# taz.de -- Regierungskrise in Italien: Napolitano setzt auf Weise | |
> Italiens Präsident Napolitano kämpft will ein Expertengremium einsetzen, | |
> damit sich doch noch eine Regierung bildet. Einen vorzeitigen Rücktritt | |
> schließt er am Samstag aus. | |
Bild: Das Feuer in seinen Augen brennt noch: Giorgio Napolitano | |
ROM afp | Nach dem abermaligen Scheitern der Regierungsbildung in Italien | |
hat Präsident Giorgio Napolitano Spekulationen über seinen Rücktritt | |
zurückgewiesen. Am Samstag teilte er zudem mit, dass „zwei begrenzte | |
Gruppen von Persönlichkeiten“ Vorschläge für einen Ausweg aus der Staats- | |
und Regierungskrise vorlegen sollen. Die beiden Gruppen – in den | |
italienischen Medien als „Weise“ bezeichnet – sollen sich am Dienstag | |
konstituieren. | |
Er sei entschlossen, „bis zum letzten Tag Initiativen zu ergreifen“, um das | |
Land aus der politischen Sackgasse zu führen, erklärte der 87-jährige | |
Staatschef, dessen siebenjährige Amtszeit am 15. Mai endet. Die | |
Nachrichtenagentur Ansa meldete, die eine Gruppe sei | |
„politisch-institutionell“, die andere „wirtschaftlich-sozial“ | |
ausgerichtet. Ihren Bericht sollen sie entweder Napolitano oder seinem | |
Nachfolger übergeben. Napolitano erwartet nach eigenen Angaben „präzise | |
Programmvorschläge“, für die es eine Mehrheit der politischen Kräfte geben | |
solle. | |
Italien treibe weder auf den Abgrund zu, noch sei es führungslos, erklärte | |
Napolitano zu entsprechenden Befürchtungen im Ausland. Der derzeitige | |
Regierungschef und ehemalige EU-Kommissar Mario Monti bleibe im Amt. An der | |
Spitze seiner Regierung von Experten werde er in Abstimmung mit der | |
Europäischen Union und unter Beteiligung des neuen Parlaments | |
Notfallmaßnahmen für die italienische Wirtschaft in die Wege leiten. | |
Die Spekulationen über Napolitanos Rücktritt waren in den italienischen | |
Medien aufgekommen, nachdem die zweite Runde der Konsultationen für eine | |
Regierungsbildung, die der Präsident selbst übernommen hatte, am | |
Freitagabend gescheitert war. Zuvor waren bereits die sechstägigen | |
Sondierungsgespräche des Chefs der Mitte-links-Allianz, Pier Luigi Bersani, | |
ergebnislos zu Ende gegangen. | |
## Nur ein neuer Präsident kann das Parlament auflösen | |
Sollte Napolitano doch noch zurücktreten, müsste das Parlament vorzeitig | |
einen neuen Staatschef wählen. Dieser könnte dann erneut eine | |
Regierungsbildung beauftragen oder das Parlament auflösen und vorgezogene | |
Neuwahlen für Juni oder Juli ansetzen. | |
Napolitano selbst kann dies derzeit nicht tun: Gemäß der Verfassung kann | |
das Staatsoberhaupt das Parlament innerhalb der sechs Monate vor Ablauf | |
seines Mandats nicht auflösen. Der Prozess zur Wahl von Napolitanos | |
Nachfolger durch das Parlament soll nach bisheriger Planung am 15. April | |
beginnen. Im Gegensatz zu früheren Wahlen gibt es bislang keinen | |
eindeutigen Favoriten für Napolitanos Nachfolge. | |
Napolitano könnte auch eine „Regierung des Präsidenten“ anstreben und | |
beispielsweise einen überparteilichen Politiker mit der Bildung einer | |
breiten Mehrparteien-Koalition beauftragen. Eine weitere Lösung bliebe eine | |
Regierung aus Fachleuten, ähnlich wie die des scheidenden Regierungschefs | |
Monti. Napolitano hatte bislang eine Minderheitsregierung ebenso wie | |
Neuwahlen als Ausweg aus der Sackgasse abgelehnt. | |
Bersanis Mitte-links-Bündnis war aus der Parlamentswahl Ende Februar als | |
stärkste Kraft hervorgegangen. Es verfügt über die absolute Mehrheit im | |
Abgeordnetenhaus, hat aber keine gesicherte Mehrheit im Senat. Dort hat es | |
Bersani mit starken Gegenkräften wie der rechtsgerichteten Partei Volk der | |
Freiheit (PdL) des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und der | |
populistischen Fünf-Sterne-Bewegung des Starkomikers Beppe Grillo zu tun. | |
30 Mar 2013 | |
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