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# taz.de -- Krise in Zypern: Operation „Banköffnung“ geglückt
> Die Geldinstitute arbeiten wieder, das große Chaos ist ausgeblieben. Was
> den Menschen jedoch bleibt, ist die Unsicherheit über ihre Zukunft.
Bild: Nikosia: Warten auf Einlass in die Laiki Bank.
NIKOSIA taz | Ireen ist vollständig pleite. Geduldig wartet die Rentnerin
seit einer halben Stunde vor der Filiale der Bank of Cyprus am
Freiheitsplatz in Nikosia, dass sich die Schalter nach 12 Tagen endlich
wieder oeffnen. Zwar konnten die Zyprer in den letzten zwei Wochen immer
kleiner werdende Beträge am Geldautomaten ziehen. Doch Ireen besitzt keine
Bankkarte. „Ich habe mir überall Geld borgen muesssen, bei Nachbarn und
Freunden“, sagt sie. „Ich habe keinen Euro mehr.“
Als sich um Punkt zwölf Uhr die Türen der Filiale endlich öffnen, gibt es
ein wenig Geschubse und Gedränge unter den Dutzenden wartenden Menschen,
genauso wie nebenan bei der Laiki-Bank. Doch das große Chaos bleibt aus.
Immer vier Personen dürfen die von einem privaten Sicherheitsdient
überwachten Geldinstitute betreten. Die Menschen am Freiheitsplatz warten
geduldig ab. Polizisten stehen herum. Sie bekommen nichts zu tun.
Es sind kleine und grosse Dramen, die sich an diesem Tag vor den zyprischen
Banken abspielen. Die Bevölkerung hat die Bitten der Politiker erhöhrt,
dass sich wirklich nur diejenigen anstellen sollten, die es ganz dringend
nötig hätten.
Deshalb wartet jetzt ein junger Mann auf Einlass, dessen Geldkarte schon
seit 15 Tagen nicht funktioniert. Er weiß nicht, warum. Auch er musste sich
bei Freunden Geld borgen, um wenigstens die wichtigsten Ausgaben bestreiten
zu können.
## Auch türkische Zyprioten haben Konten in Nikosia
Nicht nur griechische, sondern auch türkische Zyprioten sind zum
Freiheitsplatz gekommen. Ihre türkischen Banken im Norden der Insel sind
zwar nicht betroffen. Aber viele haben nach einem Bankencrash vor einigen
Jahren Konten bei zyperngriechischen Instituten eröffnet.
Da ist Sinna aus Nord-Nikosia. Er hält ein Depot bei der Pleitebank Laiki,
von dem die monatlichen Beiträge für die englische Schule seines Sohnes
abgebucht werden. Lefteris, ebenfalls türkischer Zyprer, sagt: „Ich habe
viel Geld bei der Laiki-Bank angelegt, weil die als sicher galt.“
Doch das war einmal. Nach den Beschlüssen der EU wird die Laiki, die
zweitgrösste Bank Zperns, abgewickelt. Alle Ersparnisse über 100.000 Euro
gehen ebenso wie die vielen faulen Kredite an eine „schlechte Bank“. Ob die
Kunden von ihren Einlagen jemals wieder etwas sehen werden, wissen sie
nicht.
Beträge unter 100.000 Euro werden an die ebenfalls angeschlagene Bank of
Cyprus transferiert. Bei dieser größten Bank der Insel wird spekuliert,
dass die Grossanleger vielleicht 40 oder 60 Prozent ihres Ersparten
wiedersehen werden – aber keinesfalls in der nächsten Zeit.
Denn die Zentralbank hat strikte Regeln aufgestellt. Ein freier
Kapitalmarkt als einer der Kernpunkte Europas – dieses Prinzip hat auf
Zypern vorläufig keine Gültigkeit mehr. An diesem Donnerstag und in den
nächsten Tagen dürfen maximal 300 Euro Bargeld abgehoben werden.
Auslandsüberweisungen sind auf 5.000 Euro begrenzt, ebenso
Kreditkartenabhebungen außerhalb der Insel. An Bargeld dürfen die Zyprer
nur noch 1.000 Euro mit ins Ausland nehmen. So will die Zentralbank
verhindern, dass die Bevölkerung ihr Geld von den Konten der notleidenden
Banken abhebt und unter der Matratze bunkert.
## 5 Milliarden Euro
In der Nacht zuvor war ein Sonderflugzeug auf dem Flughafen Larnaka
gelandet. An Bord: 5 Milliarden Euro. Die Riesensumme wurde streng bewacht
in einem Konvoi nach Nikosia gebracht und an die Bankfilialen verteilt. Das
frische Bargeld soll ausreichen, um die Bevölkerung fuer die nächsten
Wochen zu versorgen.
Die Stimmung unter den Wartenden vor den Filialen ist gedrückt. Dimitra,
lange blonde Haare, die wie fast alle ihren Nachnamen nicht nennen möchte,
wartet auf der Makarios-Avenue bei einer Laiki-Bank auf Einlass. Sie
begleitet ihre Schwiegermutter Athinoulla. „Sie hat das Ersparte ihres
ganzen Lebens bei dieser Bank“, sagt Dimitra. Es sind weit mehr als nur die
100.000 Euro, deren Auszahlung in ferner Zukunft versprochen wird. „Meine
Schwiegermutter verliert fast alles“, sagt Dimitra.
Am Freiheitsplatz ist die Rentnerin Ireen ein Stueck näher in Richtung
Eingang gerückt. Wie viele hier sieht sie in Deutschland und dessen
Unnachgiebigkeit bei den EU-Verhandlungen die Schuld für ihre Misere.
„Merkel ist an allem schuld“, sagt die Dame mit den vielen Fältchen im
Gesicht. Und dann ergänzt sie: „Ich wünsche mir dass Merkel ... nein, so
etwas darf man nicht aussprechen.“
Am Nachmittag verlieren sich die Schlangen vor den Banken in Nikosia.
Kunden können jetzt ohne Wartezeit ihr Geldinstitut betreten. Die Operation
„Bankenöffnung“ ist geglückt. Doch den Zyprern bleibt die Unsicherheit ü…
ihre Zukunft. Immer mehr Unternehmen geben bekannt, dass sie ihre Geschäfte
schliessen müssen.
28 Mar 2013
## AUTOREN
Klaus Hillenbrand
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