# taz.de -- Städtebauer wird chinesischer Premier: Die Arbeit an der Gesellsch… | |
> Chinas Premierminister Li Keqiang soll dem Land zu einem neuen | |
> Wachstumsmodell verhelfen. Sein Rezept: Mehr Urbanisierung und sozialer | |
> Ausgleich. | |
Bild: Der neue chinesische Premierminister verspricht noch mehr Investitionen i… | |
PEKING taz | Mit nur sechs Enthaltungen und drei Gegenstimmen haben die | |
knapp 3.000 Delegierten des Nationalen Volkskongresses den 57-jährigen Li | |
Keqiang am Freitag zu Chinas neuen Premierminister [1][gewählt]. Seine Wahl | |
zum Regierungschef der Volksrepublik hatte ein enger Führungszirkel | |
innerhalb der KP-Führung schon vorher unter sich [2][ausgemacht]. Sie war | |
nur noch Formsache. | |
Und doch ist Li einer der wenigen, der nicht an die Regierungsspitze kommt, | |
weil er über beste familiäre Beziehungen innerhalb der Pekinger KP-Elite | |
verfügt – wie etwa das neue Staatsoberhaupt Xi Jinping, der am Donnerstag | |
inthronisiert wurde. Auch in den internen Fraktionskämpfen gilt Li als | |
wenig vorbelastet. Auf ihn konnten sich alle Seiten vor allem aufgrund | |
seines Programms einigen. | |
Schon als Doktorand hatte sich der studierte Jurist und Ökonom intensiv mit | |
der Frage beschäftigt, wie die schon damals existierende Kluft in China | |
zwischen den reicheren Menschen in der Stadt und den ärmeren auf dem Land | |
geschlossen werden könnte. | |
Inzwischen ist das Gefälle sehr viel größer geworden, eines der größten auf | |
der ganzen Welt. Lis Rezept: Damit die Landbevölkerung über einen ähnlichen | |
Wohlstand verfügt wie der Mittelstand in der Stadt, muss ein Großteil der | |
Menschen auf dem Land verstädtert werden. Und weil viele chinesische | |
Großstädte bereits übervölkert sind, müssen eben neue gebaut werden. | |
Dieses Programm ist keine Erfindung von Li. Und auch sein Vorgänger, der | |
nun abgetretene Wen Jiabao, hatte mit der Urbanisierung bereits begonnen. | |
Seit Jahren werden landesweit neue Städte aus dem Boden gestampft. Doch von | |
Li wird nun erwartet, dass er dieses Konzept in den nächsten zehn Jahren | |
auch im sozialen Bereich umsetzt. | |
„Wir müssen den Schwerpunkt der Regierungsarbeit auf das Wohlergehen aller | |
Menschen lenken, besonders das der Menschen auf dem Land“, hat er erst | |
vergangene Woche wieder betont. Er versprach noch mehr Investitionen in die | |
Bildung, die Gesundheitsversorgung und den sozialen Wohnungsbau. | |
Tatsächlich muss Chinas neuer Regierungschef schon schnell Erfolge | |
vorweisen. Denn nach zwei Jahrzehnten fast durchgängig zweistelliger | |
Wachstumsraten gerät der Motor der inzwischen zweitgrößten Volkswirtschaft | |
ins Stottern. Exportindustrie und staatliche Großinvestitionen allein | |
genügen nicht mehr, Chinas Wohlstand auszuweiten. | |
Die [3][KP-Kader] erwarten, dass Li der Volksrepublik zu einem neuen | |
Wachstumsmodell verhilft, das stabiler, ausgewogener und nachhaltiger ist. | |
„Die Führung weiß, dass die Markwirtschaft zwar große Erfolge brachte, aber | |
auch viele Schwachstellen“, sagt der ehemalige Weltbank-Ökonom Yukon Huang. | |
Diese Schwachstellen soll Li nun beseitigen. | |
Li hat Erfahrung. Als Vizepremier wirkte er bereits maßgeblich an der | |
Gesundheitsreform mit, die dafür sorgte, dass allein in den vergangenen | |
drei Jahren 172 Millionen Menschen eine Krankenversicherung erhielten. Doch | |
Li war von 1998 bis 2003 als Gouverneur der Provinz Henan auch | |
mitverantwortlich, dass ein Aidsskandal vertuscht und seine Opfer | |
schikaniert wurden. | |
Sein Stellvertreter soll am Samstag Wang Yang werden, ein ebenfalls | |
ausgewiesener Reformer und zuletzt Gouverneur der liberalen Südprovinz | |
Guangdong. Er wiederum bringt Erfahrung im Umgang mit Protesten etwa gegen | |
Landenteignungen mit – eine der vielen [4][Nebenwirkungen] der | |
Urbanisierung. | |
15 Mar 2013 | |
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## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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