# taz.de -- Nach Korruptions- und Kartellfällen: Thyssen sucht den Verräter | |
> Reiner Tisch in Essen: Der Stahlkonzern bietet seinen Mitarbeitern | |
> Amnestie an, wenn sie über interne Verstöße berichten. Viel Zeit bleibt | |
> ihnen dafür aber nicht. | |
Bild: Was weiß er? | |
ESSEN dpa | Nach der Aufdeckung einer ganzen Serie von Kartellfällen führt | |
der Essener ThyssenKrupp-Konzern ein Amnestieprogramm ein. Mitarbeiter, die | |
Kartell- oder Korruptionsfälle „freiwillig, wahrheitsgemäß und umfassend | |
offenbarten“, sollen von der zeitlich begrenzten Regelung profitieren, | |
teilte das Unternehmen am Dienstag in Essen mit. | |
Die Betroffenen müssten dann auch nicht mit Schadenersatzansprüchen oder | |
dem möglichen Verlust ihres Arbeitsplatzes rechnen, hieß es. | |
Strafrechtliche Vorwürfe seien davon jedoch ausgenommen. | |
Das Programm sei zeitlich auf noch nicht verjährte Verstöße begrenzt und | |
gelte nicht für Vorstände und Bereichsvorstände, hieß es. Verstöße können | |
im Rahmen des mit sofortiger Wirkung gestarteten Programms bis zum 15. Juni | |
gemeldet werden, sagte ein Sprecher. Bei der Initiative gehe es darum, eine | |
Zäsur zu machen und einen Selbstreinigungsprozess anzustoßen. „Wir können | |
nicht immer nur zurückblicken“, so der Sprecher. | |
Ziel der Aktion sei es,„zielführende und belastbare Informationen aus den | |
eigenen Reihen zu erhalten“, hieß es aus Unternehmenskreisen. Betroffenen | |
solle ein Ausweg aus dem Dilemma zwischen dem Wunsch nach Ehrlichkeit und | |
der Angst vor persönlichen Sanktionen gezeigt werden. Dabei gehe es darum, | |
„reinen Tisch“ zu machen. Nur so lasse sich „Null Tolerenz“ bei | |
ThyssenKrupp in Zukunft glaubwürdig durchsetzen. „Wer dabei nicht mitzieht, | |
hat bei uns nichts zu suchen“, hieß es. | |
Durch die in der Vergangenheit bekanntgewordenen Verstöße sei ein | |
„gewaltiger“ Imageschaden entstanden, beklagte das Unternehmen. Trotz | |
erheblicher Anstrengungen seien in letzter Zeit wiederholt schwere Verstöße | |
gegen die gute Unternehmensführung (Compliance) festgestellt worden. Neben | |
der Amnestie wolle das Unternehmen sich auch externe Verstärkung durch eine | |
Rechtsanwaltskanzlei und die Etablierung eines Ombudsmanns holen. | |
## Verdacht auf Bildung eines Kartells | |
Vorstandschef Heinrich Hiesinger hatte in der Vergangenheit bereits ein | |
hartes Vorgehen gegen derartige Verstöße angekündigt. „Wir sind dabei, | |
einen umfassenden Wandel der Führungskultur bei ThyssenKrupp umzusetzen“, | |
hatte Hiesinger zuletzt im Februar gesagt. | |
Nach einer ganzen Serie von Kartellverfahren ermittelt das Bundeskartellamt | |
derzeit gegen ThyssenKrupp und andere Stahlhersteller wegen des Verdachts | |
der Bildung eines Kartells beim Verkauf von Autoblechen. Sollte sich der | |
Verdacht erhärten, drohen den Beteiligten hohe Schadenersatzforderungen. | |
Bereits in der Vergangenheit war ThyssenKrupp in zahlreiche Kartelle | |
