# taz.de -- Suchtbekämpfung: Im Café wird noch gezockt | |
> Das Spielhallengesetz soll das Glücksspiel aus den Kiezen drängen. Doch | |
> Casinos tarnen sich als Cafés und umgehen das Gesetz. | |
Bild: Drücken und hoffen, dass es klingelt. | |
Das strengste Spielhallengesetz Deutschlands, das vor etwas mehr als | |
anderthalb Jahren vom Senat verabschiedet wurde, reicht offenbar nicht aus, | |
um die Glücksspielsucht einzudämmen. „Neue Spielhallen werden fast nicht | |
mehr eröffnet“, sagt zwar Daniel Buchholz, der sich für die SPD im | |
Abgeordnetenhaus für das Thema starkmacht. Auch die Zahl der Automaten sank | |
2012 das erste Mal seit Jahren. Automaten aber stehen nicht nur in den | |
Spielhallen – sondern die Mehrzahl findet man in Gaststätten und Cafés, in | |
denen das Gesetz nicht gilt. Nach Bundesrecht dürfen dort bis zu drei | |
Geldspielgeräte aufstellt werden. Nach einer Hochrechnung der | |
Senatsfinanzverwaltung standen letztes Jahr rund 5.000 Automaten in Berlins | |
Spielhallen – und rund 5.700 Spielautomaten in zahllosen Gaststätten und | |
Cafés. | |
Das Berliner Spielhallengesetz sollte das Geschäft mit den Automaten | |
unattraktiv machen: Die Automaten sollten weniger werden, zwischen drei und | |
elf Uhr früh müssen die Spielstätten geschlossen sein, außerdem muss das | |
Personal zum Thema Sucht geschult werden. Und schließlich wurde die | |
Vergnügungssteuer von 11 auf 20 Prozent fast verdoppelt. | |
Nun jedoch eröffnen neben den Spielhallen immer häufiger sogenannte | |
Casino-Cafés mit drei Spielautomaten. Meist gibt es eine kleine Theke, die | |
den Anschein erwecken soll, dass es sich um ein Café handelt. Faktisch aber | |
geht es darum, mit den Automaten Geld zu verdienen. Buchholz interpretiert | |
das als Ausweichbewegung der Spielhallenbetreiber: „Die meisten betreiben | |
mehrere Etablissements. Jetzt haben sie das Problem, dass sie ihr Geschäft | |
nicht ausweiten können, und eröffnen diese Cafés.“ | |
Manche der Cafés schließen die ganze Nacht nicht, eine Eröffnung ist | |
einfach: Solange kein Alkohol ausgeschenkt wird, ist keine Erlaubnis | |
erforderlich. Für die Automaten muss lediglich eine sogenannte | |
Geeignetheitsbescheinigung beim Ordnungsamt beantragt werden. | |
In den Cafés beginnen Spielerkarrieren – manchmal schon bei Kindern. Das | |
beobachtet der Sozialpädagoge Hakan Aslan, der in Kreuzberg Jungen betreut. | |
Während Spielhallen erst gar nicht von Minderjährigen betreten werden | |
dürfen, schaue in den Kneipen und Cafés oft keiner hin. „Ich kenne Fälle, | |
bei denen Azubis ihr gesamtes Gehalt in der ersten Woche des Monats | |
verspielen. Die Folge sind Verschuldung und Kriminalität“, sagt Aslan. „Und | |
was ich hier bei den Minderjährigen beobachte, nimmt problematisch zu.“ | |
Wie wenig Interesse die Betreiber der Cafés und Spielhallen daran haben, | |
sich an die Regeln zu halten, zeigt eine aktuelle kleine Anfrage an die | |
Senatsverwaltung. LKA und Ordnungsämter haben im September Razzien in 104 | |
Spielstätten durchgeführt, mehr als die Hälfte waren Café-Casinos oder | |
Gaststätten. Bei mehr als 93 Prozent der Spielstätten gab es Verstöße, | |
insgesamt wurden 390 Ordnungswidrigkeiten und 21 Straftaten festgestellt. | |
Dirk Lamprecht, Interessenvertreter der Automatenwirtschaftsverbände, wirft | |
dem Senat vor, zu wenig Kontrollen gegen die inoffiziellen Spielstätten | |
durchzuführen. „Wir wollen keinen Wildwuchs“, sagt er: Das Gesetz würde | |
zugelassene Spielhallenbetreiber gegenüber den Café-Casinos benachteiligen. | |
Die Ordnungsämter der Bezirke könnten gegen die Cafés vorgehen, wenn dort | |
der Eindruck entsteht, dass das Glücksspiel im Vordergrund steht. Dann kann | |
die „Geeignetheitsbescheinigung“ für die Automaten entzogen werden. CDU und | |
SPD haben im Abgeordnetenhaus kürzlich zumindest zwei gemeinsame Anträge | |
eingebracht, der strengere Kontrollen fordert. Sie sollen in den nächsten | |
Wochen behandelt werden. | |
Im Juni kommt zudem der nächste Einschnitt auf die großen Spielhallen zu. | |
Dann ist die Übergangsfrist für die Reduzierung der Spielautomaten | |
abgelaufen; die Anzahl der Geräte muss dann pro Spielhalle auf maximal acht | |
reduziert werden. Die Frage ist, was mit den übrigen Automaten passiert. | |
Café-Casinos, so manche Vermutung, könnten dann wie Pilze aus dem Boden | |
schießen – damit die Betreiber mit den Automaten auch weiterhin Geld | |
verdienen können. | |
13 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Martin Rank | |
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