# taz.de -- Filmstart „Immer Ärger mit 40“: Nostalgie sticht iPod | |
> Fern der Komödiendramaturgie: Judd Apatows neuer Film „Immer Ärger mit | |
> 40“ verhandelt Mittelschichtsneurosen, in wunderbar leichtfüßige Dialoge | |
> gekleidet. | |
Bild: Übervertraut: das Ehepaar Debbie und Pete. | |
„You’re supposed to give me a surprise gift“, sagt Debbie (Leslie Mann) zu | |
Pete (Paul Rudd). Ein Überraschungsgeschenk, das nicht nur erwartet, | |
sondern regelrecht gefordert wird, ist selbstverständlich keines. | |
Sondern ein Symptom einer paradox durchgeplanten Spontaneität, die eine | |
Beziehung aufrechterhalten soll, welche sich zwar nach wie vor auf die | |
gute, alte Liebe beruft, aber in Routine und Übervertrautheit, zum Beispiel | |
mit den Hämorrhoiden des Partners, zu erstarren droht. Richtig gefährlich | |
wird es, wenn der Ehemann, wie in diesem Fall, nicht einmal mehr auf | |
durchgeplante Art spontan sein kann. | |
„Immer Ärger mit 40“ (der deutsche Titel ist eine ungelenke | |
Simplifizierung, im Original heißt es eleganter und anspielungsreicher | |
„This Is 40“) folgt dem Alltag einer amerikanischen Mittelklassefamilie | |
über den Verlauf einer Woche. Die beiden Geburtstage der Eltern fungieren | |
als absichtsvoll lose Klammer um eine Vielzahl kleinerer Handlungsstränge, | |
die in der wunderbar leichtfüßigen, improvisiert wirkenden Dialogfolge oft | |
nur angerissen werden und die man nicht so ohne weiteres unter ein | |
dominantes Masternarrativ oder auch nur unter eine kohärente Stimmungslage | |
subsumieren kann. | |
## Keine klassische Komödiendramaturgie | |
Regisseur und Produzent Judd Apatow, dessen Filme schon immer stets etwas | |
mehr an ihren Figuren als an Erzählökonomien interessiert waren, entfernt | |
sich mit „Immer Ärger mit 40“ weiter denn je von der klassischen | |
Komödiendramaturgie. | |
Manchmal schlägt diese strukturelle Freiheit für den Zuschauer auf | |
sonderbare Art in ihr Gegenteil um, vielleicht weil sie das Beengende an | |
der Welt, von der der Film erzählt, die mit viel Aufwand errichteten | |
Selbstgefängnisse des bourgeoisen Individuums, ungefiltert und in ihrer | |
ganzen Perfidie zur Geltung kommen lässt. Besonders gilt das für die | |
Mutter, für die zwangsfröhliche, dauernervöse Blondine Debbie (Leslie | |
Mann), die gleich zu Beginn ihren Geburtstag nur verschämt und unter | |
Verleugnung ihres tatsächlichen Alters feiert. | |
Pete hat dagegen vergleichsweise leichtes Spiel, nicht nur weil man Paul | |
Rudd und dessen Hundeblick ohnehin nicht auf Dauer böse sein kann. Sondern | |
auch weil der Betreiber eines zunehmend erfolglosen Oldie-Labels bei jeder | |
Gelegenheit einer melancholischen Nostalgie verfällt, in die man sich viel | |
leichter einfühlen kann als in die penetrante, iPod-seelige, mit | |
HipHop-Rhythmen unterlegte Zeitgenossenschaft, die Debbie lebt. | |
Man braucht nicht viel Fantasie, um zu erkennen, dass Paul Rudd für Apatow | |
selbst einsteht: Leslie Mann ist im echtem Leben die Frau des Regisseurs, | |
Maude und Iris Apatow, die beiden Kinder des Paars, spielen Sadie und | |
Charlotte, die Töchter Debbies und Petes. Zumindest die ältere, Sadie, ist | |
eine tolle Figur: ein ein wenig nerdiges, besserwisserisches | |
Teenie-Mädchen, dessen Coolness immer dann komplett in sich zusammenbricht, | |
wenn es um die Fernsehserie „Lost“ geht, zu der sie ein „sehr persönlich… | |
Verhältnis“ pflegt. | |
Wie in früheren Werken des Regisseurs durchdringt das Familiäre den | |
gesamten Film. Die Familie, das ist bei Apatow zuerst ein Modus der | |
gegenseitigen Zugewandtheit, eher eine Wahlverwandtschaft und nicht von | |
Blutsbanden determiniert. Albert Brooks zum Beispiel spielt zwar vorderhand | |
Petes leiblichen Vater; fast wichtiger ist aber, dass der Komiker – ein | |
großer Chronist (jüdisch-)amerikanischer Mittelklasse-Neurosen – durch | |
diese großartige Rolle als popkultureller Ziehvater der Apatow-Welt | |
erkennbar wird. | |
Dazu treten zahlreiche alte (Jason Segel als Suburb-Stecher) und neue | |
(„Transformers“-Sternchen Megan Fox) Mitglieder des erweiterten | |
Apatow-Clans. | |
Am wenigsten interessieren bei all dem die finanziellen Schwierigkeiten der | |
in einem ausladenden Eigenheim über ihre Verhältnisse lebenden, andauernd | |
einander in fetten Autos durch die Gegend kutschierenden Protagonisten. | |
Soweit der Film nicht von zwischenmenschlichen, sondern von ökonomischen | |
Spannungen zu sprechen behauptet, bleibt alles an ihm Klischee. | |
In gewisser Weise ist das schon ein Problem des Films; aus einer anderen | |
Perspektive aber einfach nur eine natürliche Grenze der grundhumanistischen | |
Methode Apatows, für die das allzumenschliche Detail stets schwerer wiegt | |
als das abstrakte Ganze. | |
„Immer Ärger mit 40“. Regie: Judd Apatow. Mit Paul Rudd, Leslie Mann u. a. | |
USA 2012, 134 Min. | |
13 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Lukas Foerster | |
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