# taz.de -- Filmstart „Das ist das Ende“: Nerds, Neurosen, Nahtoderfahrung | |
> Die Komödie von Seth Rogen und Evan Goldberg feiert Hauseinweihung und | |
> Weltuntergang. Die Backstreet Boys sind auch dabei. | |
Bild: Seth Rogen (vorn), Jay Baruchel (auf seinem Rücken) und Craig Robinson f… | |
Komiker haben ein problematisches Verhältnis zur Öffentlichkeit. Ständig | |
wird von ihnen erwartet, dass sie etwas Komisches von sich geben. Lästiger | |
noch: Sie müssen jederzeit für einen Witz auf eigene Kosten gewappnet sein. | |
„Hey, Seth Rogen“, ruft ein Passant am Anfang von „Das ist das Ende“ Ro… | |
zu. „Du spielst in jedem Film dieselbe Rolle. Wann fängst du mal an zu | |
schauspielern?“ | |
Sein Kumpel Jay Baruchel hat dieses Problem nicht. Die Menschen auf der | |
Straße kennen ihn möglicherweise aus der romantischen Komödie „Zu scharf um | |
wahr zu sein“. Seine übrigen Kinorollen sind prädestiniert dafür, ihn immer | |
gerade mit einem anderen, etwas berühmteren Kollegen zu verwechseln. | |
Rogen und Baruchel sind beste Kumpels, im Film, aber, davon kann man | |
ausgehen, auch im wahren Leben, denn es verbindet sie etwas, was man als | |
Leitthema von „Das ist das Ende“ – einem Film über professionell komische | |
Menschen in einer genuin humorlosen Branche – bezeichnen könnte. | |
Rogen war einer der Hauptcharaktere in Judd Apatows Highschool-Serie | |
„Freaks and Geeks“, Baruchel spielte in Apatows College-Serie „Undeclared… | |
den von Selbstzweifeln geplagten Nerd (die gereifte Form des Geeks). Rogen | |
und Baruchel gehören also zum informellen Netzwerk, das als „Apatow Family“ | |
in den letzten zehn Jahren die amerikanische Komödie generalüberholt hat. | |
## Kiffen, Videospiele, Schwanzwitze | |
„Das ist das Ende“ hat den Charakter eines Klassentreffens. Rogen und | |
Baruchel wollen ein gemeinsames Wochenende verbringen, so wie früher, das | |
heißt: kiffen, Videospiele, Schwanzwitze. Und weil James Franco, wie Rogen | |
ein Veteran aus „Freaks and Geeks“, am selben Wochenende zufällig eine | |
Party in seinem geschmackvollen Hollywood-Domizil schmeißt, entscheidet man | |
sich für einen kurzen Abstecher – sehr zum Unwillen von Baruchel, denn auf | |
Francos Party geben sich die Stars der neuen amerikanischen Komödie die | |
Klinke in die Hand: Jason Segal, Jonah Hill, Michael Cera, Danny McBride, | |
Paul Rudd. | |
So viele witzige Jungs auf einem Haufen, das kann natürlich nicht gut | |
gehen, obwohl Jonah Hill seine passiv-aggressiven Anflüge (zunächst) gut im | |
Griff hat. Nur Michael Cera geht im Badezimmer mit Bergen von Koks und zwei | |
Groupies steil. Es kommt dann aber noch einmal ganz anders. Unvermittelt | |
tut sich vor Francos Haus das Tor zur Hölle auf, und plötzlich trennt die | |
überlebenden Witzfiguren der Apatow-Familie vom Rückfall in die Barbarei | |
nur ein feines Firnis aus, nun ja, Schwanzwitzen und „schwuler Panik“, die | |
situativ in verzagte Intimität umschlägt. | |
## In der Hölle der Selbstbezüglichkeit | |
Man könnte auch sagen, dass sich das Autoren- und Regie-Gespann Seth Rogen | |
und Evan Goldberg in der Hölle der Selbstbezüglichkeit gemütlich | |
eingerichtet hat. „Das ist das Ende“ ist in gewisser Hinsicht ein | |
Realitäts-Check der neuen amerikanischen Komödie und ihres Personals. | |
Franco hat sich in den vergangenen Jahren eine veritable Karriere abseits | |
der „Bromantic Comedy“ aufgebaut, seine Loyalität mit „Ananas Express“… | |
der Ritter-Farce „Your Highness“ aber immer wieder unter Beweis gestellt. | |
Rogens Versuche außerhalb der eigenen Komfortzone („The Green Hornet“) | |
waren dagegen nur mäßig erfolgreich. „Your Highness“ und „The Green Hor… | |
werden dann auch – genauso wie Francos prätentiöse Ambitionen in der | |
bildenden Kunst – zur Zielscheibe des Spotts, während Hill seine | |
Oscar-Nominierung für „Moneyball“ ins Nachtgebet einschließt. | |
Man hat es in „Das ist das Ende“ also mit einem Haufen selbstverliebter | |
Gockel zu tun, die in der Person von Danny McBride noch einmal zu absoluter | |
Hässlichkeit und Niedertracht überzeichnet werden. Baruchel übernimmt mit | |
seinem ironischen Skeptizismus die Funktion der Ultima Ratio, aber | |
letztlich liefert natürlich auch er nur eine Replik auf sein Leinwand-Image | |
ab. So bedient der Film eine perverse Faszination für das Leben im | |
Celebrity-Kult – was Sofia Coppola in ihrem kommenden Film „The Bling Ring�… | |
ungleich süßer, aber weit weniger selbstreflektiert löst. | |
Rogen, Franco, Hill und McBride müssen hingegen ausbaden, was sie sich über | |
Jahre selbst eingebrockt haben. „Das ist das Ende“ ist insofern ein | |
programmatischer Titel, als dass er möglicherweise auf einen absterbenden | |
Evolutionsarm der neuen amerikanischen Komödie verweist, es vorher aber | |
noch einmal richtig krachen lässt. | |
Dem Bösen gerade so von der Schippe gesprungen, tanzt die Apatow-Boygroup | |
am Ende mit Heiligenschein eine Choreografie mit den in die Jahre | |
gekommenen Backstreet Boys. Schwer zu sagen, wer bei dieser Darbietung | |
älter aussieht. | |
8 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Andreas Busche | |
## TAGS | |
Komödie | |
James Franco | |
Kino | |
Film | |
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