und wenn ich keine Luft bekomme, dann gerate ich in Panik“, | |
| fügt sie erklärend an. | |
| Auf der Polizeistation 21 in der Au wird der Streifenwagen bereits | |
| erwartet. Die gefesselte junge Frau wird fluchend in eine Zelle gebracht | |
| und auf eine Pritsche gelegt. Weil sie sich weiter wehrt, halten sie zwei | |
| Beamte an Füßen und Schultern fest, während ein Dritter über ihr lehnt und | |
| sie mit dem Ellenbogen auf die Liege drückt, so die Schilderung der jungen | |
| Frau. „Ich wollte, dass mich die loslassen“, sagt sie heute immer wieder. | |
| Weil ihr Geschrei nichts nützte, habe sie den über sie gebeugten Polizisten | |
| schließlich angespuckt. Der holte aus und schlug ihr mit der Faust ins | |
| Gesicht. Zweimal kurz hintereinander, sagt Teresa Z. Einmal, sagt der | |
| Polizist. Aus Notwehr, gab er zu Protokoll. Die junge Frau habe randaliert | |
| und ihm einen Kopfstoß versetzen wollen. Was davon stimmt, wird ein Richter | |
| klären müssen. Teresa Z. hat Anzeige wegen Körperverletzung gegen ihn | |
| erstattet. | |
| ## Einmal oder zweimal zugeschlagen? | |
| Auch die Polizei hat Teresa Z. bereits zuvor angezeigt: wegen | |
| Beamtenbeleidigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung. | |
| Für ihren Anwalt Franz Erlmeier steht fest: „Die Darstellung ist absurd. | |
| Wir haben das nachgestellt. Das geht überhaupt nicht.“ | |
| Tatsächlich ist schwer vorstellbar, wie es dieser Frau, die etwa 50 Kilo | |
| wiegt, mit am Rücken gefesselten Händen, dem Gesicht zur Wand auf einer | |
| Pritsche liegend und von drei Beamten festgehalten, gelungen sein soll, | |
| einen Kopfstoß auszuführen, der eine ernstzunehmende Verletzungsgefahr | |
| bedeutet hätte. Im Krankenhaus stellen die Ärzte einen Nasenbeinbruch, der | |
| operativ behandelt werden muss, einen Bruch der rechten Augenhöhle und eine | |
| Hornhautverletzung fest. Doch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. | |
| Gut drei Wochen später, am Faschingsdienstag, klingeln mehrere Beamte an | |
| Teresas Wohnungstür, weil ein Nachbar angeblich Hilferufe aus der Wohnung | |
| gehört habe. Die junge Frau kann darüber nur verwundert den Kopf schütteln. | |
| „Ich habe alle Nachbarn gefragt“, sagt sie. „Keiner hat die Polizei | |
| gerufen.“ Die Polizei behauptet, man habe erst in der Wohnung festgestellt, | |
| dass es sich um Teresa Z. handelt. Der Nachbar sei namentlich bekannt. | |
| Drei Tage später kommen die Polizisten mit einem Durchsuchungsbefehl | |
| wieder, um „Beweise im Strafverfahren“ gegen die junge Frau zu sichern. | |
| Morgens um 6.15 Uhr versuchen sie, das Sicherheitsschloss mit einem Bohrer | |
| zu öffnen, bis Teresa ihnen, von den Geräuschen wach geworden, die Türe | |
| öffnet. In der Wohnung stellen die Polizisten „Drogenutensilien“ fest, wie | |
| es später im Bericht heißt. „Blättchen und einen Mörser, um Gras zu | |
| zerkleinern“, sagt Teresa. „Legal gekauft.“ Dann muss sie mit in die | |
| Rechtsmedizin, wo man von ihr Haare für einen Drogentest nimmt. Für | |
| Rechtsanwalt Erlmeier steht fest: „Die Polizei will Teresa in eine Ecke | |
| stellen, sie als paranoid und drogensüchtig erscheinen lassen.“ | |
| ## Das LKA leitet nun die Ermittlungen | |
| Einen politischen Erfolg hat Teresa Z. mittlerweile erzielt. Am vergangenen | |
| Donnerstag gab Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bekannt, dass | |
| künftig das LKA die internen Ermittlungen gegen Polizeibeamte leiten soll. | |
| Ursprünglich wäre Polizeipräsident Schmidbauer, der sich im Interview | |
| schützend vor seine Beamten gestellt hatte, für die internen Ermittlungen | |
| zuständig gewesen. Teresa Z.s Anwalt wertet das als Erfolg. | |
| Auch innerhalb der Polizei hat die Mediendebatte eine Diskussion ausgelöst, | |
| sagt LKA-Pressesprecher Detlef Puchelt. Der Eindruck, „die gesamte | |
| bayerische Polizei scheint nur aus prügelnden Beamten zu bestehen“, sei | |
| aber zu undifferenziert. „Die Beamten, die sich sauber verhalten haben, | |
| fühlen sich gehörig auf den Schlips getreten“, sagt er. „Und die, die sich | |
| nicht sauber verhalten haben, werden zur Verantwortung gezogen.“ | |
| Teresa Z. selbst wundert sich nach wie vor, über all das, was ihr in den | |
| letzten Wochen wiederfahren ist. „Ich finde es schon erstaunlich“, sagt sie | |
| und macht ein sehr ernstes Gesicht. „Ich habe gleich nach der ganzen Sache | |
| kapiert, dass ich mich falsch verhalten habe.“ Die Polizisten zu beleidigen | |
| und den Beamten anzuspucken, sei nicht richtig gewesen. Dafür wolle sie | |
| sich gerne entschuldigen. „Aber der Beamte, der mich geschlagen hat, sieht | |
| immer noch nicht ein, dass er einen Fehler gemacht hat.“ | |
| 6 Mar 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Marlene Halser | |
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