| # taz.de -- Opposition in der Ukraine: Teilerfolg für Julia Timoschenko | |
| > Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt die Ukraine. Die | |
| > Politikerin sei „willkürlich und ungesetzlich“ in Untersuchungshaft | |
| > gewesen. | |
| Bild: Hatte nicht mit allen Beschwerden vor Gericht Erfolg: Die Oppositionspoli… | |
| FREIBURG taz | Die Ukraine hat die Rechte der damaligen Oppositionsführerin | |
| Julia Timoschenko verletzt. Die Anordnung von Untersuchungshaft im August | |
| 2011 war „ungesetzlich und willkürlich“. Das entschied jetzt der | |
| Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Misshandlungsvorwürfe | |
| Timoschenkos hatten allerdings keinen Erfolg. | |
| Julia Timoschenko war 2004 eine Anführerin der Orangenen Revolution in der | |
| Ukraine und verdrängte dabei den heutigen Präsidenten Viktor Janukowitsch | |
| von der Macht. Später war sie mehrere Jahre Premierministerin. Janukowitsch | |
| gewann allerdings 2010 die Präsidentschaftswahlen gegen Timoschenko. | |
| Seitdem wird Timoschenko von der ukrainischen Justiz verfolgt. So wurde sie | |
| im Oktober 2011 wegen Amtsmissbrauchs beim Abschluss eines Gasvertrags zu | |
| sieben Jahren Haft verurteilt. Außerdem lastet ihr die Staatsanwaltschaft | |
| einen unaufgeklärten Mord aus dem Jahr 1996 an. | |
| Im Verfahren wegen der Gasverträge verhielt sich Timoschenko vor dem | |
| ukrainischen Gericht unkooperativ, um gegen die Anklage zu protestieren. | |
| Daraufhin ordnete der Richter Untersuchungshaft an, weil sie das Verfahren | |
| behindert und das Gericht verächtlich gemacht habe. | |
| ## Schadensersatz verweigert | |
| Dies sei nach ukrainischem Recht jedoch kein zulässiger Grund für eine | |
| Untersuchungshaft, stellte jetzt der Straßburger Gerichtshof fest. Damit | |
| sei Timoschenkos Recht auf Freiheit verletzt worden. Außerdem sei ihre | |
| Klage gegen die Verhängung der U-Haft von den ukrainischen Gerichten nicht | |
| richtig geprüft worden und Schadensersatz habe man ihr auch verweigert, so | |
| Straßburg. | |
| Keinen Erfolg hatte Timoschenko jedoch in mehreren anderen Punkten. So | |
| hatte sie sich beschwert, dass sie im April 2012 bei der Verlegung in eine | |
| Klinik von Sicherheitskräften misshandelt worden sei. Als Beleg | |
| präsentierte sie blaue Flecken an Armen und Beinen. Die ukrainischen | |
| Behörden behaupteten jedoch, diese Flecken seien schon älter. Timoschenko | |
| verweigerte damals die Untersuchung durch einen ukrainischen | |
| Gerichtsmediziner, weil sie allen offiziellen Ärzten misstraut. Deshalb | |
| konnte nun der Straßburger Gerichtshof nicht feststellen, dass Timoschenko | |
| unmenschlich behandelt wurde. | |
| Dieser Teil des Urteils wurde allerdings nur mit 4 zu 3 Richterstimmen | |
| getroffen. Zur Minderheit gehörten der luxemburgische EGMR-Präsident Dean | |
| Spielmann und die deutsche Richtern Angelika Nußberger. Nach ihrer | |
| Auffassung hatte Timoschenko Anspruch auf die Untersuchung durch | |
| unabhängige Ärzte. | |
| Timoschenkos Klage gegen ihre Haftbedingungen - Mangel an Tageslicht und | |
| Warmwasser, unzureichende ärztliche Betreuung - wurden einstimmig als | |
| unzulässig abgelehnt. Ihre Haftbedingungen und die medizinische Versorgung | |
| seien besser gewesen als die anderer Untersuchungshäftlinge in der Ukraine. | |
| Die Richter beriefen sich dabei auf das Anti-Folter-Komitee des Europarats, | |
| das keine Bedenken gegen die ärztliche Behandlung Timoschenkos äußerte. | |
| ## Videoüberwachung bleibt strittig | |
| Unzulässig war auch Timoschenkos Klage gegen die permanente | |
| Videoüberwachung ihrer Zelle. Sie habe hier nicht den ukrainischen | |
| Rechtsweg ausgeschöpft, entschied der Gerichtshof. | |
| Der Gerichtshof hatte die Vorwürfe Timoschenkos wegen der großen Bedeutung | |
| des Falles in einem beschleunigten Verfahren untersucht. Gegen das jetzige | |
| Urteil, das von sieben EGMR-Richtern gesprochen wurde, können beide Seiten | |
| noch die Große EGMR-Kammer mit 17 Richtern anrufen. | |
| Sollte das Urteil bestätigt werden, würde dies nicht zur Haftentlassung | |
| Timoschenkos führen. Die gerügte Untersuchungshaft ist ohnehin bereits | |
| abgeschlossen. Da das Strafurteil wegen der Gasverträge inzwischen | |
| rechtskräftig ist, sitzt Timoschenko jetzt in Strafhaft. | |
| Schadensersatz hatte Timoschenko in Straßburg nicht beantragt. Allerdings | |
| stellte der Gerichtfshof fest, dass ihr Schadensersatz wegen der | |
| rechtswidrigen U-Haft verweigert wurde, so dass das Urteil für sie | |
| zumindest noch finanzielle Folgen haben kann. | |
| Auf jeden Fall wird sich der Straßburger Gerichtshof bald wieder mit der | |
| Ukraine beschäftigen. Eine weitere Beschwerde Timoschenkos gegen das | |
| Strafurteil und Vorkommnisse während des Strafprozesses ist bereits | |
| anhängig. | |
| 30 Apr 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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