# taz.de -- Kritik an der Friedensbewegung: „Pazifismus ist feige“ | |
> Aktionskünstler Philipp Ruch erklärt sein Konzept des „aggressiven | |
> Humanismus“, eine geplante Aktion gegen Heckler&Koch und warum er | |
> Ostermärsche unmoralisch findet. | |
Bild: Nasenase – aber reicht das? | |
taz: Herr Ruch, am Samstag gehen wieder Ostermarschierer in 80 deutschen | |
Städten auf die Straße. Für Sie als Friedensaktivist ein Pflichttermin, | |
oder? | |
Philipp Ruch: Nein. Ich halte es für unmoralisch, auf Demonstrationen zu | |
gehen, wenn ich gleichzeitig etwas tun kann. Wer auf Demonstrationen geht, | |
hat nicht wirklich vor, etwas zu ändern. Da geht es um alle möglichen | |
Motive, nur nicht um den Frieden in Syrien oder im Kongo. | |
Da werden die Ostermärschler vehement widersprechen. | |
Bei den Ostermärschen geht es um abstrakten, nicht um realen Frieden. Ich | |
glaube, diese Einsicht spiegelt sich auch in den marginalen | |
Teilnehmerzahlen. Wo war die Friedensbewegung, als 1992 ganz Sarajevo | |
zusammengeschossen wurde? Wer ist zu den Millionen Menschen gereist, die in | |
den letzten zwanzig Jahren aus Somalia flüchten wollten? Wer hat ihre Pässe | |
gefälscht und Schiffe organisiert, so wie Varian Fry 1941, der die halbe | |
intellektuelle Elite Europas vor den Fängen Hitlers rettete? | |
Wie soll zeitgemäßer Anti-Kriegs-Protest dann aussehen? | |
Wir leben in einem der reichsten Länder, mit Rechten für politische | |
Künstler, von denen frühere Jahrhunderte nur träumten. Es wäre angebracht, | |
nicht nur gegen den eigenen Tiefbahnhof zu protestieren, sondern für die | |
Rechte derer, die leiden. | |
Und da hilft ein Kopfgeld von 25.000 Euro auf die Eigentümer des | |
Panzerherstellers Krauss-Maffei Wegmann, das Sie jüngst ausgesetzt hatten? | |
Wir nennen solche Aktionen „aggressiven Humanismus“. Der Humanismus soll | |
sich nicht als Masse freundlich durch irgendwelche Straßen schleppen, | |
sondern Pässe fälschen, Beamte bestechen und Büros besetzen. Der Kampf um | |
die Menschenrechte geht im 21. Jahrhundert in eine neue Runde. Er muss | |
wehtun. Das hat er mit der Kunst gemein. | |
Sie wollen demnächst die Waffenfabrik von Heckler & Koch im | |
baden-württembergischen Oberndorf mit Zement zuschütten. Ist das Ihr Ernst? | |
Wir wollen von Helikoptern aus das Flüssigzement abwerfen, so wie in | |
Tschernobyl. Die G36-Sturmgewehre dürfen Oberndorf nie wieder verlassen. Es | |
ist unser moralischer Bankrott, dass wir zugesehen haben, wie diese Waffen | |
illegal in diverse Bürgerkriege gelangten. Durch Heckler & Koch starben | |
nach Schätzung des Rüstungskritikers Jürgen Grässlin mindestens 1,5 | |
Millionen Menschen. Wie erklären wir das unseren Kindern? | |
Das ist doch nicht mehr als eine symbolische Aktion. | |
Nicht unbedingt, wir haben mehrere tausend Euro Spenden gesammelt. Da | |
Heckler & Koch aber hoch verschuldet ist, warten wir den April noch ab, ob | |
sie nicht vorher in die Insolvenz rutschen. Wir wollen uns nicht unnötig in | |
Unkosten stürzen. | |
Auf den Ostermärschen wird vor allem gegen unbemannte Drohnen protestiert. | |
Zu Recht? | |
Es wäre wichtig, ein Zeichen gegen den unverhältnismäßigen Einsatz von | |
US-Drohnen im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet zu setzen. Ich hoffe, | |
dass die Opfer irgendwann vor US-Gerichten stehen und die USA auf | |
Schadenersatz in Milliardenhöhe verklagen. Ich will Ihnen aber gerne | |
verraten, dass unser Zentrum für Politische Schönheit darüber nachdenkt, | |
eigene Drohnen zur Überwachung von Genozidgebieten anzuschaffen. | |
Sie sind gar kein Pazifist? | |
Ich halte den rigorosen Pazifismus von Menschen, zumindest wenn sie Krieg | |
nicht erlebt haben, für eine Form von Verantwortungslosigkeit oder | |
Feigheit. Zwei Wochen vor dem Genozid von Srebrenica rief die Grüne | |
Marieluise Beck im Bundestag dazu auf, die Zivilbevölkerung militärisch zu | |
verteidigen. Dabei sprach sie einen Satz, dessen Weisheit die meisten | |
Pazifisten nie verstanden haben: ’Auschwitz wurde von Soldaten befreit.‘ | |
30 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
Konrad Litschko | |
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