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# taz.de -- Kolumne Nullen und Einsen: Ihr seid wie meine Mutter
> Internet ist wie schwanger, ein bisschen geht nicht? Unsinn! Die digitale
> Ganz-oder-gar-nicht-Mentalität ist albern und schafft Zwänge.
Bild: Jetzt auch mit QR-Code: Jehovas Zeugen.
Vorm Zickenplatz, auf der anderen Seite der großen Straße, sitzen oft
Zeugen Jehovas an einem Tisch, unterhalten sich und gucken in die Welt
hinaus. Ja, genau, die müssen nämlich gar nicht mehr stehen und schweigend
ein ernstes Gesicht machen. Angesprochen werden sie trotzdem nicht.
Vielleicht haben sie deswegen neuerdings auch einen QR-Code vorn auf ihren
Tisch gedruckt (das sind diese Schachbrettmuster zum
Smartphone-Abfotografieren). Wenn 120.000 Leute ihn aktivieren, kommt der
Messias, aber nur, wenn ihn dann nochmal 60.000 Leute aktivieren.
2013 hat also nun wirklich jeder ins Netz gefunden, selbst [1][die
Amischen] haben eine Webseite und Uli Hoeneß hatte in einem Interview im
Herbst 2012 erklärt, dass er in seinem Leben noch lernen will, [2][wie man
einen Computer bedient]. Er hat ja bald viel Zeit für so was.
Doch während die letzten endlich eintrudeln, wird es den ersten schon
wieder zu viel. Also ich meine jetzt nicht die [3][Journalisten], die mal
sechs Monate offline gehen, weil ihnen kein interessantes Thema einfällt.
Und auch nicht so arschkonservatives „Ich mach das nur noch bei der Arbeit,
ich habe das nicht nötig“-Gepose, das ja gerade zeigt, WIE nötig man es
wirklich hat.
Nein, ich meine Kollegen von mir, kluge und lustige Menschen eigentlich,
die neulich gemeinsam über den Mitmachdruck in sozialen Medien klagten.
„Seit über einer Woche nichts mehr bei Facebook gepostet. Das macht richtig
Spaß“, postete der eine dann kurze Zeit später bei Facebook. Und die andere
sagte mir, sie wäre jetzt raus bei Twitter, weil sie es nicht mehr schaffen
würde, das alles zu lesen.
Ich verstehe das nicht. Man muss doch nichts bei Facebook posten, wenn man
gerade nichts zu erzählen hat. Ich ruf doch auch nicht jeden Tag aus
Prinzip jemanden an. Und es ist ja außerdem gerade das Tolle am Internet,
dass es voller Katzen … äh: dass es so groß ist, dass man eh keine Chance
hat, alles zu erfassen, und es deswegen gar nicht erst versuchen muss.
Doch irgendwie gibt es in Sachen Internet immer noch eine seltsame erhöhte
Selbstwahrnehmung gepaart mit einer binären Ganz-oder-gar-nicht-Mentalität.
Unter eine meiner Kolumnen etwa, wo es um [4][meine Liebe zu
Facebook-Likes] ging, schrieb [5][Kommentator Piet]: „Herr Brake – Sie
sollten reisen! Lernen Sie E-Schweißen! Eine exotische Fremdsprache. Machen
Sie e c h t e Erfahrungen“ Als wenn das nicht einfach beides ginge,
Facebook und Offlineaktivitäten. (Mal ganz nebenbei: Was macht eine so
abstrakte Tätigkeit wie „Fremdsprache lernen“ zu einer echteren Erfahrung
als Facebook?)
Ein wenig erinnert mich das an meine Mutter, die immer, wenn ich bei ihr
bin, laut darüber nachdenkt, ob sie ihr Zeitungsabo kündigen soll, weil sie
ja doch nicht schafft, das alles zu lesen, bzw. ob sie nun ein neues Abo
bestellt, aber sich deswegen nicht sicher ist, weil sie es ja doch nicht
schafft, das alles zu lesen.
Na ja. Jetzt hat sie sich erst mal ein Jahr auf ein Wochenendabo
festgelegt. Das tolle, neue der [6][taz.am Wochenende], die jetzt so
wunderbar [7][dick und gemütlich] ist. Haha. Habt ihr jetzt wirklich
geglaubt, was? Nee. Natürlich eins von der Süddeutschen.
26 Apr 2013
## LINKS
[1] http://www.amish-people.de/
[2] http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=gZwgVQfrwIU#t=…
[3] http://www.zeit.de/kultur/2010-08/ruehle-koch-offline
[4] /Kolumne-Nullen-und-Einsen/!99801/
[5] /!c99801/
[6] /zeitung/tazinfo/taw-vorlauf/
[7] /Galerie/!g=Dick-und-gemtlich/
## AUTOREN
Michael Brake
## TAGS
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Internet
Rügen
Computerspiel
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Goldene Zitronen
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