Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Geplante neue Spieleverordnung: Alle Seiten fühlen sich im Pech
> Eine neue Spieleverordnung soll das Glücksspiel eindämmen. Die Industrie
> läuft Sturm. Doch Suchtexperten geht sie nicht weit genug.
Bild: Glücksspielautomaten machen selten reich, doch oft süchtig.
BERLIN taz | Als „Katastrophe für die Branche“ bezeichnete Deutschlands
Spielautomaten-König, der Großunternehmer Paul Gauselmann, vor wenigen
Tagen die geplante neue Spielverordnung, nachdem ein Entwurf aus dem
FDP-geführten Wirtschaftsministerium bekannt geworden war.
Suchtexperten sehen das ganz anders. „Die geplante Änderung ist ein
Geschenk der FDP an die Automatenindustrie“, findet die Vorsitzende des
Fachverbands Glücksspielsucht, Ilona Füchtenschnieder. „Der Spielerschutz
wird nur marginal verbessert“, sagte sie der taz. Sie hofft, dass die
Bundesländer dem Vorschlag nicht zustimmen.
Zuletzt wurde die Spieleverordnung im Jahr 2006 geändert. Seitdem hat die
Zahl der Automaten – und der jungen Spielsüchtigen – rasant zugenommen. Gab
es laut Wirtschaftsministerium bis 2006 nur 183.000 Geräte, seien es heute
etwa 240.000. Von 2007 bis 2011 soll sich die Zahl der süchtigen Frauen
zwischen 18 und 20 Jahren verdoppelt, bei den Männern sogar verdreifacht
haben.
## Weniger Automaten in Gaststätten
Die neue Verordnung sieht deshalb auch Einschränkungen vor: so soll in
Gaststätten künftig nur noch ein Spielautomat stehen dürfen. Es gibt aber
Ausnahmen: So sollen weiterhin drei Automaten erlaubt sein, wenn etwa der
Besuch von Minderjährigen ohne ihre Erziehungsberechtigten „nicht zu
erwarten“ sei, heißt es in dem Entwurf – etwa an Autobahnraststätten.
Das Wirtschaftsministerium rechnet damit, dass sich die Zahl der Geräte in
Gaststätten durch die neue Verordnung halbieren könnte. Die
Automatenwirtschaft warnt, die Spieler würden dadurch in Hinterzimmer oder
ins Internet verdrängt. Dort gebe es noch weniger soziale Kontrolle der
Süchtigen.
Der Fachverband Glücksspielsucht dagegen würde Automaten am liebsten nur
noch in Spielhallen erlauben. „Der Jugendschutz ist in Gaststätten oft
nicht gewährleistet“, sagt Ilona Füchtenschnieder. „Häufig sind die Ger�…
so aufgestellt, dass der Gastwirt sie gar nicht sehen kann.“ Ihrem
Fachverband gehören Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen und
Rehabilitationseinrichtungen sowie Wissenschaftler und Therapeuten an.
## Suchtexperten stört das Punktespiel
Suchtexperten ärgert auch das sogenannte Punktespiel, das weiter erlaubt
bleiben soll. Derzeit dürfen am Automaten maximal zwei Euro pro Spiel
gewonnen werden – bei einem Einsatz von 20 Cent. „Bei dem Punktespiel ist
der Trick, dass Sie in einem Spiel 100.000 Punkte gewinnen können, was
einem Gegenwert von 1.000 Euro entspricht“, erläutert Gerhard Meyer,
Professor an der Fachstelle Glücksspielsucht der Universität Bremen.
„Anschließend werden die Punkte automatisch alle fünf Sekunden durch ein
neues Spiel in Geld umgewandelt.“ Diese Mindestdauer von fünf Sekunden pro
Spiel ist gesetzlich vorgeschrieben. Mit dem Punktespiel werde „ein kleines
Vermögen als Gewinn in Aussicht gestellt“, kritisiert Meyer. „Das erhöht
das Suchtpotenzial.“
Auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, teilt
diese Kritik. Die FDP-Politikerin konnte sich aber nicht gegen ihre
Parteikollegen durchsetzen – am Entwurf der neuen Verordnung waren
Wirtschaftsminister Philipp Rösler und Gesundheitsminister Daniel Bahr
beteiligt.
Die Automatenindustrie ist um gute Beziehungen zur Politik bemüht. Im Jahr
2011 wurde bekannt, dass mehrere Mitarbeiter von Deutschlands größtem
Glücksspielautomatenhersteller, der Gauselmann-Gruppe, an FDP, CDU, CSU und
SPD größere Summen unter 10.000 Euro gespendet hatten.
11 Mar 2013
## AUTOREN
Felix Werdermann
## TAGS
Glücksspiel
Automaten
Politik
Industrie
Berlin
Glücksspiel
Automaten
Glücksspiel
China
## ARTIKEL ZUM THEMA
Casinos in Berlin: Ausgespielt
Spielhallen gelten als Zeichen des Niedergangs. In Berlin dominieren sie
ganze Viertel. Das soll sich ändern, drei von vier Casinos sollen
verschwinden.
Verbote für Internet-Glücksspiele: Geldströme stoppen
Mehr als 100 Internetangebote für Glücksspiele haben die Bundesländer im
vergangenen Jahr verboten. Viele Anbieter sitzen in Steueroasen.
Glücksspiel in Deutschland: Weniger Spielautomaten in Kneipen
Der Bundesrat stimmt am Freitag über Röslers Glücksspielnovelle ab. Das
Ergebnis ist offen. Suchtexperten fordern drastische Maßnahmen.
Politik und Spielautomaten-Industrie: Ziemlich beste Partner
Die FDP war mit dem Glücksspielunternehmen Gauselmann stets gut verbandelt.
Jetzt bemüht sie sich um Distanz.
Suchtbekämpfung: Im Café wird noch gezockt
Das Spielhallengesetz soll das Glücksspiel aus den Kiezen drängen. Doch
Casinos tarnen sich als Cafés und umgehen das Gesetz.
Kasino-Hochburg Macao boomt: Unter Zockern
Jahrzehntelang war Macao ein verschlafenes Fischerstädtchen. Das änderte
sich, als Portugal seine Kronkolonie an China zurückgab.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.