# taz.de -- Kolumne Taschengeld: Westmark versenkt | |
> Ich war jung, er sogenannter Finanzberater. Damals wollte er mein Geld, | |
> jetzt sitzt er in Jauchs Talkshow: Ein Wiedersehen mit Carsten | |
> Maschmeyer. | |
Bild: Die Haut spannt im Scheinwerferlicht: Carsten Maschmeyer. | |
Vor einer Woche habe ich Carsten Maschmeyer wiedergesehen. Wir hatten in | |
den Neunzigern geschäftlich miteinander zu tun. Ich gab ihm Geld, er | |
versenkte es. So sah es der Vertrag zwischen mir, einer naiven | |
Mittzwanzigerin aus dem Osten, und ihm, dem schnauzbärtigen AWD-Chef, vor. | |
Sieben Jahre lief das so: Am Monatsersten zog Carstens | |
Finanzdienstleistungsunternehmen 100 Westmark ein. Zum Jahresende erhielt | |
ich einen Brief, in dem sinngemäß stand, alles laufe immer schlechter – | |
deshalb sei es wieder nichts geworden mit den 7 Prozent Zinsen. | |
Nun also sah ich ihn. Er saß bei Günther Jauch in der Talkshow, es ging um | |
die Gehaltshöhe für Manager und Aufsichtsräte. Wir waren beide älter | |
geworden. Carsten aber hatte sichtlich was für sein Äußeres getan. Er hatte | |
den Bart abrasiert, seine glatte Gesichtshaut spannte im Scheinwerferlicht. | |
Die Ohren, dachte ich, saßen die damals schon so weit hinten? | |
Zum Thema Managergehälter trug er zwei schöne Sätze bei: „Wo | |
Ausnahmeleistungen möglich sind, muss auch ausnehmend bezahlt werden | |
können.“ Sowie: „Wenn Manager ein tolles Produkt entwickeln, das sich gut | |
verkauft, sollen sie auch entsprechend entlohnt werden.“ Ganz der Alte. | |
Ach schön, dass ich nicht mehr sauer bin. Anders als bei Vertragsende. Nach | |
den sieben Jahren Laufzeit hatte ich von Carstens AWD weniger Geld | |
zurückbekommen, als ich eingezahlt hatte. Ich schrieb einen Brief, in dem | |
ich den AWD allgemein unflätig beschimpfte, aber nicht das Naheliegende tat | |
– mit rechtlichen Schritten zu drohen oder sie zu gehen. Jahre später | |
erfuhr ich, dass der AWD Tausende Kleinsparer über den Löffel gezogen | |
hatte. Heute weiß ich: Ich kann froh sein, überhaupt Geld zurückbekommen zu | |
haben. | |
Von den 7.000 Mark kaufte ich einen gebrauchten Renault, dessen Zahnriemen | |
nach zwei Monaten riss. Ich zahlte 2.000 Mark Reparaturkosten und verbuchte | |
das Ganze als Lehrstunde in „Einführung in die politische Ökonomie des | |
Kapitalismus“. Möglicherweise, dachte ich, hatten die | |
Marxismus-Leninismus-Dozenten in Ostberlin doch recht damit gehabt, dass | |
dem Kapitalisten der Mensch wurscht sei, solange er brav der Vermehrung des | |
Kapitals diene. | |
Nie, nie wieder würde ich mir, erstens, einen Renault kaufen. Oder, | |
zweitens, einen sogenannten Finanzberater in meine Wohnung lassen, um einen | |
50 Seiten starken „Finanzoptimierungsplan“ zur Unterschrift vorgelegt zu | |
bekommen. Sogar Maschmeyer hat seinen AWD verkauft. Sein Vermögen wird auf | |
650 Millionen Euro geschätzt. | |
16 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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