verstrickt - nach unerlaubten Absprachen bei Rolltreppen hatte zuletzt ein | |
Schienenkartell für Aufsehen gesorgt. | |
Mitte Juni 2012 hatte das Bundeskartellamt gegen die Schienenhersteller | |
Bußgelder in Höhe von 124 Millionen Euro verhängt. In den Jahren 2001 bis | |
2011 hatten die Unternehmen illegal Quoten und Preise für | |
Schienenlieferungen an die Deutsche Bahn abgesprochen. Voestalpine, | |
ebenfalls Mitglied des Kartells, brachte den Fall als Kronzeuge ins Rollen | |
und kam deshalb beim Kartellamt mit einer glimpflichen Strafe davon. Der | |
Löwenanteil des Bußgeldes entfiel auf ThyssenKrupp mit gut 100 Millionen | |
Euro. Zusätzlich drohen hohe Schadenersatzansprüche. | |
16 Apr 2013 | |
## TAGS | |
ThyssenKrupp | |
Schwerpunkt Korruption | |
Kartell | |
Amnestie | |
ThyssenKrupp | |
ThyssenKrupp | |
Schwerpunkt Korruption | |
Schienenkartell | |
ThyssenKrupp | |
ThyssenKrupp | |
ThyssenKrupp | |
Steinbrück | |
Steinbrück | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Jahresbilanz beim Industriekonzern: ThyssenKrupp bleibt eine Baustelle | |
Beim Mischkonzern Thyssen nimmt die Krise kein Ende. Auch der Verkauf eines | |
verlustreichen US-Stahlwerks ist nicht mehr als ein Teilerfolg beim | |
Firmenumbau. | |
Krise in der Stahlindustrie: Weich wie ThyssenKrupp-Stahl | |
Nur von den Erfolgen der Vergangenheit kann man nicht leben: Deutschlands | |
größtem Stahlkonzern droht die Zerschlagung. | |
Europäischer Korruptionsindex: Übliches Geschäftsgebaren | |
Bestechungen sind in Europa ein weit verbreitetes Mittel zur | |
Auftragsbeschaffung. Das stellt eine Befragung durch eine | |
Wirtschaftsberatung fest. | |
Deutsche Bahn erhält Schadensersatz: Schienenkartell muss zahlen | |
Die Deutsche Bahn erhält erstmals Schadensersatz aufgrund gezahlter | |
überhöhter Preise für Schienen und Gleise. Der Konzern Voestalpine zahlt 50 | |
Millionen Euro. | |
Neuer Chef bei Thyssen-Krupp: Das schwierigste Amt seiner Karriere | |
Stahlkocher sucht Neuanfang: Als Vorsitzender des Aufsichtsrats soll Ulrich | |
Lehner den Großkonzern Thyssen-Krupp wieder erfolgreich machen. | |
Wechsel bei ThyssenKrupp: Aufsichtsratchef Cromme wirft hin | |
Nach 12 Jahren an der Spitze des Aufsichtrats verlässt Gerhard Cromme | |
ThyssenKrupp. Er stand wegen milliardenteurer Stahlwerkbauten im Ausland in | |
der Kritik. | |
Luxusreisen bei ThyssenKrupp: Reue und Einsicht | |
Das Aufsichtsratmitglied Bertin Eichler zieht Konsequenzen aus der | |
Luxusreisen-Affäre. Er will die Preisdifferenz zurückzahlen und nicht mehr | |
für den Posten kandidieren. | |
Steinbrück bei Thyssen-Krupp: Einfach kein glückliches Händchen | |
SPD-Kanzlerkandidat soll für Thyssen-Krupp seinen Einfluss zweifelhaft | |
genutzt haben. Fehlinvestitionen des Konzerns bekam er hingegen nicht mit. | |
Kommentar Steinbrück und Thyssen: Der Fehler liegt im System | |
Das eigentliche Problem ist nicht Steinbrücks Einsatz für Thyssen-Krupp. | |
Der Skandal sind Politiker in Aufsichtsräten. |